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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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N 17


Somitag, 2v. Zanuar


L8EL1.

Ueber die gegenwärtigen Zustände
in Ungar«

schrcibt die „Ostv. Post" : „Zeder und je-
der Taq brinqt von Wen nach Unqarn neue
nnd großartige Zugeständniffe, und jeder Tag
brinqt von Ungarn nach Wien Nachrichten
von neucn Comitatsbeschlüffen und Kundge-
buiige», di'e in der vehementesten Wcise gegen
das Zntereffc des übrigen Oesterreichs gerich-
tet sind. Wir brauchen nnr auf dic Nach-
richten aus Arad hinzuweisen; wohin bas füh-
ren, wie das enden wird, wiffen wir nicht.
Die ungarischen Minister, die dem Kaiser nnd
der Welt gegenüber die Verantwortlichkeit
übernvmmen haben, daS Diplom vom 20, Oct.
in dieser Weise auszusühren, müffen ihr i?and
beffer keiincn als wir, Abcr vamit stnd wir
einverstandcn, daß, nachvem man einmal so
weit gcgangen ist uiid nachdem die bisherige
Lerwaltnng vollstaudig aufgelöst wurde, ein
Stillstand, cin Enkgcgeiistemmc» politisch un-
möglich geworden, und daß man den Wagrn
dahin brausen -laffcn mnß, wohin ebrn der
Damps treibt, bis der Landtag zusammentritt.
Der ilandtag wird iiber däs Schicksal Ungakns
iind Oesterrcichs cntschciden! Es ist ein gro-
ßer Einsatz, her von beidcn Sciten anf dem
Spiele steht, und es ist uns nnbegreiflich, weß-
halb inan die Eröffnung dcs Liimdtags bis
znm April hinausgeschoben hat; wcßhalb man
den Üeidenschaften, der wildcn Bewkgung, den
sich selbst berauschendcn und überhicteiiden
Comitatsverhandlungen noch drikthalb Monate
die Arena offen läßt, ehe man ffc in das gc-
setzliche Gebiet einmiiiiden läßt; warum man
noch 10 volle Wochen die Monarchie in der
Schwebe läßt »ber die Geschicke, die auf dem
lingarischcn Lanvtage sich entscheiden sollen.
Es ist kein geringes Wagstück, ein von der
Phantasic, von iiberschäuineildein Nationalstolz
geleitekes Bolk, deffen zührunq in dic Hände
vcrbikterter, durch 10 Zahre versolgter Män-
ner übcrging, die zum Theil im Gesängniß,
znm Theil im Eril ihrc politische Verqangrn-
heit büßen inußkcn, 10 Wochcn lang si-ch selbst
zn überlaffen, ohne das Organ ailfzurichten,
wclchcs qllci» im Stande ist, den tollstcn Ein-
sällen gesctzlichen Halt zu gcbicten. Denii
was vie Hofkanzlei i» Wien, was die Statt-
halterci in Osen für einen Einflnß hat, dafür
liegcn bereits mehrere Thatsachen vor. Zhre
Erlaffe werden mittelst einer einfachen Er-
klärunq aä svtn gelegt. Nach mäßigenden
Einflüffen forschcn wir vergeblich. Einc Co-
mitaksversammlnng sucht die andere zu über-
bieten. Dic Obergespäne sind, sobald sie nichi

der Bewcgung sich anschli'eßen, ohne Gewalt
und Anschen, nnd das Princip: mit den Wöl-
fen muß man henlcn, stcht in Ungarn in vol-
ler Blüthc bei Allrii, die ekwaS zu veblieren
haben; Hochadcl, Deutsche, Jnden, Alles fchließt
sich dem Strom au, der dcm Widcrstrebenden
über den Kopf zu gehen droht. Unter vier
Augen hört man dänn gar Manchen in an-
derer Weise und in cinem andern Sinne heu-
len, als er es Sffentiich thut; aber nach Außen
hin muß er darum um so grimmigcr sich ge-
berden. Guksbesitzer, vie gerne Steuern zah-
len möchtcn, scheucn sich vor dem OstracismuS
dcr Umgebung. Der Bauer zahlt theilweise
noch, aber wie lange?" — Eben verlautet noch,
daß auf Verlangen deS in Ungarn comman-
direnden Generals Fnrsten Liechtenstein zwei
vüllstäudigc Brigadcn (zwei Cavallerie- und
zwei Znfaulcrieregimcntcr sammtGeschütz) nach
Pesth bcordert worden.

Oeutschland.

