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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Juni
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N; 13Ä


Dienstag, II. Zuni

IilsertioaSgebührerr"für die Zspaltige Petit-
zeile werden mit 2 kr., bezw. 3 kr. berechaet.

L8«L.

Eine Amnestie nnd eine Thronrede

VLlker gehen nlcht so leicht zu Grunde, und
nicht einmal sür ihre hefti'gsten Krankhciten
bestcht die Alternative des baldigcn Sterbens
oder Gencsens. Sie könncn Zahrhunderte
lang ihr Leiden tragen von Anfall zu Anfaü,
und immer noch Kraft für »eue Schmcrzen
bewahren. Die deutsche Nation lag an allen
Gliedern lahm und wund seit der Hohcnstau-
fenzeit, und fast ein halbes Jahrhundert lang
hatte ste sogar die Hoffnung auf einen kom-
menden Arzt aufgcgcben, bis ein Wiederschein
des heilenden Lenzes, der über England und
Amerika aufgegangen, ihr aufs Krankenbett
schien und ihr Blut erfrischte und ihre Ner-
Ven kräftiger stimmte. Die dcutsche Nation
fühlt stch wieder, ste regt vie Arme, ste bewegt
die Füße, sie spürt, daß ihre Wiinven heilbar
stnd, ste späht umher nach dem'Arzte, an des-
sen mögliches Dasein ste noch vor fünfzig
Zahren nicht geglaubt hatte, sie hofft ihn im
Staake Preußen zn finden. Es erging der
Ruf: Komm, stehe zn der Nation unv fie ist
Dein eigen, sie ist eins mit Dir. Aber ge-
komllien ist nur eine Zusage und iioch eine
Zusage, und zu der verkündeten Thät wird
selbst vie Absicht bald geleugnet.' Und der
Krankc, soll er wieder auf sein Siegbxtt zu-
rückfaUen und flch auf neue Zahrhunderle ves
Leids gefaßt machen? Nein, niuimermehr!
Deutschland wird cine Ngtion, eiisNeich, ent-
weder mit Preüßen, öder über Prcußcns
Zukunfi hinweg. Denn sine Nation, Yie den
Nawen verdient, känn nicht UNtergehen; allein
ein Stäat kann untkrgehen, wenn er die Bc-
dingungen seines Daseinö nichr mehr begreift.
Ireußens Eristenz aber ist von seiüec Vcr-
schmelzung mit Drukschland bedingl.

Preußen hatte Wcniges zu thun, um Deutsch-
land zu gewinnen; von biesem Wenigen thät
cs Einiges eincn Tag lang, uuv dann that es
nicht Wenigcs, um Deutschland zu vcrliersn,
wenn das so leicht hätte geschehen können.
Wäs Heilmittel werden sollte, ward neuer
Krankheitsstoss; Fehler machten Fehlern Platz.
Kaüm war die Amnestie halb verschmerzt, so
kvmmt nun cine Thronrede.

Amnestie heißt: vergeffen und pergeben,
das Geschehene ungeschehen machen. Dw
prcußische Amneftie war aber keim Vergehen
und Vergeffen, und im Gegentheil sollte das
Geschehene in seinen schärfsten Wirkungen be-
stehen bleiben. Die Regel der Amnestie ward
durch die Ausnahmen weit überwogen, und
selbft diejenigen, welche das Glüek hatten un-

ter die Regel zu fallen, erfuhren bald, daß
ihnen so virl wie nichts'gewährt war. Denn
weun fie auch nicht von preußischen Gerichten
verfolgt wcrden, so bleibt ihnen die preußische
Heimath verriegelt und versiegelt: sie sind
Fremde geworden und sollen es bleiben. Daß
sie bei solchcr Gnade nicht daS Geringste ge-
winnen, ist unleugbar; denn im Auslaud,
wohin ste im Augenblicke zurück muffen, wo
die Polizei es beßehlt, hattcn sie ohnedies von
preußischen Gerichten nichts zu fürchten. Jhre
Strafe war die Verbannung, uud diese ärgste
aller Strafen wird ihnen nicht erlaffcn. Das.
nennt das Ministerium Schwerin rine Awnestie.
Gxrade mit bersekben Consequenz sprach einst
das heilige Tribunal seiae Verzeihung deven
aus, di» eS dem weltliche» Richter überlieferte.
Wir vergleichen hier nicht die Thatsachen,
dgs versteht ßch von selbst, sondcrn nur ihre
Logik.

Pie Amnestie hat alle Deutschen, die auf
Preußen blickten, tief betrübt, und die Thron-
rede vom fünften Juni ist nicht geeignet, eine
beffere Stinuiiung wach zu rufe«.

Deutschland.

