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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0311

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Deutschland.

Karlsruhe, 2. Aprtl. DaS heute erfchicnem Regie.
rungSblatt Nr. 15 enthält Lerfügungen und Bekaunt-
machungen der Mtnisterien. 1) Bekanntmachung deS großh.
Mintsteriums deS Jnnern: Dte llmlage der Leiträge zur
FeuerverficherungS - Anfialt 1860/61 betreffend. Dieselbe
wtrd tn folgender Wetse festgesetzt: in der l. Claffe auf
4 kr. von je 100 fl. VersichcrungSanschlag, tn der I I. Claffe
auf 5V2 kr., tn der 1U. Claffe auf 7 kr., tn der IV. Claffe
auf 8 kr. 2) Bekanntmachungen des großh. Finanzministe-
rtumS. s) Dte Ttlgung der ^/rproeenttgen Etsenbahn-
Anlehen von 1854 und 1856 betreffend. b) Dte Etn-
lösung der 3Vrprocenttgen Rentenschetue betreffend.

Karlöruhe, l. April. Das iLphorgt des
ßlesigk» VpceumS Üat Prälat Holtzmann an-
genominen.

Karlsruhe, 29. März. Erst im Juni
soü die Geueralspnode zusaminentreten. Wenn
dic Borarbeiten vollenvet sind, wird die Dur-
lacher Eonserenz sich hicrüber aussprechcn
und bei diescr Gelegenheit auch die geeignc-
ten Persönlichkeiten sür die Bertretung bei
dcr Gencralspnode bezcichnen, aus die man
sich vereinigcu soll. Wahischkinlich wird sol-
chcs auch aus dem Lager von Bruchsal ge-
schchen. Daß die Dekane sreiwillig aus dre
Wahl in ihren Bezirken verzichtcn werden,
ist zu bezweifeln. (S. M.)

-s Heidelberg, 1. April. Gestern Abend
brannien in Wiebiingen zwei mit Frucht ge-
füllte Schcunen ab. Die Veranlassung deö
Feucrs kcnnt man bis jctzt »icht.

Maiinheim, 2ö. März. Jn ietzter Woche ewegsen
die Verhandlungen »or dem Schwurgericht gropeo
Aujsehen, theils wcgen d«s Jnteresjed, welchcs der de- ^
handelte FaN au und sür sich dardot, theils weil der
Schauplatz der That uns so nahe liegt. I» deni nur
cine Stundo von hier belegenen Oertchen Mserthal be-
warben sich zwei Burschc, Iakod Annemeicr 'mid Anton
Geiger, um die Liede eines MädchenS. Zakob Annemeier
erhielt den Vorzug; das erregte die Gaiie des verschwäh-
ten Nebcnbuhlers. Er wußie seine Kamcradeu zu de
siimmen, seine Sache zu der ihrigen zu nplchen, dagehen
standen die Kameraden dcS Annemeier auf dessen Seiie.
DarauS entstanden sonniägiich Schiägereien zwijchen dcn
beiden seindlichen Parteicn; bei einer derseiben wurde
der Bruder deS Jakob Anneineier, Joseph, tödtlich ver-
wundet. Natürlich wurde einer der Gegncr sür d-n
Thäter gchall-n. Wie könnte das anch anders scin'i
Man iieß sich dieMesjer der Gegner anshändigen; eins
derselbe» paßte ganz vortresflich zur Wunde, der Eigen-
thümer dieses Btessers war also der Thäter. Zu seinem
Unglück roch sein Kamisvl nach erbrochenem Weine,
während dargethan war, datz der Getödtete nach der
Verwundung sich erbrochen haNe. Endlich wurde auch
crniitlelt, daß Philippine Sponagel ein Gespräch zwi-
schen zwei Burschen in derselben Nacht angcyört hatte,
von denen der eine sagte: „Des Annemeier's Seppel
hätt' ich grad todi steche könne; ich häll' ihm halt cins
hingestoche — da, Seppel, verklag' mich." Sie konnte
die Sprechenden nichl sehen, weil ihre Läden geschwssen
waren, aber sie glaubte die Stimme des Angellagten,
Seorg Philipp Müller, wieder zu erkennen. Endlich
sprach gcgen ihn, datz von ihm die erste Drohung »n