^ Freiburg, 18. Zan. Heute in dcr
Frühe ereignetc sich hier ein großes Unglnck,
vas leicht noch größere Ausdehnung hätte
anuchmeii können. Zn der Löwengaffc sprang
cine Gasröhre der Straßcnleilung, und va
vaS Gas vurch den wie Stein sestgesrorencn
Bodcn nicht so rasch durchdringen konnte,
zog cs sich nach den Häusern in bic Kellee
und drang von va aus nach obcn. Seit eini-
gen Tagen schon bemerkte man >n de» nahcn
Hänfcrn Gasgrrnch; lcgte aber der Sachc
keine Bedcntung bei, wcil nur in einem eiii-
zigcn Hause der Unrgebung Gaseinrichtung
ist. Hente in dcc Friihe nun war in mehre-
reu Hausern daö Gas so stark in den ersten
Stock geftrungcii, daß beim Ausstehen mehrere
Personen umstürzteli unv nur vurch schleunige
Hilfe dem sichern Tode entriffen wurden.
Einige Fenster wurven von außen geöffnet
uiid ma» sand die Leute hilflos liegen. Ein
älierer Mann wurdc todt gesunden, mehrere
Personen licgen in ärztlicher Behandluiig.
Die Untersuchung wird herauSstellen, wic
eine jo maffcnhafte Ausströmung dcS Gases
in mehrere benachbarte Häuser während län-
gerer Zei't statt sknden komite. Es wlrd wc-
nigstens behauptek, ob wahr, kann natürlich
im ersten Angenblick nicht entschieven werden:
es sei gestern schon wiebcrholt die Anzcige
über das Aiiöströmeii des Gases von dem
Besttzer jenes einzigen Hauses l'u der Nähe,
welches GaSeinrichtung hat, gemacht worvc».

Wiesbaden, 17, Jan. Die. an deu

Staatsminister, Prinzen v. Wiitgensttin, gc-
richtcte Petition — von der gcstrigrn Ver-
sammlung des Wiesbadener Nationalvereins
angcnommen imd unterzeichnct — wurde von
einer Deputation dem Staatsministcr, Prin-
zeu v. Wittgcnstein überreicht: Der Prinz
sprach sich dahiu aus, daß dcr Nativaalver-
cin bisher im Herzogthum nicht verfolgt, son-
dern ignorirt wordcn sei und daß, so lange
dcrsclbe aus gesetzlichem Wcge verbleibc, wan
hierorts an Verfolgung nicht denke.

Berlin, 16. Zan. Am Tage nach ber
Uebersiedlung Sr. Majcstät des Königs vvn
Potsdam in sei» hiesigcs Palais hat er alle
in Berlin wohnenden und geradr anweseaden
activen Gencräle versammelt unv ihnen unge-
sähr Folgcndes qcsagt:

,Zum ersten Malc Ircle ich henlc ale Zhr Ikiicgeherr i»
Zhrc Mittc. Nic häitc ich geglanbt, dnß tic Vorschung
mich z« dicscm schwere» Amte dernsen, nte habc ich dornn
grdnchr, daß ich mciucn thcurcn Ärndcr nbcrlkbrn wnrde.
Zch war ia dcr Zngcnr so vici schwnchiichcr alo rr, daß
nach dcn Gcsctzcn dcr Natnr urcine Nnchfolge anf dca
Thron nnscrer Ahncn anßcr aller Bcrechnung lag. Darum
halte tch auch stcrS mcinc Lcbensanfgabc nur im Dicnstc
d-r prcußtschcn Armcc crkanni, dnrum habc ich mtch diescm
Dienstc mtt vollcr AuSdauer hingrgcbcn nnd glaubtc so
am besten dic Pflichtcn eine« prcnßischcn Prinzcn gegcn
sctncn Lintg and scin Vatcrland zn rrfüllr». Zctzl hat
mtch dcr ua-rforschlich- Raihjchluß dee Allmächlige» aaf
dcn Thron bcrnscn, den zn stützcn ich bishcr für mctae
itnztge Pflichl g-halt-n. Es gcschieht in ciaer gefahr.
drohendcn Zcit und mit dcr Aussjcht anf Kämpfe, in dcnen
ich oicllcichl Jhrcr ganzrn Hingebuag, mcinc Hcrren, be-
dürsen wcrde, Wcnn cS mir nnd dcn Fürsten, die gleich
mtr den Frtedcn erhaiten wollcn, ntcht giltngt, daS hcrans-
zirhcnde Ungcwttlcr zu brschwichligen, so wcrbcn wsr un-
s-rc ganzc «rasl zusammcn nchmcn müffcn, nm thm zu
st-hcn, um >S abznwehrin. Zch sreuc mich, dnß ich de»
Gcncral-Fclvmarschall oon Wraagcl jo rüstig aa Zhrcr
Spitzr sche, Sic, licbcr SkrtrgSministcr »oa Roon, habe
ich »Ichl aus Rosen gcbrllct uud Sie wcrdc» standhasl
kämpfcn orüffc», die Armce zu dem zn machcn, waS fic sür
dtc Znkunfi PrrußcnS sein mnß, Täuschen wtr »nS nicht!
Gclingl cs mtr nrcht, de» Knmps abzuwendeo, so wtrd e«
ein Kamps, i„ dcm wir siegc« müffrn, wcnn wir nichl
nntrrgehc» wollen!" hBank. u», H,.Ztg,)

Berlin, 16. Jan. Die prenßiseffc Ri-
gicrung hatte bekanntlich in Turin wegc»
ver Rede des Herrn Valerio, sardinischen
Kominiffärs in ven Marken, welche Triest
einc italienische Stadt nennt, interpellirtn
laffen. Die Aniwort, welche Graf Cavour
varaus daraus gegcben, lautet dahin, daß der
außerordentlichc Kommiffär Valeriv weder
Auftrag noch Anlaß gehabt habe, sich also
auszusprcchen, da die Grundsätze der sardiai-
schen Regierung völlig entgegengcsetzte seicn,
und daß man ihn deßhalb auf'S Bestimmteste
desavouirt habe und desavouire. Die sardi-
nische Regierung sei gesvnnen, den deutschen
Bunv gcwiffenhast zu rcspectirea. (F. I.)

