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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0315

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Deutschland.

«? Vom Neckar, 3. April. Jn dem m
Nr. 76 d.Bl. eiuhaltenen Leltartikel: „Deutsch-
land und Italien« liegt, wie nicht zu verken-
nen ist, eine tiefcre innere Wahrheit, die sich
vou dem Verhältniffe DeutschlandS zu Jtalicn
analog zuglcich auf das z» den meisten andcrn
Rachbarländern anwenden lästt. Kein Unbe-
fangener wtrd daran zweifeln, daß an ein
annähcrndeS Lerhältniß oder gar an eine AI-
lianz zwischen Deutschland und Jtalicn nicht
zu denken ist, sv lange nicht der unauSbleib-
liche Kampf wegen VenetienS ausgekämpst und
die Nationalitätsfrage Jtaliens überhaupt voü-
ständig, bis in ihre letzlen Consequenzen, ent-
schieden ist. So lange dieses nicht geschehen
ist, kann und wird Italien die Frcundschaft
Frankreichs nimmermehr aufgeben. Was von
Italien gilt, läßt sich nun, wie gesagt, mit
poüem Necht auf unsere ailderweiten Nachbarn
anwenden, namentlich bei Polen und Ungarn.
Ko lange unsere eigenen Lerhältniffe in Deutsch-
laud nicht beffcr consolidirt stnd, ist cs wahr-
lich ein sehr ubel angebrachtes, höchst unpoli-
tisches Mitleid, thatsächliche Spmpathien mit
der mehr vder minder mangelnben nationalen
und politischen Selbstständigkeit dieser Völker
zu haben. Eine Aufbefferung dieser Verhält-
niffe nach dcm cigencn Sinne derselbe» wird
immer nur großentheils aufKosten unse-
rer selbst erfolgen. Jm Privatleben mag
eine solche Sesbstverläugiiung ihre schöne und
gute Seite haben, und unter Umständen alö
eine hohe Aüfvpferungsfähigkcit gepriesen wcr-
den. Zn den öffenrlicheii Lcrhältuiffen der
Völker untcr sich, wo nur ein gesundcr, ent-
schiedener Egoismus maßgebend sein kann,
wird dieselbe geradezu thörrcht und lächerlich
erscheinen. Wir Dcutsche können, um mil
Rodbertns und Berg zu sprechen, nicht für
alle Zeiten dazu verdammt sein, das Recht
der Nativnalitäten, und zugleich aüe Aus-
nahinen hievon gegen uns gclten zu laffeu.
Die neu auftauchende polnische Frage liefert
hiezu einen iutereffanten Belcg. Währenddem
der Buonapartismus i» Frankreich die Ver-
träge von 181b allenthalben mit Füßen tritt,
berufen sich die Posen'schen Abgeordneten in
der preußischen Kammer, nicht ohne die er-
rheilte Parole von Paris aus, auf eben jene
Verträge, rnaßlos ausgelegt, zu ihren Gunsten.

Sind unsere eigenen Verhältniffe in Deutsch-
land euimal. fester gestaltct, was freilich nur
im Drange künftiger Ereigniffc, vicüeicht erst,
um wik perchenfeld (in der baper. Kammer)

zu sprechen, kn Folge eines rettenden Rätio-
iialunglücks geschehen wird, dann Mäg der
Deutschc seinen Spmpathien für fremde Na°
tioncn immerhin thaksächlichen Ausdruck ver-
leihen. Er ist dann berufen, unter Umständcn
über diese das Schiedsrichteram! auszuüben,
währenddcm er unter den jetzigen Verhältnis-
sen befürchten muß, zum Prügelknaben heräb-
zusinkcn.

Uüter dcr gcgenwärti'grn Lage Deutschlands
ist die Frage dcr Befreiung fremder Natio-
naliläten kaum etwas anderes, als die Frage
der Theilung unscres eignen Vaterlandes, und
es liegt ein tieferer Sinn in der Abbildung
eiiies bekannten Witzblatles, naH welcher je-
kcr unsercr Gränznachbarn ein Stück von der
Karte DeutschlankS herabreißt, chis uns selbst
fast nichts mehr übrig blcibt!

