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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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Wdi'lbtrgrr Iritung.

sr 21


Freitag, 2Zi. Zanuar


L8«L

H Iur jetzigen Laqe Qesterreichs

Außer dcr ltalienischcn und orientalischen
Frage, der wir von Zeik zu Zeit in greigne-
ten Momenten besondcre Betrachtungen wid-
men we'rven, berührt uns selbstverständlich
am mcisten die allgemeine Verfassungssrage
hinsichtlich unseres deutschen Gesammtvater-
landes. -Wir werden uns auch hierüber sci-
ner Zeit nähcr aussprechen, und ziehcn für
jetzt wiederhvlt die Zustände des österreichi-
schen Kaiserstaates, durch deren schiießlicheGe-
staltung die Verhältniffc Gesammtdcutschlands
wesentlich mit bedingt sind, in den Kreis unserer
Bctrachtungen. Mittclst Veneticns greifen
sene bckanntermaßen tief in die italieilische
Frage, und durch Ungarn unv die angränzen-
den Slavcnstämme ebenso in die künftige
Entwickelung der Dingc im Orient cin.
Diese beiden Cardinalfragcn aber, welche sci-
ner Zeit noch den wesentlichstcn Einfluß auf
die künftigen Verhältnisse unseres Weltihcils
äußern werdcn, und »on denen die Entschei-
dung, ob Krieg oder Fricden, hauptsächlich
abhängt, stehen ebenfalls wieker untcr sich
in einem inncrn Zusammcnhange, in einer
gewissen Wechselwirkung, wic wir dieses in
der Folge ebenfalls näher darlegen werden.
Für jetzt bilden hauptsächlich die inncrn Ver-
hültniffe Oesterrcichs den Gcgenstand unserer
Abhandlung.

Scit dem viclbesprochcncn Manifestc Schmer-
lingS gegcn Ende dcs vorigen Jahrcs ist in
diescm östlichen Kaiserstaate von oben herab
bekannilich nur wenig geschehen, um die ge-
spannlen Erwartilligen, die man allseits hegte,
in entsprechender Weisc zu befricdigcn. Die
geäußcrten Worte lassen noch iirimer den,
allein frohe Zuversicht ertheilenden nachdrucks-
vollen Ernst der nachfolgenden Handlungen
vermiffen. Dies ist um so beklagensweriher,
als bei dcr jetzigen kritischen Lagc des Kai-
serstaates fast jeder cinzelne verlorene Tag
eiü iinerseßlichcr Verlust ist. Man will von
Seitcn dcr dortigen Staatsgewalt dicse Un-
lhätigkeit zwar nur alS eine schcinbare dar-
stcllen, und diesclbe dainit entschuldigen, daß
vor Zusamnicnknnft des Reichsraths und tzer
einzelnen Laudtage, zu denen die Wahlen
in vollcm Gangc sind, zur Zeit nichts Erheb-
liches geschchen könne. Dcr ungarischc
Reichstag namentlich könnc, so sagt man,
der nöthigen Förmlichkeiten wegcn, sogar erst
zu Anfang dcs Monats April beruscn wer.
den. AUcin wer bürgt dafür, daß nicht vor
diesem Zeitpunkt bereits solche keitische Er-

