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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0099

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N 2«


Donnerftag, si. Zanvar

ZnsertionSgebührea für die Zspaltige Ketit- -> M

zeile werden mit 2 kr., bezw. Ä kr. berechnet. M^DUDMO

chch Die jetzige Lage Ungarns. '

(S-ktsetzung.)

Die alte Verfassung.

Die Verfaffung Uugarns ist urglt, wohl
die älteste in Europa. Tie greift in ihrcn
Anfängen bis in das zwölfte Jahrhundert zu-
zurüek. Eine Hauptgrimdlage dersclbeu war
ein Gnadcnbrief deö Königs Audrcas. Von
dieser Zcit an (von 1222) war Ungarn ein
Wahlreich. Die Vcrfassung mußte bci jeder
Krönung vom König beschmorcn werden und
enthielt die Klausel, daß jeder Edelmann, falls
der König dic Verfaffung nicht halte, dcr Un-
jerthanentreue gegc» denselben entbunden sei.
Trotzdem fanden Anfechtungen von Sciten dcr
Könige habsburgischcn Stammes wider die
ungarische Verfaffung schon vor langer Zeit
statt und ebcn so schroff war in der Regel
der Widerstand Ler Ungarn, der mchrmals,
besonderS gcgen Ende des siebzchnten und zu
Anfang des achtzehnten Zahrhunderts, untcr
Ansührung des Grafen Tökelp und Fürsten
Ragvczp in blutige Fehden und offencn Bür-
gerkricg ausartete. Als zur Zeit Ler Türken-
kriege Graf Tökelp, um Ungarn von der
haböburgischen Herrschaft völlig los zu machen,
eine Verbindung mit Lcn Osmanen einging,
nahm der von dcn Jesuiten gelcitete Kaiser
Leopold, zugleich König der Ungarn, diesen
theilweise ihre alte Verfassung (im Jahre
1687), hob namentlich daö alte Wahlrcich
auf durch ein neues Grundgesetz, worin er
dic Erblichkeit des habsburgisch-österreichischen
Mannesstammes aussprach.

Ein späterer, von dem jetzt noch als Na-
tionalhelden von den Magparen gefelerten
Fürften Ragoczp geleiteter Aufstand wurde
blutig nicdergeschlagen.

Vom Zahr 1731 datirt über die Erblichkeit
des Weiberstammes ein weiteres Grundgesetz,
kraft welchem Karl Vl. gleichzeitig mit der
bekannten pragmatischen Sanction, auf welche
sich auch das Diplom vom 20. October beruft,
Lurchsetzte, daß seine Tochter Maria Theresia
den österreichischen wie Len ungarischen Thron
bestieg. Zehn Zahre später, 1741, gerieth
Maria Theresia in jene weltbekannte Bcdräng-
niß, in welcher sie stch, ihren Knaben auf dem
Arm, zu den Ungarn flüchtete, und zwar nicht,
wic unhistorische Sentimentalität erzählt, burch
di'esen erbarmungswürdigen Anblick, wohl abcr
durch die bedeutendstcn Zugcständniffe Lie Hilfe
deS uugarischen AdelS erlangte. Damals war
eS, wo dieser nach langen Uuterhandlungen
jenc große persönliche Sicherheit gcwährt er-

