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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Februar
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M 31


Mittwoch, «. Februar

Jnsertionsgebührea fär die Zspaltige Pttit-

zeile werden mit - kr., bezw. 3 kr. bereckaet. M^UWM.G

tzöÄs- Für die Monatc Kebruar ,md März
wird anmit ctn neueS Aboünemcnt auf die
Heidrtbergcr Leitmig eröffnet. Preis sür beide
Monaie 3tz kr.

s-s Die jetzige Lage Ungarns

(Schl-ß.)

Es unterliegt wöhl kcinem Zweifel, daß
Ungarn, loSgetrcnnt vo» Ocflerrcich, vcrMöge
seiner Größe nnd Einwohncrzahl, der eigcn-
thümlichen Mischung seiner Bevvlkerung und
seiner natürlichen Lage, so nahe bei Rußland,
kaum gecignet sein durfte, auf dic Dauer ein
fichercs Dasein alS selbstständiger Staat zn
fristen. Die Geschichtc stühcrer Jahrhündcrte,
besonders zur Zeit dcr Türkenkriegc, licfert
hicfür cinen warnendcn Bclcg: Ungarn, ohne
feine Jncorporation in eincm größeren Staa-
tencompkere, wäre bainals uicht nur vorüber-
gehend, sondern wohl auf längere Daucr eine
türkische Provinz gewordcn. Von dem sinken-
den Halbmonde drohen ihm nun freilich schoy
ISngst keine wcitepc Gefahren, desto mehr aber
von dcr unheimlichen Nähc des rüsfischen Co-
loffes.

Auch die rcvolutionäre Partei in Ungarn,
deren Losungswort kcinc Bersvhnung mit Oc«
sierreich, vielmehr vöüige Trennung von die-
ser Macht ist, sieht dieses wohl ein und gcdenkt
daher zu küuftigem Schutze, auf dcn Trümmcrn
der österreich. und theilweisc der türkischcn Herr-
schaft ein dacisch-iÜNrisch-rumäntsches Reich in
Korm eines großen slavisch-magparischen Staa-
lenbundcs zu gründen. Allein abgesehcn da-
von, daß'ein solcher weitäussehcnder Entwurf
vorerst noch in das Gebtct eincr idealcn Con-
juncturalpolitik gehört und sich für jctzt, wenn
man will, als ein blüßcs Phantasiegebildc dar-
stellt, wärc einer solcheu, aus völlig hctero-
geneii Bestandiheilen, aus verschiedenartigen,
theilweise kanm halbcivilisirten Völkerrayen
bestehenden Cvnföderation, in welcher die Ma-
gparen vermöge ihres angeborncn National-
stolzcs immer dcn Vorrang einzunehmen trach-
ten würben, kaum eine festc Eristenz, ein länge-
res Dasein zu prophezeien. Es klingt daher
mehr als abeiiteuerlich, wcnn man behauptet,
oaß dcr ertremere Thtil der italienischen Na-
tionalpartei, für den Fall, daß ihr Wünsch
eines Angriffs auf Venetien bis künftiges
Frühjahr nicht verwklklicht werde, wenigstens
trachten würde, unter Führung Garibaldi's
eine Diversion an die dalmatische Küstc und
vo» da weiter nach dem türkisch-slavischcn
Norden und nach Süvuiigarn zu unternehmen,

UM döttselbst cine Schwächung dcr österrci-
chischen Mächt zu vcranlaffen, und also anf
Berwirklichung itzrer Entwürfe hinzuarbeiten.
Wir verkennen die Tragivcite cines folchcn
Unternehmcus uichk, wcnn es zur gehörigeu
Zeit uüd mit dcn gehörigen Kräften iinier-
nömmeü würde. Dic italienische und dic
orientalische Feage würdc zuglcich angeregt
werden und in ein neues Stadium treten.