jcnem Abend, wo die beiden Parteien sich etwa um halb
IV Uhr im WirthShaus zum Hirsch trasen, ansgegangen
war. Dagegen konnte nicht ermiltelt werden, ob der
Angekagte überhaupt am Orte der That war — keiner
der Streitenden hat ihn da gesehen. Er selbst behaup-
tei, das Wirthszimmcr nicht verlassen zu habcn. Der
Wirth bezeugt, er selbst habe ihm Fcierabend geboten:
gerade in diesem Augenbiick brachte man dcn auf den
Tod Berwundeten in den Hirsch. War der Angeklagte
der Thätcr, so mutzte er nach mancherlei, kleinen Vor-
sällen im MrthSzimmer, bei dcnen er zugestandener
Maßen'zugegen war, da§ Wirthszimmer veriasjen, die
That verübt, vom Ort der Thät auf einem Umweg,
während mehrere Personen dcm Verwundeten, der laut
rief: „Brüder, ich bin gestochen", zu Hilse eilten und
ihn in's Haus trugcn, in'S Wirthszimmer znrückgekehrt
sein. Alles dies mußte zudem das Werk weniger Mi-
nuten sein, weil mehrete Petsonen dcn davon sprin-
genden Thäter verfolgten und von der Versolgung zu-
rückkehrend, den Verwundeten nicht mehr fanden, er
war schon aufgehobcn und in den Hirsch gebracht. Der
dävon springende THLter müßte daher den grotzen Um-
weg nicht allein früher zurückgelegi haben, fondern er
müßte auch in'S WirthSzimmcr eingetreten sein, ohne
von Jemandem bemerkt zu werden. Sioch mchr. Die
Anklage nimmt an, das Kamisol des Angeklagten habe
den falalen Gernch dahcr erhalten, daß der Berwundele
den erbrochenen Wein aus den Thäter auSgeschüttet habe.
Svmit wäre der Angeklagte mit den Spuren des Ver-
brechens aus seinem Kamisol, die durch den cigenthiim-
lichen Geruch sofort sich bemerklich gemachs hätten, in's
WirthSzimmer zurückgekehrt, wodurch er natürlich auch
sofort verrathen geivesen wäre. Wodurch aber erhielt
sein Kamisol den Genich? Das erklärt die Vertheidi-
guyg, wclche durch Obergerichtsadvokat 0r. Ladcnburg
vertreten war, daher, daß der Angetlagte alsbald, nach-
dcm der Verwündeie in den Hirsch verbracht worden
wär, sich neugicrig hinzugedrängt, und deßhalb von
Pcter und Gcvrg Bollmann, wclche ihn sür den Lhäter
hielten, mißhandelt worden war. Dicse Beiden hatten
aber den Vcrwundeten ausgehobeii und in den Hirsch
verbracht, und wärcn dadurch an den Händcn, vielleicht
auch an Ven Kleidern, von der 'Berühtung deS Ver-
wundeten beschmutzt worden, nnd übertrugen diesen
Schmutz aus den Angeklagten, niit deni sie in cin Hand-
gemenge gericthen. DaS jchlug durch. Die Geschwore-
ucn erklärlen den Angcklagtcn für „nicht-schuldig", da-
'gegen wurde er wegen Theilnahmc am Rinifhaüdcl zu
drei Monatcn Gesängniß verurtheilt.