Karlsruhe, 8. Zuni. Setne Körrigliche Hoheit der
Großherzog haben Sich allergnädtgst bewogen gefunden,
den General der Cavaüerte v. Gayltng, Gouverneur der
BundeSfestung Rastatt, aus jetn upterth-nigstssS Ansuchen,
unter Bezeugung Höchstihrer besondern Anerkennung setner
währcnd etnundsechzig Jahren geletsteten treuen und auS-
gezeichneten Dtenste, und mit der Erlaudntß, die Uniform
der qcttven Grnerale auch fernerhin zu tragen. in den
Uuhestand zu verse^cy; serner durch etne wkitece Ordre
den Generallieutenant v. Seutter, Btce - Gouverneur der
Bundesfestung Rastatt, zum Gouverneur dieser Festung zu
ernennen. — Ferner dte großherzogliche GarnisonScommän-
dantschaft in der BundeSfestung Rastatt aufzuhebeu. Dte
dteser Steüe bisher zugekommcnen Befugntffe und Oblte-
gcnhciten werden an daS ContingentScommando daselbst
übertrasten, welchem für dtese Geschäftsführung etn Ver-
waltungSoffieier (Adjutant) unterstellt wird. um unter
Leitung» Aufsicht und Verantwortlichkeit des ContingentS-
cornmandantkn dte ganze GarnifonSverwaltung in der Eigen-
schUft etnes Refcrenten zu besorgen. — Schlteßltch durch
Allerhöchste Ordre vom 6. d. M. den Oberarzt Krumm
vom (l') Leib-Grenadterregiment zum RegimentSarzt zu
erneunen und zum (1.) Letb-Dragonerrcgtment, den Ober-
arzt vr. Detmltng vom 2. Znfanterteregtment zum (1.)
Leib-Grenadierregtment zu versetzen, den praktischen Arzt
Dr. H. Vögcle zum Oberarzt beim 5. Znfanterteregtmeut
und den prakttschcn Arzt Vr. P. de Corval zum Obcrarzt
betm 2. Znfanterteregtment zu ernennen.

Rartsruhe, 8. Zuni. Seine Kynigliche
Hoheü bkt Gr»ßherzvg reisen invrgen früh
von hiep -b und begeben Sich zunächst nach
Dvnaueschingcn, um von dort aus der feier-
iicheq Bcisetzüng der irdischen Ueberreste Jh-
rxr Dprchlaucht der verstorbenen Fürstin Eli-
sabeih Henrietie zu Füpstenberg in der fürst-

lichen Familiengrüft zu Neudmgeii beizuwoh-
ncn. (K. Z.)

Karlsruhe, 8. Juni. Zn der gestrigen
Sitzung der Generalspnode begründetc
Hcrr Stadipfarrer vr. Ziktel vou Heidel-
berg seinen Antrag auf Einführnng dcr Oef-
sentlichkcit bei den Verhandlungen, insoweit
dio beschränkten Znhörerräume der ersten Kam-
mer diesc zulaffen. Die hierüber gewählte
Commission wird erst kommenden Montag
ihren Bericht abstatten, da heute keine Sitzung
abgehalten wird. Es unlerliegt wohl keinem
Zwkifel mehr, daß Zittels Antrag zum Be-
schluß erhoben wird. — Zur Beguiachiung
dcs Entwurses der evangelischen Kircheaver-
fassung ist eine Commissiou niedergesetzk wor-
den, in welche außer andern mis nichi bekaun-
cen Mitgliedern auch oie Herren Kirchcnralh
vr. Schenkel und Stadtpfarrcr vr. Zittel er-
wählt wurden. (B. L.)

Aus Baden, 7. Zuni. Dem Bcrnehmen
nach soll mit einer Aendernng des ministeriel-
lcn Berichtcs die Durchführung des Collegial-
spstems für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten be-
schloffen sein. Es würde, statt des zeitweili-
gen Zusammeotritts vvn drei Richtern, eine
Anzahl von ständigen Coüegial-Gcrichtshöfen
erster Jnstanz errichlct. Hiermit würde cine
Aenderung des AppeüationswesenS mit Noth-
wendigkeü verknüpft sein.

Freiburg. 7. Juni. Gesteru Abend fand
die schon angczeigte Versammlung hiesiger
Bürger und Linwohncr im Kaufhaussaale
statt. Dieselbe war von über 400 Personen
bcsuchi. Bürgermeister Fauler begrüßte die
Versammlung i» kurzen Worten. Auf seinen
mit Acclamation angenommenen Vorschlag
übernahm dann Director Frick die Leitung
der Besprechung. Als Hauptredncr trat Prvf.
Knies auf. Zn eincm längeren mit Beifaü
aufgenommenen Vorlrag begründcte er das
bercits mitgetheilte Programm, wobci er hin-
sichtlich des Nationalvereins, außer der Ge-
meinsamkeit der Bcstrebuygen, bcsonderS auch
dcn Unlerschied hervorhob, indem man dadurch,
daß man ausdrücklich Preußen an die Spitze
gestellt wissen wolle, theüs bestimmtcr, dadurch
adcr, daß man sich auf die zwei Puncte der
militärischeu und diplomatischen Einheit bc-
schränke, theils gemäßigter qls das Programm
des Naüonalvereins se.i, endlich auch das Ver-
hältniß zu Oesterreich üi einem für dicses
günstigeren Sinne fasse. WaS die Bildung
elnes Vercins anbelangt, so wurde beschlvffen,
dast das Cviytte' über diesc Frage eigenS zu
berathen und darüber dann seiner Zeit Vvr-

Zil spät.