Wir glaubeti aber, daß zum Umsturze eincr
ISngst Serjährten Staatenbildung und zum
Aiifbau einer neüen staatlichen Ordnung Mehr
erförderlich kst, als cin Monatc lang vorhtr
angesagttr Freischaarenzug. N»r dann könnte
ein solches Unternehmcn einc Aussicht auf
einigen Erfolg habtn, wenn die betreffenden
Völkerschaften, dcren angeblichen Befreiung
es gilt, sich ganz und ungctheilt demselben
auschlikßkN wükden. Dieses läßt sich zur
Zeit abek weder vvn den Ungarn behaupten,
noch vvn den Serben sdie für allc Fälle,
wenn dcreinst der türkischc Halbmond zu Bv-
den finkt, im türkischcn Norden lieber ein
eigenes slavisch-serbisches Reich bildcn wür-
den, nicht endlich vou dcn Rumänen in der
Moldau uud Walachei, welche ähnlichc Ab-
sichten hegeü, und die von Rußland im Schach
gchaltcn werden). Borkommenden Falls wür-
dcn übrigcns, nach dem Gcsetze der Anzic-
hungskraft, die in Südungarn wohnenden
Serben ünd Rumänrn sich alsdann diescr
neueü uationalen Staatenbildung assimi-
liren, und das Schicksal dcr kaum fünf
Millioücn zählendcn Magparen dürfte, da
stlbst Fraukrcich, in deffen Arme fie sich etwa
wersen würden, diefelbc in ihrtr isolirten
Lage auf dic känge kaum zu schützen vcr-
möchtc, kcin anderes sein, als mit dkr Zeit
als sichcre Beute an Rußland anheimziifallcn.
DieS Alles siud natürlich nur Conjuncturcn,
deren Vcrwirklichung, zum Glücke für Ocster-
keich, noch in weitem Felde steht. Staaten-
gebilde, deren Dancr nach Jahrhundcrten
zählt und ddren Bestandthcile durch die Macht
der Gewohnheit, durch das Gefühl der Zu-
samineiigehörigkeit an einander gekettet sind,
werdc» uicht allzu Icicht über den Haufen gc-
stürzt. Noch ist der österrcichischc Staatsbau,
so Manchcs an demsrlben morsch und hinfällig
sein mag, nicht mit dem verwesendcn türkischeii
Reiche zu vcrgleichen. Für allc Fälle aber
wird der völlige Zusammensturz eines so mäch-
tigcn Baues nicht so leichten Kaufes geschehen,
vielmehr Trümmer der Verwüstung um sich
verbreiten, und wird das in's Leben Treten
nruer Staatengebildc nur untcr den schwersteü

Geburtswehen erfolgen. Die größe Lehrmei-
sterin aller Zeiten, die Gefchichte, gkbt üns
hiefür überhaüpt, wic in Bezüg anf Oester-
reich, insbesöüdcre dic vielseitigsten Erfahruü-
gen, die sicherstcn Belege an die Händ. Der
wunderschüelle Untcrgang ver, ^iicht mit Un-
recht so vekhaßten Bourbonenhcrrfchaft in
Neapel mache hievon niir schcinbar eine Aus-
nahme: Eine, nicht ganz nachvruckslöse Retök-
ston, kommt übrigens felbst dvrt nach, Mach,
die frühen befremdenden Vvrgäugc nüd leichten
Erfolge der Nationalpartei nnr nm so räthsel
hafter, und um so fester die Lehteü der Ge-
schichte. Was Oestcrreich bctrifft, so wat dieses
seik dcm Zahk 1619 oftmals dcm Untergange
nahe, nnd hat sich schon am Raüd dts Äb-
grundes mit üeutr Kraft wicder empörgtrafft.
Eben jenc Lagc zu Anfang dcs drcißlgjährigeü
Krieges, so mauchc snderc im svätcren Ber-
laufe deffelbcn, und in den fvlgendeN zwei
Jahrhundcrten bis 1848 wat zütn Theil nöch
kritischer als dic jcßige. Wir verkcnneü hikr
bei dic außcrordentlichc Mißlichkeit der jetzigen
Verhältniffe Ocsterreichs gaüz und gär nicht,
und habcn diestlbkn schon frühcr iü den Sptil-
ten unserts BlatteS uniimwundcn dargcstellt;
wir sehen das Berhäiignißvolle dieser feiner
Lagc vermehrt, so langt es flch nvch in thtil-
weiscm Widerspruche mit dcn Anfvr-
dcrungen der Jctztzeit, mit dtn Zdccn
unseres Zahrhunderts befiüdet. Erne
erneuertc Militärdictatur kann hier nür eint'
kurze Spanne Zeit helfen und da« lost staat-
lichc Gefüge mit straffer Haüd ziisamMenhal-
ten. Die ficherste Diclatuk wird das Ber»
trauen dek Völker Oesterreichs in volle Und
wahre constitutionelle StaatsmariMeN der
Lenkei ihrcs Geschickes sein. Zn der hier an-
geiegtcik Zeitfragc liegt,'wic wir gerne zü-
gebcn, ein gkoßcr Uuterschicd zwischen Oesttk-
reichs jctzigcr gefahrvollcr Lage iM Vckgleicht
zu frühcren, uüd im Faüt jeüek Fkage nicht
dic gcbührende Rechnung getragen würdt, kaün
fvlgerichtig auch die Möglichkeit eines ungün-
stigen AusgangeS der jetzigen Crisis Nicht in
Abrede gestcllt wcrden. Allein es sttzt, nach
dem Obcngesagten, eine ekwas kindliche Arg-
lostgkrit voraus, hieraus jetzt schon mit Sicher-
hcit zu rechnen, zu speculiren und Plane für
dic Zukunft, namcntlich vsn Gesammtdeuisch»
land zu baucn. Dcr Untergang Oesterreichs
würde die Gefahrcn, in dencn wir uns befin-
den, allem Aiischern nach noch vermehrcn,
die Anzahl nnserer Feinde noch vrrgrößtkü.
Vor Allem gilt dieses, uin auf uüscr ursprvng-
liches Thema zurückjukvmmcn, von der eve«»

Das große Faß zu Heidelderg.