hielt, die bis zum Jahre 1817 seinen Stolz
ausmachte. Von »un an durfte der Edelmann
nur nach crwiescner That vcrhaftct wcrdcn;
mrßhaudeltc cr den Bürger, so bezahlte er
eine Strafe von 100 bis 200 fl., während
im umgekchrten Falle beim Bürger Todes-
strafe vder VermögenSentziehung erfolgte. Fer-
ncr erhielt der Adel Freiheit von direcien
Steucrn. Nur dcr Adelige durfte Grundstücke
eigenthümlich besitzen, er hattc cinen privilc-
girteu Gerichtsstand und war Sclbstrichter
seiner Bauern, denen, außcr in sehr wcnigen
Fällen, keine Bernfung zustand. Za bis 1835
durften Nichtadelige niemals gegen Adelige in
Person klagen! Zu den Comitalssitzcn war
nur -er Adel fähig. Und für dies Alles war
seine einzige Pflicht, in Kriegszeiten einc bc-
rittcne Landwehr zu stellen. Zm Zahrc 1791
kam noch cin Staatsgrunbgesetz über das Gc-
setzgebungsrecht des Reichstages hinzu, das die-
sem die Verwendung dcr Steuern und die
Gesetzgebung zusammen mit Ler Krone ver-
lieh. Alle diesc Rechtc vertrat der Adcl im
ungarischcn Reichstage. Zur Magnatcntafel,
der ersten Kammer, crschienen die Spitzen Les
katholischen und griechischen Klerus, die 14
Rcichsbarone und die Magnaten, sämmtlich
Obcrgespane, d. h. Statthalter der Comitate,
zusammcn 200—300 Köpse. Zn der Stände-
tafel, dcr zwciten Kammer, tagten die nicde-
ren Prälaten, die Abgeordneten der Domcapi-
tel, bie Aebte und Pröbste, die Abgeordneten
der Copiitate, der niedere Adel nnv nur un-
vcrhältnißmäßig wcnigc Abgeordnete der kö«
niglichcn Freistädte und bevorrechtcten Flecken,
welche mit unscrn ehemaligen deutschen Neichs-
städtcn zu vergleichen sind. Der ganze Reichs-
tag schwankte zwischen 600 bis 1000 Mitglie-
dcrn. Dieser so begünstigte Adel war über-
dics noch durch scine Zahl stark: man zählte
im Ganzcn etwa 540,000 Edelleute in Un-
garn. Seiiiein Selbstbewußtsein und seiner
Geltung that es keinen Eintrag, daß viele
seincr Glieder sehr arm waren, so daß sic
als Kncchte und Mägde dienten, mit dem ein-
zigen Vorrcchte, nicht geprügclt werden zu
bürfen. ES ist nach Allem diesem höchst na-
türlich, daß die habsburgischen Könige Un-
garns ein Gegeugcwicht gegen den Adel suchten.
Schon der König Matthias Korvinus erlaubte
deshalb, um die durch die vielen Türkenkriege
begünstigte Leibeigcnschast der Bauern aufzu-
heben, diesen dic Freizügigkeit, unb als Lie-
selbe im Jahre 1415 in Folge cines Bauern-
aufstandes nntcrdrückl ward, wurde sie 1745
wieder hergestelll. Gänzlich aufgehoben würde

die Leibeigenschaft jedoch von Kaiser Zoseph II.
Weiter ais «r ging in dcr Beschränkung der
Avelsmacht das militärlsch-bureaukratischeSy-
stem MetternichS: Er benutzte die Slaven
und Deutschcn gegen die Magyaren; besonderS
begüustigte er den Sprachenstreit. Ungarn be-
steht nämlich außer seinem magyarischen Adel-,
Bürgcr- und Bauernstand zu etwa 4 Millio-
nen Scelcn, auch aus etwa 3 Millioncn Sla-
vcn, 3 Mllionen Wallachen und 1*/, Million
Dcutschen. Bis in die neueste Zeit nun war
für diesc gcmischte Bevölkcrung die lateinische
Sprache die Staatssprache gcwescn. Jm Aahrc
1843 sber setzten es die Magyaren in Wien
durch, daß dic ungarische Sprache znr Rcichs-
tagssprache erhoden ward. Von Lieser Zeit
an neigten sich Lie Slaven und Deutschen
noch mchr zum Ankämpfen gegen das magya-
rischc Uebcrgewichk, und Licsc fcindselige Stim-
mung, durch dic cs sogar zu blutigen Reibe-
reien kam, benutztc dic Rcgierung. Sie ent-
behrte gerade nicht allen GrundeS zu ihrem
Vorgehc» gegen die alten Einrichtungen: Lcnn
die alte ungarische Verfaffung war, wie er-
sichtlich, vorzugsweise ein Privilegium
dcs Adels, und die nichtunaarischen Bestand«
theile konnten überbics mit Recht eine Berück-
sichtigung ihrer Sprache verlangen. Auch war
der alte ungarische Reichstag, gewöhnlich in
Preßburg abgehalten, cbcn kein Musterbild ei-
ner solchen Einrichtung: die Anzahl der Ab-
gcordneten auS Len Comitatcn war unbcstiinmt,
die Bcdingungen Ler Wählbarkeit zur Stän-
dckammer schwankenv, die Art und Weise
dcr Abstimmiing unentschieden; ja bis zum
Jahrc 1336 wurdc nicht einmal regelmäßig
abgcstimmt, sondern es crfolgte statt deffcn
ein wildcr Znruf, wie auf dcn polnischen
Reichstagcn. DicS ÄllcS gab ker Ncgierung
cine Handhabe z« ihren Bestrrbungen gegcn
die Ungarn und ihrc natiostalc Tendenzcn.
Aber der gebildete und intelligente Theil des
ungarischen Adels kam ihr klug zuvor, indem
er sich selbst auf dic Bahn des Fortschrittes
begab. Ec sah sich hiezu um so mehr genö-
thigt, als er wohl einsah, daß er die natio-
nale Selbststänvigkeit seines VaterlandeS ohne
Theilnahme des übrigen VolkcS auf die Dauer
nicht würdc retten künnen. Vcrschiedene, ihm
sehr mißliebige Maßnahmen der Regierung um
jcne Zeit (in den »rcißiger nnd vicrziger Jah-
ren diescs Jahrhunderts), Lie er als Eingriffc
in Lic Verfaffung Ungarns ansah, bestärkten
ihn in diesem Vorhabcn. (Forts. n. Schl. f.)