Eine dänische Eriminalgeschichte.

(Forifttzung).

Als der Pfarrer von Aalsöe von dem schwersten
Gange seineS LebmS nach Hause zurückkam, sand
er Metta ziemlich ruhig, und ebcn damit beschäs-
tigt, das Leichcnklcid für den Hingerichtetcn zurecht
zu machcn, dcnn cs war gestattet worden, daß er
in christlichcr Erde, jcdvch in allcr Siille, bcgraben
werben durfte. Sic weinte nicht mchr, aber sie
sprach auch kcin Wort. Äuch ber Pfarrer schwieg,
denn was hättc «r ihr sagen können? war er nicht
selbst »on den düstcrstcn Gcdanken gcquält?

Eine Stunde spätcr tam ki» Wagen mit dcr Leiche
des Enthauptetcn im Pfarrhofe zu Aalsöe an, und
kurz darauf sprengte cin junger Mann zu Pferdc
heran — es war der längst erwartete Sohn. Er
.«arf sich übcr den entseelten Körpcr dcs Vatcrs,
und dann in dic Arme der Schwestcr, aber keines
oon Beiden vermochte auch nur ein einziges Wort
hervorznbringen.

Noch an dkmselben Abende «urde ein Grab auf

dem Kirchhofe von Aalsöe, dicht vor dem Haupt-
cingangc in die Kirche, anfgeworfen; hicr wurdcn
in der stillen Mitternachtsstnnde die irdischen Ueber-
restc des vormaligcn Pfarrcrs von Weilbv bcige-
fttzt. Ein Sandstein mit einem darauf etngehauenen
Krcuzc bcdeckt das Grab, jeden Besucher der Kirche
an den ticfen Fall des Unglücktichen, an das Vcr-
derbniß der menschlichen Natur und an die cinzige
Erlösung von der Sünde dnrch EhristtKreuz mah-
nend.

Am folgenden Morgen waren bcide verwaiste
Gcschwister ganz und gar »erschwnndcn; Niemand
hat ftitdem das Gcringste von ihnen gchört, Nie-
mand wußte, in welchem Winkel der Erde sie fich
vvr dcn Auge» der Menschen verborgcn hielten.
Die Gcsundheit dcs Amtsvogts Erik Söfrcnftn
war seit der Vcrurtheilung des unglücklichcn Pfar-
rers zcrrüttet; »ft bat cr Gott um das Ende ftines
Daftjns, abcr cs wnrde ihm nicht beschecrt: noch
vtele Zahrc lang nagten Gram und Kummer an
ftinem Leben, ohn« daß er Erlösung von setnen
Leide» sinden konnte.

» . *

Einundzwanzig Zahre nach der Hinrichtung des

Pfarrers Söften Quist vvn Weilby geschah es, daß
im Pfarrhofe zu Aalsöe, «o der Pfarrer Aens »och
immcr im Amte stand, an cincm Sommsrnachmit-
tage ein Bettlcr erschien. Er «ar ein ältlicher Mann
mit schon in's Grauc sptelcnden Haaren und ging
an einer Krücke. Es traf sich cben, daß das sämmt-
liche Gesinde aus dcm Kelde beschäftigt war^ der
Pfarrer begab sich deshalb ftlbft in die Küche, um
ihm ein Stück Brvd zn rcichen.

Auf die Frage: „wohcr er fti?" gab der Fremde
mit cinem Seufzcr zur Antwvrt: „Nirgends her!"

Der Pfarrer fragte darauf nach ftinem Namen.
Da ftufzte er wiedcr, sah sich scheu um, ob thn ge-
wiß Niemand höre, und sagte leift: „Man hat
mich chedem Niels Bruns gmannt."

Bei dicftn Worten fuhr es dem Pfarrer kalt
durch dte Brust. „DaS ist ein mtsetzlicher Rame!"
sagte er; „so hicß auch Eincr, der »or ungefähr
zwanzig Zahrcn in dieftr Gcgend erschlagen wittde,"

Der BMer ftufzte n»ch tiefer und entgegnete:
„So gut ist cs mir nicht gcworden, daß ich damals
gestorben wäre; cs ift mir übel genug bekommen,
daß tch aus dem Lande geffohen bin."

Die Haar« standen dem geistlichen Herrn zu Bcrge,
 
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