Histoeijche öio.vslle von With, Zungmanu.

(Fvrtfctzüng.)

Untcr der freuüdlichsten Ernladung, fich es heutc
tn sctnem Schloffc rccht «ohl sern zu lassen und
dann rccht bald wiedcr nach Hcidclberg zuriickzu-
kehrcn, um drn B«l deS Fnffcs zu beginncn, hattr
der Pfalzgraf dir bciden Männer cntlaffen nnd
fich dann m fein Cablnet zurückgezogen, wo der
Marquis seiner harrte, um ihn mit cinem Theil
seincr Lebensgrschrchtc hckannt zü machcn.

Kaum in das Cabinci cingetrcten, hatte der Pfalz-
graf den Marquis eingcladen, ihm gcgenübcr Platz
zu nehmen nnd ihn in vollem Bcrtraucn auf scine
Theilnahme von seinen früheren Schicksalen zu
untcrrichten.

Der Marqurs ihat cs mit ailrr Ausfühilichkert
und.lange hatte die Mitiheilnng grdauert; rn was
fie abcr bestandcn, darübcr bewahrte dcr Pfalz-
graf das ticfstc Geheimniß. ll.nierdeffrn hattrn Mei-
ster Werner und Gerhard fich in der Umgebung des
Schloffes umgefthen und beidc schwclgien im Eni-
zücken über die schöne Aussicht, «elche man von

diestr Höhe über die Gcgend hrn genvß, währcnd
ihre Blicke oft hinübetschwersten über den Rhcin,
wo Landau iag und «o heutc in dcr Werkstäite
dcS Merfiers die Arbcit nicht so rasch von Starteu
ging als gcwöhnlich, wcnn cr »dcr Gcrhard ftlbst
m!t Hand an'S Werk zu lcgcn pffcgten.

Jn dcm Hauft ftibst war es hcutc stiller rls ge-
wöhnlich, obgicich schon ftit crnigen Tagrn eine
merkiichc Veränverung in demftlben vorgegangcn
wrr. Still und traurig schlrch Lenchen umhcr ünd
schten der Muttcr absichtlrch auszuweichen, die auch
ihrcrftris kaum den Unniuih zu »crbergen im Stände
war über daS, was jüngst rn dcmftlben vorgefallcn.

Als aber der Pliltrg herangekomme« war und
beide Noch immer schweigend ernander gegenüber
safien, ohnc die Speiftn merklsch zu berühren, und
Lenchen nichi wagte, von dem Teller aufzublrcken,
da konnic «s Krau Gcrtrudenicht längermehr übcr's
Htrz dringrn zu schweigen, und nachdem ne dic Lochicr
eine Ztit lang scharf angeblickt, bcgann sic also i

„Zch glaubc wirklich, es macht Drr Kummcr, daß
der Vatcr den Felir so rasch »uS dcm Hauft fort-
geschickt hat, denn von dieftr Stnnde an schctni
Dir das Weincn näher zn ftin, als das Lachcn?"

Glühende Röthe särbte Lenchens Wang-cn NNb
wirklich stahl fich cine Thräne ans ihreüi Augc,
aber es «ar keine Thräno über die plötzlichc Ent-
fernung des jungcn Mannes, sondcrn cs war rrnr
Thräne d«r Scham, daß sie z« weit gegangen unb
dadurch vielleichi ftlbst dem jungcn Manne Bcr-
anlaffung gcgebcn hatte, sich so gegen Gerhard zu
bctragcn, dcnn fie erwrdertc jetzi räfch:

„Glaubt daS ja nicht, licbc Muiicr! Zch ftkbft
din froh, daß der ausdringliche Mensch nicht rüchr
in unftremHauft ist, und wenn mrr »ikkttch das
Weinen Ȋher als daS Lachen ftin sollte, dakn tft
es nicht die Entftrnung dcoftlben, sondern mehr
der Kummer nber dic Gerhard wrderfahren« Krän-
kung, welcher diefts Gcsühl in mrr hervorbringi."

„Nun, das fteui mich", enviberte dic Muttrr
fichtlich bcstiedigt, „Gerhard tst wirklich ei» guter,
braver Mensch, dcr unscre ganze Achtunz «errieut,
und dennoch btst Du ftlbst daran schuld, daß fich
Kelii so gegen ihn benahm. D« haft Dich zu siel
mit ihm crngeläffen und dadurch den aufgeblafcnea
Mcnschc», der fich auf den Wohlftand ftine« Ba-
ters gar zu viel cinbildet, nur noch drcistet ge-
macht. Du häitefi sas schvn Gerhard's megen ittcht
 
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