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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Juni
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N 136. D-nnerftag, is. Zuni


L86L.

GrundzügL der Neugeftaltung d«s
Volksfchulwesens iui GroHherzog
thuui Baden-

Von VolkSschullehrern Mannheims.

Angetrieben durch die frcndige Regsawkeit
io unserem lieben Baden, haben wir uns
gegenseitig verständigt über das, was der
Volksschule bei ihrer Neugestaltung zu wün-
schen scin dürste, wenn ste den Forderungen
entsprechcn soll, di« mit vollem Rechte an
dieselbc gemacht werde». Hicrdurch übcrgeben
wir das Resultat unserer Besprechungen der
Oeffcntlichkeit.

Wir erdreisten uns nicht, den Plan dcs
nenen Gcbäudes zu entwersen; wir erlauben
uns nur, einigc nnmaßgebliche Grundzügc des-
selben zu zeichne». Eine hochwcise Regierung
wird diesen Plan geben, wie er nach Zeet unb
Verhältniffen dcm Wvhle des Staaies am dien-
lichsten ist; deß stnd wir gewiß; dcnn wir
haben ja die Bürgschasten vor Augen, daß
unser erhabener Pandessater nur das Beste
sür alle Theile des Staates hervorzurusen
sich bemüht. Um dies in ersprießlichster und
wirksamster Weise durchzuführen, ist es jedem
Badener erlaubt, sich offen und star auszn-
sprechen iu dcm, was seincs Facheö ist; noch
mchr, — wir preisen mit iunigster Dankbar-
keit und Freude, was in Stadt und Land
dckannt, was »ic Brust jcdcs Braven er-
hebenb erfüllt, — es ist jedcr Stand
aufgefordert, sich zu äußern. Darum
erlauben auch wir uns gegenwgrtige Kunb-
gcbuugen, und wir sind gewiß, daß unsere
Ansichte« uns nicht nur nicht verübelt, son-
dern mir Allcrhöchstem »nd Hohem Wohlgesallen
werben aufgenommen und mvglichst berückstch-
tigt werden.

Es ist unscres Wifsens in öffentlichen Blät-
tern schon vielfach verhandclt wvrdcn, welche
Forderiingen dic jetzigen bürgerlichen, geschäst.
lichen und svcialen Verhältniffe, sowic dcr
Staat überhaupt an die Volksschulen stellcn
und auch ferner noch höher stcllen werden unb
stellen müffen; wir setzen baher in dieser Be-
ziehung das Nöthige als bekannt voraus und
wollen in Folgendem unsere Ansichten einfach
und kurz darsteüen.

Bei der Rcorganisation des Vvlksschulwe-
senS dürfte als oberster Griknbsatz zu berück-
fichtigen scin:

„Die Volksschule erhalte cine
selbstständige Stellung imStaate."

'Daraus ergibt sich:

1) D!e URtkirichtS-Gkgcniländc, sowic dcrcn Umfang
nnd F-rm möchtcn nlcht otzn« Vcrmltllung dcr Lchrer gc>
setzttch bestimmt werden.

2) Dit Zshklng von Schvlgeld möchte wegfallen; Staat
uud Gepretude sorgen für die Bedürsniffe der Bürger-
schule, wie sie küuftig zu neunen sein dürfte.

3) Eine Ortsschul-Commission bestehe aus zwet
Factoren:

a. Aus dem Vorstand der Schule.

b. AuS der OrtSschulpflege.

Die Stelle des Vorstandes bckleidet der Hauptlehrer,
öder wo deren mehrere sind, der Erste derselben.

Der Vorstand einer Schule hat die innere Leitung der-
selbcn zu besorgen, und zwar, wenn nur ein Lehrer vor-
handen ist, dieftr alhein; bet mchreren nach Confereoz-
Beschlüssen, also uach gemeinschaftltcher Berathung mtt den

Zur Ortsfchukpflcge gehören Geistliche, Bürgermetster
und eintge von der Gemeiude gewahlte QrtSetnwohner. Zn
dcrselben hat her Hauptlehrer bezietzmgsweise der Erste
Sitz und Stimme.

4) Eine Bezir ks schulpflege bestehe aus etnem Vor-
stand, der die laufeüden Geschäfle besorgt, und aus zwet
wettern Mitgliedern. Sie wird durch die Lehrer deS Be-
zirks aus praüischen Schulmännern gewählt und durch eine
hohe Rcgterung bestätigt. Der Vorstand tst seines Schul-
amtes cnthoben, ist ständtg und aus der StaatSkaffe bc-
soldet. Dte zwet wciteren Mitglieder werden alle drei
Jahre ncu gcwählt, behalten ihr Schulamt bet und erhal-
ten Diäten für Versäumniffe.

Die Bezirksschulpflege vermittelt die Verbindung der
Oberschul-Behoide mit den Schulen und ihren Lehrern und
nimmt zu uvbestimmter Zett, ähnlich den Ktrchen-Vtsita-
tionen, unter Zuzug der OrtSschulpflegen, Schulprüfungen
vor, wobei mit den betreffenden Lehrcrn das Wohl der
Schule zu berathen ist. Die jährlichcn öffentlLcheu Prü-
fungey sind Sache der oben sub 3 n. bemerkten Borstänoe
der Schulen.

