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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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März
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M 7«


Samstag, 23. März

Znsertionsgebühren für die Zspaltige Petit-
zeile werden mit 2 kr., bezw. 3kr. berechaet.

Eine Stimme über den National-
Verein

Die >n neuerer Zeit gelegentlich der Ver-
sammlungen von Nationalverelns-Mltglledern
gefaßtcn Bcschlüsse, nach welchen es als eine
„Ehrenpflicht" jeoes deutschen Patnoten de-
cretirt wird, gedachtem Vereine beizutrcten,
hat einen „Alten D em ocra ke n" veranlaßt,
scine Anflcht über den Nationalvcrcin auszu-
sprechcn und in der „N. Fr. Z." zur Abrvchr
zu vcrvffclitlichen. Die Zuschrist lautet beinahe
wörtlich folgcndcrmoßen:

„Wer oder was bercchtigt irgend eine Vcr-
sammlung, Beschlüffe zu faffen übcr dasscnigc,
was deu Nichimiigltek'krli des Vereins die
Ehre vorschreibe? Wic würde es Denen,
welche hierüber advotiren, ihrerscits gefaltcn,
wenn eine Anzahl außcrhalb ihres Kreises
stehendcr Manner erklaren wvllte: „Es ist
Ehrcnpflicht, dem National-Vercine nicht
beizutreten, odcr vvn demsclbcn ausznschciden,
da dieser Vereiu, wcnn auch unadsichtlich —
weit mchr dem Sonderintereffe des Hauses
HoheuzoUern als dcr deutschen Naiionalsache
dicnt?" — Ma» hat mir freilich schon ent-
gegen gchalten: Der Patriot, der Democrat
muffe sctne Ansicht der der Majoritat unier-
ordncn. Allcin ich gcstehe, daß ich die Be-
rechtigung zu jcneii Bctchlüffen darauf hin
nur dcsto weniger bcgrctsc. Jnnerhalb des
Nativnal-Vercins stehcn ein paar Tausend
Dcutsche, — außerhatb dcffelben -15 Millio-
nen. Das mir cnlgegcngchaltene Argumcnt
vo» dcr „Majorität" versaugt vahcr nicht.

Wcnn unter den Münner», die ihre dcursche
unb demccralischc Gesinnung lüngft durch Dp-
fer jcdcr Art erprvbt habcn, so vicle dem
Vercine zur Zeit nicht betgetretcn sind, so
laffe mau wenigstens dercn Ehre deshalb un-
bchclligt. Da man zu eincr Moiivirung zwingt,
so iiwgcn denn eiu paar kurze Bcmerkungen
svlgen.

Wir außerhalb des Vereins Stchenden bc-
greifen nicht, wie man immer nur die Füh-
rung dks Königs vvn Preußcn voranstellen
mag. Wer sühren soll, mnß doch vor Allem
snhrcn wolle». Daß der gcdachle König aber
im Sinne des Nativnal-Vereins nicht sühren
will, hat derselbe nichl blos durch Ncden, svn-
dcrn nvch mehr durch Handlungcn, also lhat-
süchlich bewicsen. Will man cinen Führer
preffcn? Dann wird man zu einer seltsamen
Fuhrung gelangen! Sollen wir, die wir im
Zahre 1849 einem svlchcn Erperiuiente nichl
zustimmten, etwa burch die damalS erlanglen

Ein Abenteuer unter Lcttlern.

Mitgetheilt von Ed. Franke.

(Fortsetzung).

Man kann dort Studicn machen, Menschen ken-
ncn lerncn. Vor der Strafe überlauter Jammer
und nach derselben Gelächtcr und Hvhn über den
Collcgen, wcnn dcfsen Bcstrafung härtcr als dic
cigene «ar. Dort können Sie Physiognomik stu-
dircn, dcshalb ist cs doppelt intcreffant für Sie
und daS auch dcr Grund, warum ich Sie auffor-
dere, mitzngehcn.

Dcr Seltcnheit wegen entschloß tch mich, ihn zu
bcgleiten.

Offene Hallcn, welche auf Säulcn ruhtcn und
obcn bogcnartig geformt waren, umfaßtcn den fast
viereckigcn Hvf des Stadthauscö im Erdgcschoßc und
im ersten Stocke. Mittcn im Hofc befand sich cine
Art Holzpritsche, an deren Kopf- und Fußende
Schnallricmcn angcbracht warcn. Zu beiden Ski-
tcn dieser Pritschc lag ein Bund hasclner Stöckc.