Sir lirbt rnirh. ,

Novellettc vou Carl Stugau.

(Fortsctzung).

Nachdcm das wichtige Geschiift des NicdersitzenS
beendigt war und die Frauen einige slüchtige Grüßc
mit Bekanntcn in dcn Nebenlogen gewcchselt hatten,
nahm Melanic ihr Opernglas aus dem Etni, brachte
es mit graciöscr Bewegung vor das Augc und ließ
es langsam dcn ersten Logenrang entlang glciten,
dann ebenso den zwciten. Ein aufmerksamer Be-
obachter hättc bemcrken können, daß das Opern-
glas der schöncn Frau, an einer gewiffen Stellc
angekommen, einen Moment innc hielt und daß
eine lcichte Röthe dabet ihre Züge überflog. Glcich
darauf war die ganze Aufmcrksamkeit Melanie's
auf die Bühne gerichtct. Wer saß in jencr Logc?
Man konnte es nicht recht ausnchmen. Dic Per-
son, welchc sie innc hatte, saß so sehr im Hinter-
griind, daß man nichts alS eincn lichtgclbcn Hand-
schuh uiid die zwei Objcctivgläscr eincS Opern-
guckers erkennen konnte. Gchörten diesc Dinge eincm
Herrn oder einer Dame? Dic Hand war zwar nrcht

groß, aber doch etwas dcrbcr als eine eitle Frau
sich solche gewünscht hättc. Maric vielleicht hättc
den Zwcifcl lösen können. Denn auch sie richtete,
nachdem ihr Melanic cinigc Wortc in oas Ohr gc-
fiüstert, ihr GlaS einen Moment nach dersclbcn
Loge, worauf sic Melanie cinen Blick des Einver-
ständniffis zuwarf.

DaS Publicum vcrhielt fich währcnd der erstcn
zwci Actc des neucn Stückes ziemlich theilnahnis-
los. In der That enthielten sie auch keiNc jcncr
drastischen Sccnen, welche „znndcn." Es war cin
bürgerliches Drama, das sich cinfach und natür-
lich wie ein Stück wirklichen LebenS ausbaute und
entwickelte. Mit dcm drittcn Acte traten dic Um-
riffc schärfer hervor. Einige Züge, die in den bei-
den erstcn Acten wie zwecklos cingcwobcn schicnen,
bckamen plötzlich Bedeutung und erwicsen sich als
nothwendigc Gliedcr d?S Ganzcn. Das Znteresse
wuchs, einzelnc Sccnen wurden applaudirt, das
Publicum wurde stufenweise wärmcr und brach am
Schliiffc des dritten Actes tn einen Beifallssturm
aus, wie ihn das Haus selten gesehen hattc. Der
Dichter wnrdc gerusen; statt seiner crschien der Rc-
grffeur, unl zn dankm. Während Aller Blicke aus

dic Bühne gerichtet waren, heftete stch Mekanie's
Opernglas abermals auf die bcwußtc Lvge. Dics-
mal glühtc ihr Gcsicht in freudiger Errcgüng und
cin unmcrkliches Beugcn des Hauptes hättc fast äls
leiscr, nach dcr Loge geworfcner Gruß ge'oeutct
werdcn könncn. Jm vicrten und fiinftcn Act stei-
gertc sich die Theilnahme deS Publicums mit jtder
Scene; dasBcifallklatschen wollte kein Endcnehnren.
Der Dichtcr wurde auch am Schluffe des vicrten,
und am Ende des sünften Actes sogar drcimal ge-
rufen. Auch diesmäl erschien der Dichtcr nicht sclbst,
den man hinter dcn Eouliffen vermuthetc, sv stür-
misch man sein Hervortreten auch verlangt«.

Ehe Melanie dic Loge vcrließ, warf sie mtt un-
bewaffnetem Auge noch einen Blick nach der Loge
mit dcm unsichtbaren Znhaber. DicSMak wurde
ein brauner Lockcnkopf flchtbar. Niemand be-
merktc wohl die leichte Bewegung mit dem Ta-
schentuch, die Melanie vor dem Austritt aus der
Lvge machte; «ar ja Loch ALes schon im Fortgrhcn
bcgn'ffen, wo Jedes mit fich seldst zu thun hat.
Melanie täuschtc sich. Nicht blos das Zeichen mit
dem Taschentuch war bemerkt worden, auch jedc
ihrer übrigen Beweguugen währcnb der ganzen
 
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