cigniffe eintreten, wodurch ker ganze neue
Organisationsplan der österreichischc» Regkc-
rung scit dem 20. Oct. v. Z. zu nichte ge-
macht wird? Diescr Plan ging, nach unserer
früheren Darstellung, offenbar darauf hinaus,
jedem dcr einzelnen Kronländer und Volks-
stämme eine in gewissc Grenzen gezogcne
Selbstständigkcit zu verlcihen, und sodattn
diese durch die eigcnlhüinliche Zusammcnseßung
deS Kaiscrstaatcs bedingte centrifugale Rich-
tung durch dcn Reichsrath und die vberste
Centralkcgicrung zusammenzuhalken. Der Ge-
danke war an u»d für sich nicht übel und
den nationalen und politischen Sondcrbe-
strebungen Oesterreichs wohl am angemes-
senstcn. Allein in der Ausführung schlug
er deßhalb fehl, weil den Ungarn ein
viel größeres Maß von Sclbstständigkeit und
Freiheit geboten wurve, als den übrigen Pro-
vinzen. Die andern Nationalitätcn, wie die
polnische in Gallizien, die cchechischö in Löh-
men, traten nun bekanntermaaßen mit glei-
chen Anforderungen auf. Blos bas tzcutsche
Element zog sich allzu bcscheidciizurück und ver-
hüüte scine Wünsche, zu dencn es doch vor-
zugsweise berechtigl war,, in stillen Unmuth
und in stummcs Schwcigen. — Zudem ist
von der österreichischen RegicrungSgewalt
nicht nur activ wenig gcschehcn, sondern auch
so Manchcs unterlaffen worden, worauf man
in Folgc des kais. Diploms und des Schmer-
ling'schen Manifestcs mit ziemlicher Sicher-
heit rcchneii kvnnte: Zmmer nvch ist Rcchdcrg
ncbcn dem letztern Minister in seinem Auitc,
immcr üoch stehl das Concortzat in voller
Blütye. Hierzu dic täglich drückeilder wcrdcudc
FinanzNoth und ein äußerer Kricg vor dcr
Thürc! Alles viescs stumpft das Vertraueu
dcr Staatsangehörigcn ab, dic einen wahrcn
und ganzen liberalcn Gcist in den Regierungs-
handlungen vermisse», zumal ein großer Theil
der neucn Jnstitutionen sclbft auf dem Pa-
piere, wic z. B. bas Jnstilut des ReichSra-
lheS, nur halbconstitutionelle Zwittergcschöpfe
stnd. Sowie die Sachen jctzt liegen, drängt
die äußcrste und letzte Noth, daß Oesterteich
crnstlich ganz und ungetheilt in dic Rcihcn
der wahrhaft constilutioncllen Staateu ein-
trcte, und daß namentlich cin gecigncter, zu
allen constitukioneüen Maßnahmcn befähig-
ter ReichStag dcn radicalen und pvlitischen
Sonderbestrebungen der cinzelnen Provinzen
unb Volksstämmc das Gegengewichk halte.
Andernfalls häite Oesterreich burch die Rich-
tung seiucs bishcrigen Organisationsplanes
gcrade daS Gegenthcil von dem bezweckt,

was cs damit bestrebte, nämlich die fortwäh-
rentze Lockeruug und das eadliche Auseiaan-
derfallen dcs KaiserstaateS. Es ist schou eia
schlimmeS Zeichen der Zeit, und eiu Spmp-
tom einer offeubarcn Krankheit eine« Staa-
teS, wenn neu umgeschaffene Znstitutionen sich
so schnell überlcbcn, sv daß sie bereits als
abgenutzt betrachtet wertzeu müsseu, ehe sie
förmlich ins Leben getreten find. Um eincr
solchen droheudcn Krisis mit Erfolg zu be-
gcgnen, sinb wahre «nd gan ze Reformeu
zur rcchtcn Zei't unbedingt nöthig. Halbc
Reformen verspätet, schaden mehr alS sic
'nutzen, und dicnen nur dazu, die Kraft der
Staatsgewalt abzuschwächen. Es ist wahr-
lich die höchste Zcit, wcnn uicht gar zu spät,
daß sich Oesterrcich zu solcheu vollcn, usge-
theilten Rcformen entschließt. Gar viele Au-
zeichen in den einzclnen Theilen des Staa-
tes laffcn darauf schlicßen, daß die Periode
der friedlichen Refvrmcn und dcs erspricsli-
chen GcdeihenS und befruchtenven Nutzens
dcrselben viellcicht jetzt schou vorüber ist,
nud daß der Zeitpunkt einer anderen drohen-
dcren Krisis bereits begonnen hat. Am mei-
sten und auffallendsten zeigen sich solche
Spmptome in dem bedcutenbstcn und wichtig-
sten außerdeutschen Kronlande, in Ungarn,
dcm wir deßhalb eincn besondern Abschnitt
wibmen werden.

Deutschland.

Karl-ruhe, 23. Zan. Da- heute erschleneae Regte-
ruugSblatt Nr. 3 enthält:

I. Unmlttelbare allerhöchste Entschließungen Sr. Köaigl.
Hohett des GroßherzogS. Dtenstnachrtchten. (Schon
mitgerheilt)

l i. Verfügungen und Bekanntmachuugen der Mintsterien.
1) Bekanntmachung deS großh. ZustizmintstcriumL: Dte
AUodification der Frhrl. v. Berltchingen-Roßach'schell Lehen
und dte staatsrcchtlichen Verhältniffe der genannten frei-
hcrrlichen Familte brtreffend. 2) Bekavntmachungen de»
großh. MintsteriumS des Znnern : ») VvllzugSverordnnng
zum Gcsetz vom 9. Oct. v. Z. über dte bürgerliche Stan»
dcsbeamtung tn AuSnahmSfällen. t>) Dte Verlethung de-
größeren altbadtschen JuristenstipendiumS betr. 3) Be«
kanntmachungen deS großh. FtnanzministertumS: s) Dte
Errtchtung etneS Nebenzollamtes l i. zu Harthetm betr.
t>) Die Ermäßigung drr Rhetnzölle detreffend. 4) Be-
kanntmachung des großh. KrtegSmtnistrriumS: Die nun-
mehrige Benennung deö 2. JnfanterterrgtmentS betreffend.
5) Bekanntmachung des großh. HandelSministertumS: Die
Patenterthetlung an daS HandlungShauS Emil Esficht und
Comp. in Stuttgart betreffend.