Bvm tObcrrhein, 28. März, schreibt
der Sch. M.: Ueber vie Resnltate dcr Vcr-
handlunge» der großherz. Negicrung uiit dem
Herrn Erzbischvf: Die Rcgieruiig hat cinge-
willigt, daß noch 60 weitere Pfrünvc», als
die Convention bestimmt hatte, durch dcn EH-
bischof bcsetzt werdcn sollcn; sodan» hat in
Bezug auf die sogen. bestrittenen Psarreicn
(d, i. solchc, worüber daS Patronatsrecht nicht
nachgcwiesen wurde) der Erzbischof das Recht,
drei Candidatcn vvrznschlagen, aus denen die
Regierung den Pfarrer ernennt. Ferner sind
auch bic Verhältnissc dcs Kirchenvermögens
imd des Schulwesens geregelt wvrden. Ein
vberster Stiftungsrath, dcr aber in Karlsruhc
seinen Sitz nicht haben darf und wofür wahr-
scheinlich Freiburg oder Bruchsal ansgewähli

wird, verwaltet das Klrchenvermögen; er ist
zur Hälfke vom Großhcrzog, zur Hälfte vom
Erzbischof zu besetzen. Für die?eitung des
kathol. Volksschulwcsens wird einr besondere
Behörde ernannt.

Konstan;, 30. März. Di« auf heute
festgeskßke Bürgcrmeisterwahl blieb zum zwei-
ten Male resultatlos, wcil von 60 Wählern
nur'7 erschiencn waren.

Speyer, 2. April. Jn Neustadt flnd end-
lich die Gesangbuchswirren dadmch beige-
legt worden, daß das Presbpterium mit 7
gcgen 3 Stimmen die Wiedereinführuug des
alten Gesangbuchs beschlossen hat. Man zählt
dasclbst 40 Kinder, welche während des In-
tcrdicts ungetauft gcblieben sind. Ein Mann,
der sich zur Beerdigung seiner Frau ohne
Begleitung eines Geistlichcn bereden ließ, will
die Leiche wiedcr ausgraben und kirchlich be-
crdigen laffen.

Frankfuet, 1. April. Es war leicht vor-
her zu sehen, daß nach dcm „Schmerzensschrci"
der Jtaliener und Ungarn ein solcher anch
von dcn Polen werde erhobcn wcrden. Wir
wundern u»s dabel nur über Eines, nämüch
darüber, daß im vorliegenden Fallr mitunter
gerade Diejenigen dic lautestcn und heftt'gsten
Verdammungsurtheile gcgen die Vertrelcr des
„Nativnalitätsprineips" ausspreche», welche
Venedi'g unbedingt aufgcben wollen, ja wclche
selbst dcr Ansicht stnd: „was geht uns Wclsch-
tprvl, was Triest an?" Uns scheint, daß
das Rccht dcr Pülen an sich kein beffercs und
kein schlechteres als das der Italirner nnd
Ungarn sei. Wären wi'r nicht dcr Ansicht,
daß wenigstens unter de» vbwaltendrn Ver-
hältniffen, wedcr im Südcn noch im Osten
von Dentschland etwas aufgegeben wcroen
dürfe, so würden wir das Berlangen jener
(wenn auch mit dnrch elgciie Schuld) so sehr
mißhandelten polnischcn Mti'on kurzwcg iür
mindestens cbenso gerechtfertigt erklaren, wi«
das der Jtalicner und Magparen. (N.F.Z.)

Frankfurt, 2. April. Gestern wurde
dcr Jnhaber eines hiestgen Stickercigcschäfies
gefänglich eingezogen. Gcgen denselben svll
dringenber Berdacht vorliegen, der Urheber
oder Verfasser der in der letzten Zeit hicr
in großer Anzahl verbreiteten obscönen ano-
npmen Briefe, die Thcaterangelegenheit betr.,
zu scin, mit welchen viele achtbar« Fainllien
in dcr cmpörendsten Wcise behclligt wurden.

Stuttqart, 3t. März. Prvfeffor Zeller
«n Marburg soll nach der bad. Land.-Zeitung
einen Ruf nach Heidelberg erhalten haben.
(An welche Stelle?)

Ein Ahentruer unter Srttlrrn.

Mitgetheilt von Ed. Franke.

(Fortsetzung).