Jn den untern Halleuräumen «immeltc es bc-
reits von Zuschauern aus den niedern Klasscn. Mein

Erfolgc versührt sei'n, es jetzt zu thun? Zst
ni'cht di'e gonze Zndi'vidualltät, die ganze An-
schauiingswcise und Gewöhnung des Köni'gS
und des Kronprl'nzen Bürge dafür, daß bci'de
die Anflchten dcs Natroiialverkins niemals z«
den ihri'gen machcn wcrden?

Der Nationalvcrein hat im Uebri'gen di'e
Hersicllung eincs Rechtszustandcs in Kurheffen,
i'n Schleswig-Hvlsteiii, im Großherzogthum
Hesscn, mit aller Entschiedenheit gefordert.
Vollkommen recht und aiierkennenswerth. Aber
worum schweigen allc Stimmen übcr die Oc-
tropirungen in Preuße», dcncn man die Ab-
georbnctenkammcr, wie sie seit zehn Jahren
ist, vrrdankt? warum verlaugt man ni'cht auch
hier „Wiederhersteüung dcs Nechtsznstandes"
als Grunbbedingung alles Andcrn? Erfolge
in dcn kleinen Staaten besitzcn a» sich nur
einen sehr gcringcn Werth, — cinen um sv
geringere» aber darum, wcil denselben die
Dauer fehlt, wcnn nicht >'n dcn präponderi-
renden Großstaalcn ebenfalls eine Aenderung
des Spstcms ekntritt.

Es wird mir nicht einfallen, irgend einen
deutschen Vvlksstamm gering zu schäxen, u»d
ain allerwenigstcn kann es mir in dcn Sinn
kommen, irgend einen der Stämme, wclche das
Haus Hohenzollern seiner Herrschaft unter-
worfen hat, bei der Einigung unseres beut-
schen Vaterlandcs miffcn zu wollcn. Obwohl
uun aber die democratische Partei sc^r allge-
mein ihren republikanischen Wünschen Schwei-
gcn gebvten und dicselbe den Verhältniffe»
der Zctztzcit vollständig untergeordnel hat, so
folgt daraus doch nicht kurzweg bie Verpflich-
tung, daß Alles stch dcm Hausc Hohenzollern
untcrwerfen müffe. Derjenige Theil der De-
mocratie, zu dem ich gehöre — obwohl von
der Ansicht ausgehcnd, daß nur einc Födcra-
tion für Deulschland paffe, — ist gleichwohl
auch zn solcher Unterwerfung untcr das Haus
Hohcnzollern bereit, soferne Preußen für cine
Einigung Deutschianvs mil Entschiedenheit
einsteht und dieselbe zu Stande bringt, und
sofern es seine innern Verhältnisse derart ord-
nct, daß ein wahrhaft freieS Gemeinwesen
entsteht, daß die Junkcrherrschaft in der Kam-
mer, im Hcere und im Civilbienst ihr Ende
finbet, daß die Polizeiwillkür aufhört, die
Pfafferci aus der Schule unb überhaupt aus
bcn welklichen Gebietc» hinausgcwiksen, und
daß statt dcS ScheiiicolistilutioiialismuS ein
wahres Repräseiitativspstcm ins tzeben gerusen
wird.

Doch vvn all Dem haben wir bis jetzt noch
nichts gesehen.

Freund fiihrte mich cine Treppe hoch. Auch hicr
war fast alles »on bcsscreiü Zuschauerpublikum an-
gefüllt, so daß wir nur mit Mühe noch einen Platz
vornc an dcr Bcfriedigung erhiclten, um das Schau-
spiel untcu im Hofe genau in Augcnschein nehmen
zu können.

Aetzt bcgann die Procedur, hattc abcr ctwas so
Widerwärtiges für mich, daß ich laut zu meinem
Freunde sagte:

„Zch gebe zu, daß diese Art die kürzcre ist, allein
kcineswcges ist sie dic beffernde. Oeffcntliche Bc-
schimpfung vcrhärtct das Gcmüth, vcrderbt es noch
mehr und stumpft es gcgen alles Ghrgefühl ab. Es
wird gteichgültig gcgen jcde Strafe, und Gleichgiil-
tigkcit ist dcr Bodcn, in dcm jedcs Verbrechen
leichter gedciht. — Dicse Gcschöpfe, ganz ehrlos
durch solche vffcntlichc Strafen gemacht, wagcn den
Gedanken an mögiiche Erhebung gar nicht mehr
zu faffcn und sinkcn so immcr tiefer und tiefcr.
Der crstc öffcntliche Stockftreich erzcugt die Pcst-
beule, wclche jedcn gutcn und gesundcn Blutstropfcn
für immer vergiftct. Selbst auf die rohe Maffc
bringen derartigc Schauspiele nie die beabsichtigte
Wirkung hervor, fie stumpfen auch in ihr jedes Ge-

