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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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f-f Die jetzige Lage Unqarns.

Durch das Dlpiom vom 20. October v. I.
wurde bekanntlich vor allen osterreichlschen
Kronländern Ungarn die meiften Freiheiren
und Berechligunzen verliehen. Die alte Vcr-
faffung dieses Landes war mit Ausnahme ein-
zelner Rechre, woraus srcilich die Magparen
gerade besonvern Werth legen, so ziemlich wie»
der hergestcilt worde». Dic Vermukhung lag
nahc, daß dieser aus seinc Nationaliiät so
stolze Volksstamm sich einstweilen hiermit,
desonders mit Hinblick aus dic nicht so
reichlich bedachten übrigen Kronländer, begnü-
gen und die Anwartschast auf weitere Cvn-
cessionen auf parlamentarischem und gesetz-
iichem Wegc austragen werbe, wozu ihneu
die nothigen Mittel wieder an die Hand ge-
gebrn waren. Nichts destoweniger mußten
wir zu u»serem Besremden daselbst tumultua-
rische Scenen jeder Art erblicken und eine
forrwährende Anarchie tagtäglich in sich stei-
gerndem Maße überhand »ehmen sehen. Man
wird kaum fehlgehen, wenn man die letzte
Ursache dieses auffaUenden Zustandes in den
Machmationen der revolutivnären oder Kos-
suth'schen Partei sucht, welche ihre eigent-
lichcn Znstructionen vvm Auslande her em-
psängt und von einer Bersvhuung der herr-
scheiide» Staatsgewalt in Öesterreich über-
haupt nichts wiffen wiU. Zn ven jüngste»
Tagen suchte nu» diese Letztere solchen destruc-
tiven Bestrebungen durch den Znhalt eines
sehr energisch lautenden Manisestes einen
Damm entgegenzusteUen; mit welchem Erfvlge,
diescS wirb sich schon i» der nächsten Zeik
zeigen. — UebrigenS zweifeln wir nicht daran,
daß es der österreichische» Regierung, wenn
ste anderseits die durch das Diplvm den Un-
garn verheißenen Concessivnen getreulich er-
süUt, und anderweilen, wirklich zeilgemäßen
und in der Nationalität bieses VolksstammeS
degründeten Ansorderungen keinen aUzustarren
Wiversland entgegensteUt, noch gelingeu werbe,
mit Hülse der an Zahl unv Ansehen bcbeu-
tendcn liberal - conservativen Parrei (unter
Deak unb Eotvoö) die maßlosen Machinatio-
ncn jener Umsturzpartei zu brechen und bie
auf vvUige Lrennung von Oesterrcich gehen-
den Gelüste derselben zu ersticken. Vicles
kömmt hiebei freilich auch auf.unvorherge-
sehcne ZusäUe und aus den Gang an, wcl-
chcn die Zeitereigniffe überhaupl nchmen wer-
den. läine zur unabiveiöbaren Nothwendigkeit
gewordene Voraussetzung einer friedlichen
Dchlichtung der Dinge in Ungar» ist nament-

lich auch der Umstand, daß in den deutschen
und sonstigcn Provinzen deS Kaiserstaales
endlich freicrc und wahrhaft constitutionelle
Zustände einrretc». Denn so lauge diescs
nicht der Fall ist, werden die Magparen aller
politischen Parteien, dic gleich cifrig an ihrer
Rationalität hängen, von fortwährendei« Miß-
txauen gcgen den guten WiUcn und die ernst
gemeintcn Absichten dcs Wiener Hofes ersüllt
sein, was ihnen im Grunbe genommen äuch
nicht zn verargen ist. Denn es ist wohl kaum
denkbar, daß eine und dicselbe Regierung,
welche dieffeits ber Leitha (des Grenzfluffes
gegcn Ungarn) innerlich noch absvluiistische
Tendenzen hegcn und blos äußerlich einem
durch den Drang der Umstände erzwungenen
schein-constitutionellem Spsteme huldigen würde,
plötzlich jenscits ber Grenze in der That und
Wahrheit allen ihren verfaffungsmäßigen Ber-
pflichtungen treu und aufrichtig nachkommen
werbe! Es liegt zumal etwas Wahres in
einer neulich von der Comitatsversammlung
zu Gran an den Kaiser (alS König von Un-
garn) erlaffenen Apreffc, wvrin unverhohlcn
gesagt wird, daß die Anfechtungcn ber unga-
rischen Berfgffung von österreichischer Seite
unv der berechtigte Kamps der Ungarn für
dieselbe fast so alt sei, alS die Ver-
sassung.ihres Landes selbst!