Heidelberg, 1. April. Wic man hört,
beabsichtigt Prof. ör. Walz das dcr alten
Anatomie gegenübcr gelegene, dem katholischen
Kirchcnärar gehörigc große Gebäude, zum
Riescn gcnannt, an sich zn kaufen und in
demselben ein pharmazeutisches Znsti-
tut zu gründen, wie er es in Speper hatle.
Weiler soll Walz anch bei dcr Slaatsbehörde
um dic Erlaubniß nachgesucht haben, eine
Apotheke in dem anziikauiendcn Hause errich-
ten zu dürfen; diese würde er mit seinem Jn-
stitut verbinden. (K. Z.)

Heidelberg, 4. April. Nach der Karlsr.
Zeitung sind dtc durch den „Schwäb. Merk."
über die Verhandlungen der großh. Rcgierung
mit dcr erzbischöfl. Kurie und dercn Ergebniß
mitgetheiltc Nachnchtcn (siehe Rr. 78) un-
richiig. Weder die Mittheilung übcr die
Pfründenbescßungsweise sagt dic Karlsr. Z.,
noch die über die Einsetzung einer gemischten
Behörde zu Verwaltung des Kirchenvermö-
gens entspricht de» bisher gepflogencn Ver-
handlungcn, und der katholischcn Volksschule
und ihrer Organisativn kann nach dem Ge-
jetz vom 9. October v. I. ohnehin in diesen
Verhandliingeii nicht gcdacht werden.

Rastatt, 1. April. Kürzlich erschien hier
bei W. Hanemaiili eine Flugschrift, betitelt:
„Der wahre veutsche Nacivnalverein." Dcr
ungenannte Verfaffer kommt nach ziemlich
allgemein gehaltenen Aussprüchen zu dem
Schluß: dre deutsche» Fürsten dürften ihrcn
höchsten Beruf darin erkeiineii, einem macht-
voüen Deutschland sich zu widnicn unb „einem
Haupt sich unterzuordnen, das bem Gesamwt-
wiüen von bcinahe 70,600,000 Ausdruck und
Nachbruck gibt." Wie aber diese 70,000,000

unter einen Hut zu bringen? dariiber wer
den wir nicht weiter aufgeklärt.

Konstanz, 27. März. Jit der gestern
und heute gehaltenen Schwurgerichtssitzung
wurde die ledige Rosine Breinlinger von Lip-
ti'ngen, O.-A. Stockach, wegen mit Vorbedacht
verübten Mords zum Tode durch das Fall-
beil verurtheilt. Die Augeklagte, welchc schr
schlccht beleumundet ist und während der gan-
zen Vcrhandlung sich durch freches Beneh-
men und beharrliches Läugncn gegenüber den
Zeugen auszeichnete, ist deschuldigt, däß sie
am 23. October 1860 ihrem am 12. deffel-
ben Monats geborenen Kinde mit dem be-
stimmten Vorsatze, dasselbe zu tödten, Kör-
perverletzungen beigebracht und hierauf das-
selbe noch ledend in einen Komposthaiifen be-
grabe» habe, wodurch der Tod bes Kindes
bewirkt worden sei. Das Kind wnrde 26
Stunden daraüf in eincm Koniposthaufen ganz
in der Nähe oer Stadt UeberlingeN aufgefun-
den, in das dortige Spital verbracht, wo
es trotz der sörgfältigsten Pstege nach 10
Tagen an den Folgen der erlittenen Kopf-
verleßungen starb. Die Angcklagte ist zwar
der Tödtung ihres Kindes geständig, suchte
aber währcnd der ganzcn Schwurgerichtsvcr-
handlung darzuthum, daß sie das Vcrbrechen
im Zustande der Verzweiflung und der lln-
zurechnungsfähigkeit bcgangen habe. Die Zeu-
genaussagen lauteten jedoch anders, und so
sprachen die Geschworenen das „Schuldig"
aus, worauf der Schwurgerichtshof die Brein-
linger zum Tode verurtheilte.

Aus Heffen Darmstadt, 2. April. Die
Mitglieder dcS Nätionalvcreins in Gießen
woüen dcn 8. April eine Vcrsammlung ab-
halten. Sie cntwarfen zu diescm Zwecke
für bas Gießencr Anzeigeblatt ciiie ganz ein-
fache öffentliche Anzcigc. Allcin diesclbc warb
nicht aufgenommen, sondern von dem Redacieur
des Blattes mit der Beuierkung zurückgcschickt;
„Die Anzeigc ist vom Kreisamt zur Äuf-
nahme nicht gutgehcißen worden."

Bom Main, 2. April. Durch BundcS-
beschluß ist für die gezogenen Gcschütze in
den Äundesfestungen vorläusig eine Miüion
Gulden bestimmt.