Hl. Diensterledigung. Die katholische Pfarrei Aech-
tingen, AmtS Bretsach, mit einem detläufigen ZahrcSer-
trägntß von 1200 fi. ist in Erledtgung gekommen. Dte
Bewcrber nm dtese Pfarrei habcn fich tnnerhalb sech-
Wochen bet der Universität Fretburg, welcher daS PatronatS-
rccht über dieselbe zusteht. ordnungsmäßtg zu melden.

Kir lirbt mich.

Novellcte von Earl SIug Lu.

(Fortsetzung).

Bei diesen Wortcn bvg sich bie schvue Frau über
ihn hcrab und küßte ihn auf die Stirne und dann
auf den Mund. „Adieu!" sprach sie noch mit dcr
süßesten Zntonation der Stimme unter der Thüre,
„Adieu!" Sie ging.

Thevdor hörte den Wagen zuschlagen unb-sort-
rollen.

8.

Als Melanie im Hause ihrer Frrundin ankam,
«ar dre Gesellschäst schoü ziemlich zählreich ver-
sammelt. Der Gcneral cmpsing sie im Vorsaal.

„Das Beste kommt immer zuletzt", sagte der wür-
drge alte Herr mit der rittcrlichen Artigkeit, dik
ihm eigcn war; „meine Fräu erwartet Sie säson
längst. Zur Strafc sür Zhr Zuspätkommen müffen
Sic mir daS Vergnügen machen, Sic hineinführen
zu dürfen."

Mit dicscn Worten lwt er ihr dcn Arm und
führte sic in den Salon. Marie saß auf dcm Divan,
umgeben von einem halben DUtzend junger Frauen

und Mädchen und in «citeren Kreisen von Herren
in Livrl und Uniform, welchc in ihrer Conver-
sation mit den Damen noch nicht über die PrLlr-
minarien der Ballunterhaltung, Wettcr, Thcater,
Concerte und was dcrlet intercssante Gesprachs-
stoffe mehr sind, hinansgekommen waren. Als der
würdige Hausherr mit der schöncn Frau am Armc
herangeschritten kam, «ichen Herren und Damen,
dic stch im Wcge befanden, ehrerdietig bci Scite,
um Platz zü machen. Dte sttllschweigcnde Hulbi-
gnng, dte dabei in den bewundernden Blicken der
MLnner lag, zeigte deutlich, daß die Ehrerbietung
nicht dem tapferen Veteranen allcin galt; mehr
noch kam auf Rechnung der wirklich rctzcnden Er-
schctnung an seincr Scite, die mit dem Anstand
einer Königin durch dre Rcihen schritt. Als Marte
ihre Freundin erblickte, erhob fie fich rasch und trat
ihr entgcgen.

„SpLt kommt Zhr, doch Jhr kommt", «ic hcißt'S
weiter, Melanie?" fragte Marie, iudem sie die
Frcundiii herzlich umarmte.

„Der wcite Weg entschuldigt Euer Säumen",
ergänzte Melanie das Citat. „Doch nein, der
Weg ist eS nicht, der mich entschuldigcn muß, son-

dern mein armer Mann, der heute unwohl ist. Zch
war deswcgcn schon halb und halb cntschloffen,
Dir abzusagen, aber mein guter Theodor hat eS
nicht zugegebcn. Nun, rst er da?"

„Wer? Dein Theodor?" fragte boShast Marie.

„Aber gch', wie Du schcrzcn magst!" erwiderte
Melanie.

»3» so? Bergfcld Meinst Du? Ob er da tst!
Er war der Erste im Salon und seik einer Stunde
sind seiUe Bticke Mit eincr Schnsucht nach der Thüre
gcrichtct, als wolltc er Dich meileüweit herbciziehcn.
llm ihn für seiue Beharrlichkcit zu belohncn, habe
ich ihm in Dcinem Namcn die ersle Quadrille zu-
gesagt. Mich wundert, «aß er noch nicht bei der
Hand tst, Dir sein Complimcnt zu machen. W»
steckt cr denn? Aha, dort in dcr Fensterntsche spricht
cr mit dem Zntendanten. Wahrscheinlich tst voü
seinem neuen Stück die Rebe, viclleicht dte Tan-
tiömen-Frage."

Dic bcidcn Fraucn hatten stch «Lhrcnd dteseS Gc-
sprächö dem Divan genähert, auf dcm fie fich nebcn-
cinandcr nicderlicßen, Doch wurdc rhr Gespräch
durch neue Ankömmlingc nntcrbrochcn, diefichber
Krau vom Hause vorstellten, und welche viest mit
 
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