Dieser Behauptung kann, wcnn wir die
Geschichte dieseS Landes nnd seiner Verfas-
sung verfolgen, leider nicht cntgegen getrelen
wcrden. Um deren tiefen Erust und viel-
sagenven Jnhalt gehörig zu würdigen, um
überhaupt die jetzige Lage der Dinge in Un-
garn in ihrem wahren Lichte aufzusaffen und
die gegenwärtigen Zustänbe dieses Landes völ-
lig zu verstehcn, welche ohne Zweifel unserer
Tagespreffe in nächstcr Zeit noch reichlichen
Slvffzur Besprechung bieten werden, wolle»
wir unsern Lesern in einem besonderen Ab-
schnitte eine Schilderung der Geschichtc der
ungarischeil Versaffung und ber mannigfachen
durch sie hervorgerusenen Kämpse in einem
kurzen Umriffe liefcrn.

Für jctzt schließcn wir mit dem zur Sache ge-
hörigen Ansügen, daß cs in Ungarn außer den
beiben vben erwähnte» politischen Parteien (der
Deak'schen unb Koffuth'schen) noch einc wei-
tere, dic sog. aliconservative, gibt, welcher zu-
meist der sonst sehr mächtige und einflußrcrche
höhere Adel beS Lqndes, dte Magnaren, an-
gehörcn. Aus diese war der Znhalt des Di-
ploms vom 20. Octoder, so weit cr Ungaru
betrifft, zunächst berechnet. Allcin bercitö ist
diesc, sonst Oesterreich am ehesten geneigte

Parlei, welche ihr Vaterland Ungarn zu die«
sem in dem Verhältniffe einer Real-Union
sehen mochtc, durch ben raschen Gang der
Ereignisse wicber überholt und für den Wic-
ner Hof kaum noch als einc ersolgreiche Stütze
zu belrachten. Znsofern dieser Letztere nun
lairt seinem jüngsten Manifcste aus die Mili-
tärgcwalt pochen will, so kann er hiemtt wohl
der eigentlichen Umsturzpartei imponiren nnd
momcntan die muthwillig gestörte Rnhe uud
Ordnung herstellen. Alicin zur Anbahnung
von, sür die weitcre Folge gesicherten, öffent-
lichcn Zustände», zur Erzielung dcs so noth«
wendigen, fast entschwundenen Vertrauens, ist
wie gesqgt, uebenbei unv hauptsächlich die Bc«
folgung eincs wahrhaft constitntionellcn Sp«
stems in Uqgarn unbebingt nothwendig, und
in dieser Richtung bleibt dann der Regierung
dieseö Landes keine andere Wahl übrig, als
sich auf die gemäßigt liberale und nationale
Deak'sche Partei zu stützen, welche an Zahl,
Einfluß und Jnlclligenz reich, auch hiezu getne
Vie Hand bietet, weder einen gewaltsamcn
Umsturz, noch eine völlige Trcnnung von
Oesterreich wünscht, vielmehr ihr Väterland
zu Letzterem in das Verhältniß ciner Perso-
rial-Union gesetzt wiffcn will. — Enie sich
von selbst verstchendc Boräussetzung hicbei ifi
dtc, daß Ungarn, wenigstens theilweise, noch
cine Reihe anderweiter, sehr wichtiger Rechte
eingeräumt werde, welche diesem Lande theils
schvn nach seincr altcn Verfaffung, theils aber
nach den in den Jahren 1847/48 in's Wcrk
gesetzten Reformen derselben zustünden, und
demselben durch den Erlaß vvm 20. October
bis jetzt nvch vorenthalten sind.

Welcher Art diese Rechte flnd, um welchr
eö sich bei der nächsten Zukunft Ungarns
wahrscheinlich handeln wird, wclche Tragweite
ste besitzen, wird sich aus dem Schlusse ver
Verfaffungsgeschichte, die wir zu iiesern unS.
vorbehatten haben, von selbst ergeben.

Deutschtand.

Karlsruhe, 23. Jan. DaS nrueste Re-
gierungsblatt bringt die Vvllzugsordnung zmn
Gesctzc über die bürgerlichc Standesbeamtung
in Ausnahmöfäüen. Hiernach sind, so wcit
nolhwendig, die thatsächlichen Voraussetzungen
durch das Bezirksamt selbst sicher zu Keüe».
Zst nach 8- 1 des GesetzeS das Ausgebot dem
Bürgermcister zu übertragen, so geschieht die
Bekanntmachnng deö amtlichcn Verküudschrins
durch ben Bürgermeister im Beisein deS
Rathschreibers öffentlich voin Rathhause auS

Sir lirbt mich.