Mainz, 28. MLrz. Das „Mainz. I."
sagl, die letzte Allokution des Papstes komme
ihm „wic das politische Testament des heili-
gen Vaters" vor.

Maiaz, 1. April. Der Profkffvr der
Rechte an ber Hochschule zu Bonn, DeiterS,
ist am 30. MSrz plötzlich gestorbcn.

Ein Ädenteuer unlrr Brttlern.

Mügetheilt von Ei>. Franke.

(Fortsetzung).

Jch «ende den Blick von ihm nnd wieder zu
meiner Unbekannten, es kommt mir vor, als ob
sich auch ihr Auge etwas zu mir erhebt, eine rasche
Handbcwegungnachjenem Menschen hinmichzu mah-
nen scheint, vorsichtig zu sein; — dann schien der
Blick mich zu fragen -- „hast du mich verstanden i"
— Zch nickte unwillkürlich. —Jhr Auge senkte sich
freundlich und erhvb sich nun nicht «iedcr. — Seit-
wärtS blickcnd, gewahrte ich, daß der unheimliche
Mensch an der Thüre die Hand zur Faust ballte
und drohend gcgen mich crhob; dan» verlor cr sich
in dem Menschenknäuel.

Die Rcde des Franziskanermönchs ward mir lang-
«eilig, zur Ewigkeit. Jck verwünschte ihn und
seinen Sermon, der mir zu anderer Zeit viellcicht
Lusgezeichnet erschiencn wäre. — Wir find und blei-
ben ohne Ausnahme Egoisten. Lob und Tadel —
Bewunderung und Verwünschung siud den Verhält-
niffen untergeordnet unb bedingen sich, wie fie ge-
rade in diese paffen.

Endlich sprach der Redner „Amen."

Hintcr mir wurde es rege. — Jch warf schnell
den Blick herab — mcine Unbekannte war noch da.

— Den mich umgcbenden dichten Knäuel trcnnend

— ffog ich die Lreppe herab, um jencr Gegcnd zu-
zueilen, «o ich sie erblickt hatte. — Unmöglich! --
Nicht einmal hinzuschauen vermochte ich hier, «o
ich mit Allen aus glcichem Niveau stand. — Errd-
lich wurde cs lichter — ich dränge mich hindurch --
aber sie «ar »erschwunden.

Sobald es möglich war, «ine Thüre zu erreichen,
stürme ich hinauS. — Mein Kopf fficgt rechts und
links, wie der Perpendickcl ciner Uhr. — Richts —
überall nichts. — Zch umkreisc die Kirche — eile
nach allen Straßeninünbungen. — Vergebens!

Ejne Verwünschung auf den Lippcn wcnde ich
mich wieder dcr Kirche zu; — da stcht, an einc
SLulc des Portalcs gelchnt, der Mann, welcher
mich im Gottcshausc nicht aus den Augen ließ. —
Wic ein Blitz durchzuckt cs mich. — Er muß sie
kcunen. — Sie müffcn in irgend cincrVcrbindung
stehen. — Das Geheimniß soll fich jctzd lösm.

Rasch trete tch einige Schritte zu thm hcran. —
Der M«nn regt sich uicht. — Seine Ruhe rief auch

die meinige hervor. - Mit Leioenschaft, sah ich ein,
erreichte ich hier nichts.

AlS ob ich etwas Vcrlorencs auf der Erde snche
lmd seiner gar nicht gewahr «orden sei, fchritt ich
einigemalc an ihm vorüber, kam ihm daber jcdoch
rmmer näher. — Er stand wie eine Figllr aus Stein
— unbeweglich — ebenfalls, als ob er mich ntcht
bemerke. — Zctzt «ar ich an den Stufen des Pdr-
talcs — betrat die Erste — dte Zwette — dieLktzto
endlich — der Mann regte sich nicht.

Mich abfichtlich tief herabbeügend, gehe ich dicht
der Mauer entlang, der Seite zu, wo er ständ —
er weicht nicht — als ob es unwiükürlich geschehe
stoße ich nun mit dem vorgebeugten Kopfe an ihn
an. —

„Oho!" rief er.

Wie übcrrascht fahre ich empör, Um eine Ent-
schuldigung auszusprechcn. — Mit eiserner Ruhe
schaut er mich an. — Nun blieb auch tch, als öb
sein Gcsicht einen besonderen Eindruck auf mich
machc, vor ih« stehen.

(Fortsetzung folgt.)
 
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