Einige Zeit nach jenem ersten Abenteuer war es,
als diescr Mimch wieder predigie und auch rch, um
eincn guten Platz zn gewinnen, bei Zeiten in dic
Kirche gegangen war. — Kopf an Kopf, mann-
lichcn und weibiichcn Geschlechtes, war bald das
Schiff des Gottcshauses gefüllt. Zch hatteganz vorn
an der Brüstung cines Chvres neben der Kanzei mei-
nen Platz cingenommen, uin, wenn fich alle HLupter
dem Redner zuwcndeu würdcn, dtcsc genau in's
Auge faffcn zu könncn; denn das Gcschndniß tst
wohl überfiüssig, daß der Gcdanke, meine Unbc-
kanntc viellctcht hier zu erbiickcn, diesmal die Haupt-
tricbfeder meines Hierseins war. Zu bald mußte ich
abcr erkennen, daß unscre Wcishctt vft schr dumme
Strcichc macht; in kürzcrer Zcit war ich so fest ein-
gekeilt, daß ich mich kaum bewegcn konntcund also,
selbst wcnn ich die sehnsüchtig Gesuchte unten er-
blickte, mich außer Stand befand, -zu ihr gclangen
zu können. — Allein dieft Einsicht kam, wic immer,
zu spät. — Der Redner besüeg jetzt dic Kanzel —

allgemeine Stille trat ein und jeder Gedanke an
Störung mußte unterdrückt werden.

Meme Augen durchspähten den fcrnstsn Winkel
— erforschten jede Phyfiognomie.

Dort im Halbdunkci, nahe einer Eingangsthüre,
stand cinc männliche Gestalt — dcrcn Auge sest auf
mir zn haften schien. — Das Geficht war mir nicht
unbekannt.

Jch wendete mcinen Blick zur andern Seite —
rief mcine Erinnernng wach. — Richtig, cs warcn
die Züge eines bettclnden Krüppels, welcher stch auf
mcinen, in letzter Zcit gcmachten Strcifzügen, mir
öfter in den Wcg stcllte. — Der Mann war jetzt
recht anständig gckleidet — er schten stark und ge-
sund — also, «ie die meistcn diefts GclichterS, auch
ein Betrügcr. — Zch wollte dcn Mann noch ein-
mal in's Auge faffcn — richtetc den Blick nur et-
was seitwärts, um nach ihm zu schiclen und be-
mcrkte, daß rr dcr vorigen Wendung meines Kopfes
gefolgt war — also meine Bewegungcn zu bcob-
achten schien.

„Was ist -es, was dic Blicke diefts Menschen auf
dich -lenkt, dcn dsinigen nachzicht?" dächtc ich und
wmdetc mich wicder zur andern Seite.

Mein Auge ftnkt sich hicr auf das Schiff der
Kirche hernieder und fällt gcrade auf eine mir gegen-
übcrsitzcndc, elegant gekleidete jungc Dauic. — Jch
wciß nicht, warum sie mir auffällt. — Zctzt be-
merke ich, daß ste den Kopf absichtlich von mir ab-
wendet. — Jch faffe sic nnn genauer in's Auge —
glanbe dic Gcstalt zn erkcnnen. — Sle wendet den
Kopf ein wcnig — die Züge werdcn Mir flchtbar
— sie schlägt die Augen rasch nicder — ein kleiner
RiK an der Stirne lenchtet mir cntgcgen — sie ist
cs — es ist meine Unbekannic! — So, gerade so,
mit geschloffenen Augen lag sie aufmeinem Sopha!

10.

Bei dicser Entdeckung gerieth ich so außer mir,
daß ich, vergeffend die Höhe, eine Bewegung machte,
um den Fuß über die Chorbrüstung zubringen und
hinabzuspringen; aber er war zwischen andern Füßen
so fest eingeklcmmt, daß ich ihn gar nicht zu rcgen
vcrmochtc. —

Dadurch «iedcr zu mir selbst gebracht, sah ich
ein, daß mir nichts übrig blieb, als in Geduld zu
harren odcr durch die Macht dcr Augensprache eincn
Weg zu ihrcm Herzen zu suchcn. — AUein vekge-
bens allc Bemühungen. — Jhr Augc war und blicb
 
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