5) Etne Oberschulbehörde, in welcher der Lehr-
stand iv angemcssencr Weise setne Vertretung findet, leitet
daS ganze Bürgerschulwesen des StaateS.

6) Wir glauben zuversichtlich, dasi jetzt schon die Lehrer
so viel Einsicht und Umsicht besitzen , um die von uns vor-
geschlageneStellung mtt Würde und richtigem Lacl etnnehmcn
zu können. SollteM die Lehrer Badens denen in Holland nach-
steheu, wo Aehnltches schon besteht? Doch ist wegen der
gestetgerten Ansprüche an bie Voltsschule dringend zu wün-
schen, daß die Btlduug der Lehrer umfangretcher und ge-
diegener werde. Demgemäß wird nöthig sein, daß man
die Anforderungcn beim Eintrttl tn daS Semtnar höher
stellt, als hishcr, und daß Letzteres einen dretjährtgen
Cursus und etne zeitgemäßere Einrichtung erhälte.

7) Religion werde ntcht aus den Schuleu verdrängt;
im Gegenthcile, wir wollen dteselben nur auf eiu desto
festeres , religiöseS Fundamcnt dadurch stellen, daß wtr den
Kindern in paffendcc Form nur das geben, was ihrem
SUtcx gemäß ist; wir wollen sie durch Religion vor Fehl-
tritten zu bewahren suchen, ftatt durch bloßes Gedächtniß-
werk thnen einen vermeintlichen Schatz zu bieteu , der sie
in späterem Unglück zu tröften vermöge. Communal-
Schulen möchten dtesen Grundsätzen nLcht entgegenstehen
uud daher zu gestatten seiu.

8) Daß dte Nevgestaltung uuscres VolkSschulwesenS nur
dann eine Wahrheit werden wird, wenn dte Lehrer ntcht
mehr mit NahrungSsorgen zu kämpfen Haben uud anch in
Bezug auf ihre Wittwen ntcht trübe tn die Zukunft blicken
müffen. ist außer allem Zweifel. Unsere so wohlwollende
hohe Regtcrung wtrd dies gewiß nicht verkeünen, weßhalb
wtr diesen wichtigen Puukt vertrauenSvoü nur berühren.

Unsere Collegen Badens mögen sich nun
über diese Grunvzüge aussprechcn, entweder
durch Beistimmung , oder durch Zweckmäßige-
res, das aus anderweitigen, vielleicht gemein-
schaftlichen Berachungen hervorgehen kvnnte.
Handeln wir in Hochachtung unserer nächsten
und unserer höheren Behörden eben so offen,
alS wohlmeinenv; man wird uns nicht ent-
gegen, man wirv uns förderlich sein; auch
pie Eltern unserer Jugenv werden ihre Bticke
zustimmend und unterstützenh quf uns richten!

D e u t s ch l a n d.

Karlsruhe, 6. Zuni. Der Bad. L. Z.
wird vou hier ^eschtieben, man habe, in Er-
wägung, daß junge Polptechniker nach ihrer
ganzen Vorbildung durch iiiathemaiischc und
einzelne Fachstudien ganz besonders bcfähigl
würcn, stch Mit gcringer Mühe vie besonderen
Kenntniffe zu erwerbcn, um als Osfiziere in
einem Kriegösall wesentlilve Diensie leisten
zu können, beschloffen, die Bcgrüntung eines
EhcluS von elnschlägigen Vorlesungen am
hiesigen Polptechnikum anzuregen und, sobald
derselde hier begvnncn, alle Polptechniker
Deutschlands auszurusen, sich diesem Beispiele
anzuschließcn. Die nöihige» Lchrer glaubte
man untcr den allgemein als tüchtig aner-
kannten Offizieren der badischen Artilleriekorps
gewinnen zu könnep. Es wurde daher schon
im Ausang März d. I. der Djrrktion des
Polyiechnikums eine Bittschrist übergebcn,
worin man bieselbe crsuchtr, sie müge dem
Unteriiehmen durch Uekerloffen eincs Hörsaales
für einzelne Vorlesungcn ihre . Unterstützung
angedeihcn laffcn. Dicse Bittschrist wurde
vom Dirrctor der Anstalr, Ho/rath Revten-
bacher, auss WohiwoUcndste aufgenommen
und dem Großh. Ministerinm übcrgeben. An
höchster Stelle miro im Angcnbiick »ur noch
bie Frage erörtert, ob und in wic wcit diesc
Vorlesungen mst dem eigentlichen Zwecke des
Polytechnikums übcreinstimmen dürften. Doch
erhiclt man bereits die «rfreulichc Bersichernng,
daß, wenn genchmigt, diese Vorlesungen ven
übrigen am Polytcchnikum getriejvncst »bliga-
len Studieu eingereiht werdcn würbe».