Das große Faß zu Hcidelbrrg.

' Historlslhe Novelle von Mlh. Zungmann.

(Fortsetznng.)

Unter seiner begliickenden Regierung hatte die
Hochschnle Heidclberg's sich wicder emporgeschwun-
gen; hatten sich »ielc Fremde, besonderS vertriebene
Hugcnotten, angezogcn durch die herrlichc Gcgcnd,
hier niedergelaffcn, von dcnen sogar viele Zutritt
bei Hofe crhalten und dort die gastfreundlichste
Aufnahme gcfunden hatten.

So war dcr Svmmer des ZahreS 1589 he'ran-
gekommen, und mit ihm zugleich die freudige, be-
glückende Aussicht auf den reichstcn Endtcscgcn, den
bcsonderS der Weinstock zu versprcchen schren. Man
hatte sich nicht gctäuscht. Der cdlc Rcbensast floß
in Stromen von der Kcltcr, daß nirgendS genug
Gefäße aufzutretben warcn, densclben all unter-
zubringen.

Tag und Nacht hatten die Küfcr zu thun, neuc
FLffer zu machen. Auch in Mcistcr Werner's Wcrk-
statt in Landau arbkiteten jetzt doppelt so »iele
Küferbnrschen alS gewöhnlich, und doch wollte es

thnen nicht gelingen, all den Bestellungcn zu ge-
nügcn, und mancher alte Kunde mußte mit seinen
Aufträgen abgewiesen werden.

Zu eben jencr Zeit erhielt Metster Werner von
dem Bcsitzer einer dcr ersten Weinhandlungen in
Frankfurt am Main, dem er schon vielen Wcin
verkauft, aber noch »iel mehr neue FLffcr ange-
fcrtigt hatte, einen Brief, in «elchem ihm diescr
meldete, daß er seincn Sohn, dcr zucrst die Hand-
lung und dann dic Küferei erlcrnt habe, inseinem
Geschäfte unterzubringen «ünsche, damit sich der-
selbc in letztcrer noch mehr vervollkommene, was
bci einem so tüchtigcn Meister, wie er, gewiß der
Fall sein «ürde. Nur müffe er dabci bemerken,
daß er besonderS darauf sähe, daß sein Sohn, der
etwaS leichtcr Natur sei, Kost und Wohnung im
Hausc bes MeisterS bekomme, damit er zugleich
beffer unter seincr Aufsicht gehalten werdcn könnc.
llebrigcns solle auf Lohn gar nicht gesehcn, son-
dern alle seine Bedürfniffc baar bezahlt wcrdcn.

Das Anerbieten «ar vortheilhaft und ehrenvoll
zuglcich, und dcnnoch «agte es Meistcr Wcrner
nicht sogleich, denselben seiner Gattin mitzutheilen,
«eil er wohl ahnen mochte, daß fie gcgcn die Auf-

nahme eineS wahrscheinlich verwöhntcn, wvhlhaben-
drn jungen ManneS in ihrem Hause MancheS ein-
zuwenden habe.

Doch was half es? Eine Antwort mußte dem
Weinhändler in Frankfurt ertheilt werden, und «o
möglich eine günstige, denn er war cin gar zu guter
Kunde, und Wein noch genug in Mcister Wer-
ner's Keller vorhanden, der fortgeschafft werden
mußte, um für dm neuen Ramn zu gewinuen.

lleber diesen Punkt war Mcister Werner mit stch
cinig. llpi nun aber auch die Meinung seiner
sämmtlichWi Angchörigen, zu denen er auch Gcr-
hard zählte, über dcn ihm gemachten Antrag z«
vcrnehmen, hatte er dcffen Mittheilung biS auf
nächstcn Sonntag vcrschoben, «o ste gewöhnlich
nach dem Mittagessen noch eine Wcile zufammen-
saßen und sich übcr VieleS, was dic Woche über
vorgefallen und dic nächstc zu geschehen hatte, unter-
hieltcn. Nachdem dieseS auch heutc geschehen, rückte
er mit demfclben heraus, doch «as er vermuthet,
traf wirklich cin. Niemand regte fich, diefcm An-
trage Beifall zu schenken.

Gerhard senkte den Blick verlegen z« Boden;
Lenchcns Wangrn bedeckte eine auffallcnde Bläffc
 
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