Wenn man die Unterwerfung des übrigen
Deutschlands untcr Preußen — oder „niiker
Preußens Führung", wie man es euphemistisch
ncnnt — sordert, so hören wir meistens, —
damit die Sache annehmbarer scheinc, — eine
Rcihc von Voraussetzungcn aussprechen: „wcnn
Prcußen die schwarz-weiße Fahne der schwarz-
roth-goldencn unterordnet; wenn, wenn"...
u. s. w. Allein wir vermiffc» durchgehcnds
deii zweiten Theil der Alternative: wenn es
all das Vorausgesetzte aber nbcht ihut? Und
daß es dicß Alles wkrklich nicht thut, — zeigt
sich jcden Tag auf's Neue! So langc man
es nicht ündern kann, daß ciner diescr angeb-
lich libcralc» Minister ungcahndet in der Kam-
mer erklären darf: weil die Preffe oder die
öffentliche Meinung dies so laut forderte, dar-
um haben wir es gerade verwcigert"; — so
lange man nicht einmal die bekanntcsten Or-
gane der Polizeiwiükür von ihren Stellcn hin-
wegbringt; so langc die muckerischen Schul-
regulative aufrecht erhalten werdcn, dagegen
eine unbedingte und wahre Amncstie »erwei-
gert blcibt, — so lange selbst in volkswirth-
schaftlichen Beziehungen, namcntlich dem Ge-
werbswcsen, die reactionärcn Dictate, insbe-
svnderc das verderbliche Concessionsweseii und
die nur hemmende und lahuicnbc bureaukra-
tische Bevormunbung nicht ganz abgeschafft
wirb, — so langc verschvne man uns mit jc-
der Anmuthung. Odcr sollen uns etwa di'e
Enthüllungen über dcn Mangel jcder Siche-
rung der persönlichcn Freihcit anlvcken? oder
svü es die ne»e Uingestaltung im Militär,
woburch dcr Rcst des Volkswehrspstems zu
Grabe getragcn und dafür dic Last des stehcn-
dcn Hccrwescns fast in's Maßlose vergrößert
ist, mit den adeligen Officieren und der facti-
schen Ausschlicßnng dcr gcwöhnlichcn Solda-
ten vom Avanccincnt? oder soll es die Er-
wartung auf cincn möglichen Sieg jener Frac-
tion Vincke, welche zwar für die Freiheit Jta-
lieus glüht, dagcgcn in Aufwallnng geräth,
wenn ei» Preuße es wagt, sich nicht mchr
„Unterthan", sonbern „Staatsbürger" zn nen-
ncn? oder sollen wir eine constitutionelle Bürg-
schaft in der Verfügung sinden, durch welche
bei allen Militärbefchlen dcs „oberstcu Kriegs-
herrn" jebe Contrastgnatur cines verautwort-
lichen Ministcrs ausdrücklich abgeschafft ward,
so daß, wenn eine verfaffungsmaßige Haft-
barkeit in Anspruch zu uchuien sein wird, --
was imuier geschehcn sei auch nicht ein
Mensch nur Nede z» stehcu braucht! Sind
diese Erscheinungen geeignet, uns an die Er-
füllungjenerVoraussetzungen glaubenzulaffen?

fühl ab, und es darf unS dann bei vorkommenden
Fällcn nicht Wunder nchmen, wenn sie mit thic-
rischer Grausamkeit gcgen ihre Mitmcnschcn auf-
trcten; denn man hat ihnen ja gelehrt, bei An-
derer Leiden glcichgültig zu scin. Mich dünkt, wenn
es sein muß, gcnüge cs vollkommcn, wenn dcr Ver-
urthcilte die Strafe cmpfinde, und sie wird dann
gewiß eher zu seiner Befferung bcitragen, als wenn
man ihn zum Gegcnstande cines öffentlichen vcr-
ächtlichen Volksschauspielcs macht."

Mit diesen Worten hatte ich mich von dem widcr-
lichen Schauspiele abgewendet. Eine Ordonnanz tr.it
ebcn auf-uns zu, um meincn Frcund in Dicnst-
sachen abzurufcn. Er bat mich, hicr oder vor dem
Hause noch ein halbes Stündchen zu verwcilen, er
kehre bald zurück und wollten wir dann nach seiner
Wohnung gehen, um den Abcnd in Gcsellschaft
anderer Freundc dort zu vcrlcbcn. Jch sagte eS
zu — mein Freund ging.

Unwillkürlich wcndc ich mich wieder dem Hofe zu.
Zwei abgestraftc Mädchcn tratcn cben in die mir
gegcnübcrliegende untcre Halle, alsbald auch ein
anständig gekleideter Mann, dcn ich für einen Be-
amten hielt. Der Letztere drehte mir den Rückcn
 
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