KarlSruhe, 10. Zuni. (Karlsr. Z.)
S. K. H. der Großherzog reisen von Donau-
cschingen über Villiagcn nach Rottweil, um
die bortige Industrieausstellung zu belsuchen.

Vom Neckar, 12. Juni. Die Besürch-
tung einer größeren Abhängtgkeit Ztalieiis von
Frankreich, deren wir in Rr. 125 uns. Blaltes
erwähntcn, gcwinnt aus verschixdenen llrsachcn

Lu spät.

Eine dänische Crinünalgeschichte.

(Schluß.)

So lautctc in den Hauptpunkten der Bericht
des fatalen Mannes, an deffen Wahrhaftrgkeit
der Pfarrcr leider nicht zweifeln konnte. Und sv
wurde eS denn dcm letztern nur allzu klar, wic
sein unglücklicher Mitbruder, als cin Opfer der
ungeheuerstcn Boshcit, der Verblcndung der Zeugen
und des Richters, und — wic er aus oen vertrau-
lichen Mitthcilungen des Amtsvogtcs erschen —
auch der cigcncn lcichtgläubigen Einbilduiigskraft
des Angcklagten, gefallen war. „Ach!" rief bei
dieftn Eröffnungen der würdige Dicncr der Rcligion
der Liebe aus, „ach! was ist doch dcr Mensch, daß
er sich znm Blutrichter übcr ftincS Glcichen auf-
wcrfcn dars? Wer darf zu dcm Brudcr sagcn: du
bist des Todcs schuldig? Gott allcin gchört dic
Rachc; nur Er, der Leben gibt, darf auch den
Tod gcbcn. Er ersetze dir nun auch, armcr, un-
schuldig Gemordetcr, mit der unendliche» Freude
eines ftligen Lebens den bittern Märtyertod, den
d« hienieden hast leiden müfftN!"

Der Pfarrer von Aalsöe fühlte sich m dem vor-
liegenden Falle, «o höchstcns ein zweites Leben
vernichtet wordcn wäre, ohne daß dadurch ein
schuldlos zersiörteS Daftin wieder hättc zurückge-
pufen «erden können, »icht bcrufcn, den zerknirsch-
ten und reuigcn Sündcr dcm Gerichte anzuzeigen,
und diefts um so wcnigcr, als der Amtsvvgt
Erik Söfrenftn noch ain Lebcn war. Dicftn, eh«
er dahingegangen war, wo Allcs an's Licht kommen
wird, was unscrn stcrblichen Augen noch verborgen
ist, über ftinen schrccklichcn Zrrthum aufzuklären:
das erschien dcm Pfarrer allzu gransam. Er richtete
daher ftinc Mühe mehr dahin, dem zurückgekehrten
bedauernswürdigcn Mcnschen den Trost dcr Religion
zu spenden, und ermahnte ihn, als diefts gcschehcn
war, allcs Ernstes, ftincn Namcn und dic ganze
Begebenheit vorZrbcrmann zu vcrschweigcn. Unter
dieftr Bedingung vcrsprach er thm Obdach und
Pffcge bci eincm Vcrwandtcn, der in einer wcit
cutfcrntcn Gcgend wohnte. Seine Bcmühungen
«aren indeffen alle vergcblich.

Der folgende Tag war ein Sonntag. Als der
Pfarrcr spät Abends von einem ftiner Filiale, wo
er de» NachmittagSzottesdienst gehalten hatte, nach

Hauft zurückkam, war der Bcttter verschwnndW,
und ehe es Montag Abend wnrdc, «Me mapdas
Ereigniß schon in der ganze» Nachbarschaft. Von
seinem unruhigen Gcwijftn getrieben, wär cr nach
bcm Amthauft geeilt und hatte stch dem Amtsvogt
und allen Bedicntcn dcs HanseS als den wirklichcn
Niels Bruns vorgcstellt. Lcn Amtsvogt traf vor
Schrccken der Schlag, nnd er starb noch vor Ende
der Woche; Niels Bruns ad«r wurde ayr Dftnstag
Morgen vor der Thüre der Lirche zu Lalfte, »uf
dem Grabe des ftligen Pfarrers Sösrr» Quist,
todt gefunden.

Die Erzähluug dieftr Begebeuheit Aründet stch
auf Aktenstücke, «elche stch zuerst und tange Zeit
nachher noch tn der Gcrichts- u»d Pfarr-Registratur
zu Aalsöe befanden, später abcr in das Archiv des
kgl. Zuftizministeriums nach Kppenhagcn gcbracht
wordcn sind. Sollte cincr unftrer Leftr die Aecht-
heit dieftr Aktenstücke in Zweifel ziehen, so wird rr
in der Gcgend ftlbst dicvolle BAätiguug Per Wahr-
heit des von uns ErzLhltm finden. Lie Sage aber,
die sich dort bis heute noch im Mnndc des VolkeS
erhalten hat, laßt die Geister der beidm Brüder,
den wilden, trotzigen Morten und den krüppelhasttu
 
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