Novellcle voii CarlStugau.

(Korksetzung).

Thevdor hatte, wie sich denken läßt, ber Baronin
mit gespanntcr Aufmerksamkeit zugehört, und in
dcm Maßc, als dic Erzählung weiter schritt, hatten
sich scine Zügc sichtlich ausgeheitert, doch lagen noch
immcr schwcrc Wolien des Zweifels über seiner
Stirnc.

„Gnädige Frau", sagte er, „Sie gießen buchstäb-
lich Balsam in mein Herz; allcin ich kaun mir uicht
helfen; meine Zweifel sind noch nicht ganz ver-
scheuchl. Wenn dic Sachc so unschuldig ist, wic
Sie dieselbc schildern, warum hat mir Mclanic
nichts davon mitgcthcilt?"

„Hat sie das nichtF Das war allcrdings ein
Fehler; denn ich bin der Meinung, daß eine Frau,
die sich keines Unrechts bcwußt ist, kcine Ursache
hat, ihrem Manne irgend etwas z« vcrhehlen. Me-
lanie verdient für ihreZurückhaltung Tadel; allein
ich kann mir dieselbe erklärcn. Wir Fraucn sind
cin eigencS Völkchen, «ir sind — wenigstcns dic
defferen unseres Geschlechts — geborene Beschützerin-

nen. Wic weiland die fahrenden Ritter Riescn
und Drachcn bckämpften und dic gekränkte Un-
schuld.verthcidigten oder rächten, so helsen auch wir
gern dem Schwachen gegen den Starken und nehmen
junge Talentc unter unsere schützende Fittige. Ullscr
Specr ist unsere Zungc, unsere Stärke unsere An-
muth, bisweilcn unsere List, unser Schild, falls
wir dcffcn bedürfen — vergeffen Sie daS nicht,
mein Herr — unsere Fraucnwürde, vvn der
Sic sondcrbare Begriffe zu habcn scheincn. Soll
denn cine Frau sich nicht für eincn Mann interessiren
können, ohne daß „ein Verhältniß", wie Sic eS
zn ncnnen belieben, dabei im Spiele ist? Denken
Sic so gcring von nns, daß Sie uns keincr un-
eigcnnützigcu Thcilnahmc für Einen JhreS Ge-
schlcchts fähig haltcn?"

„Es thut mir leid, gnädige Frau"/ «ars Theodor
cin, „Zhnen bemcrken zu müffen, daß Zhre Be-
weisführung nicht gcnügt."

„Wie so?" fragte betroffen Marie.

„Ganz einfach deshalb", antwortete Theodvr,
„wcil einc chrbare Frau nicht nur nicht thnn darf,
was unrecht ist, sondcr» auch was unrccht scheint.
Denken Sie sich den Kall, mein« Krau «rführ«, ich

hättc mich bei dem Director des BalletS mit bc-
sondcrer WLrme fnr cine Tänzerin »erwendet. Sie
werden zugeben, gnädigc Frau, daß auch wir Män-
ner uns in reincr Absicht für ein Mitglied JhreS
Gcschlechtes intcressire» können, daß also in dcm
angegebenen Fall meiner Verwcndung für die Ballett-
tänzcrin «in ganz uneigcnnütziges Motiv zu Grund«
liegen könnte. Dennoch müßte ich cs mir gefall«»
laffen, wcnn mcin« Frau und mit ihr die Welt
fragte: wie kommt es, daß Holdmann sich so be-
sonderS für diese Pcrson interessirt? Dazu kvmmt,
daß die Sitte unserem Gcschlccht manchc Kreiherten
einräumt, die cS dcm Zhrigen versagt. Aoch etwas;
Me sagten, gnädigc Frau, Si« könnten sich er-
klären, warum Mclanie mir von dcr Bcschützer-
rolle, die Sie übcrnommcn, nichts inttgethM habe,
sind aber die Erklärung schnldig gehlieben. Darf
rch darum bittcn?"

„Das mag zweierlei Ursachen haben", cntgegnete
Mari«. „Wir Frauen sind in s» vielru unserer
Handlungen unselbstständig, daß es nns kindisch
frcut, wenn wir eiumal ciwas auf eigene Fanft
auSführen konnen. Ein svlcher Kall war hier."

(Forts. folgt.)
 
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