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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Februar
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L8S1

Mittwoch, 27. Aebruar


Julius Fröbels Deutschland, Oester-
reich u«d Benedig.

Man mag eincr Parieistellung angehörcn,
wie man will, die socben erschienene Schrift
Fröbels wirv man nicht aus der Hand lege»,
vhne großes Jnteresse daran zu nehmen. Man
mnß anerkennen, daß hier ein genialer Mann
im vollsten Sinne des Wortes und zwar aus
seineui Tiefinnersten spricht. Eine solche
Sprache ist staatsmännisch; wäre ste seit 1849
in Deutschland geführt worden, so häiten wir
sicherlich nicht den jetzigen Wirrwarr der An-
sichten unb wäre eine Aussöhnung mit dem
wahrhast democratischen Princip crfolgt, zu
welchem Fröbel hente sich noch bekennt. Zm
ersten Abschnitt beleuchtet Fröbel den Vor-
schlag, Venctien solle von Oesterreich durch
Kauf abgetreten werden, nnb cntwickelt hiebei
sehr geistreich die Behauptung, daß dicser
Vorschlag nicht auf die Annahme, sonbern auf
die Ablehnnng berechnet war. Der zweite
Abschnilt handelt von dem militärischen Werth
Benetiens für Deutschlano und Oesterrcich und
stützt sich auf die bekannten Schristen von
Aresin, von ernem preußischen Officier, aus
das Urtheil des Marschaüs Niel und zwei
Aufsätze tn der Armp anb Navp Gazette vom
1. und 29. December 1860. Der britte Ab-
schnitt, welcher von ber Bedeutung Oesterreichs
handelt, weist nach, daß Deutschland das
entschiedenste nnd wichtigste Jntcreffe daran
hat, daß aus dem Raum, welchen Oesterreich
kinnimuit, ein mächtiger, blühender, ausgeklär-
ter, mit Deutschlanv in e-ngster Bundesgenos-
senschaft stehender Staat voryandcn sei. Hie-
ran schließt sich dcr viertc Abschnitt, welcher
nicht in der Vernichtung Oesterreichs, svndern
in defsen Entwicklung das Heil findet, und
hiebei folgende treffende Stellc enihält: ,,Geht
aus einer vollzogenen Staatsumwalzung eine
dauernde neue Ordnung hervor, so mag die
Erschülterung von heilsamen Folgen sein, ähn-
lich ben Wirkungen eines Gewilters, welches
Lie Erdc träiiki und bie Lust reinigt, oder
ähnlich dcn gilnstigen Nachwirkungen einer mit
glücklichcr Krisis übcrstandenen jirankheit. Zst
dagcgen eme solche Umwälzung nur die Er-
vftnung einer sorilausenden Reihe von Partei-
siegc» und Parteinicdcrlagkn, in denen eine
Versassung der anberli solgt und ein Spstem
das anbere ablöst, dann ist es leicht möglich,
vaß die Periode der Revoiution sür ein Land,
ja für eine ganzc Länbergruppe, nichts anbers
als der Ansang vom Enbe ist. Nicht nur
Zugend unv Alier der Znrivldueii, svndern auch

Jugenb und Alter der Skaaten haben Aehn-
lichkeit mit einander, und gar manche Erschei-
nung, welche von der Eitelkeit der Zeit als
der Anbruch eineS neuen Mvrgens begrüßt
wird, ist in Wahrhei't der Glanz des Abends,
auf welchcn cine dunkle Nacht folgt. Die
Geschichte zeigt uns abschreckende Beispiele,
wohin ein Zustand andauernder Revolution
und ber dadurch bewirkten Ausartung des
Parteiwesens sühren kann. Jm Kampf von
Staat gegen Staat, von Nation gegen Ration
stehen wir gegen den äußeren Feind geeinigt
da. Wir ordnen unsere persönlichen Wünsche
unb Anstchten dem Wohl des Ganzen unter,
des Ganzen, zu dem ja auch unsere pvlitischcu
Gegner gehören, Mit dem Beginne der Ne-
volution hört dieses Verhältniß auf, und gleich
den geharnischten Männcrn, die aus dcr Dra-
chcnsaat entsprangen, wiirgen wir uns unter
einander." Ein lehrreichcs Beispiel aus dem
spanischen Amerika, das Fröbel durch seinen
langen Aufenthalt daselbst griindlich kennen
gelernt hat, wird hier angesührr. Der fünfte
Abschnitt schildert die große Verschiedenheit
politischer Parteien von politischen Secten.
Der sechste und siebente Abschnitt gehi auf
vaS Nationalitätsprincip über. „Die Nation
reicht nirgendö weiter, als ihr Staat; dar-
über hinaus ist sie ein Wunsch, ein Gelüste,
aus welches sich keine Tcrritorialrechte gründeu
lassen." Nach dem ersten Abschniit ist Oe-
sterreichs Ausgabe positiv, das culturmäßige
Zusammenlkben der hier zusammeiigebrängien
Völkerbcstandtheilc zu vermiltcln, negaiiv,
die Abschlicßung Dcutschlanbs vom Mittel-
mcer zu verhindern und den Zusammenschluß
Frankreichs und Rußlands im L>üdosten Eu-
ropa's unmöglich zu machcn. Jm ncunten
Abschnitt wcrden als die bercchtigten und na-
türlichen Feinde Oesterreichs anerkannt: die
Ztaliener, die Franzosen und das revoluiio-
näre Slaventhum, unnatürliche Feinde sind
aber dicjenigen, die in Deutschland und Un-
garn bestchen. Das Magparenthum findet in
Oesterreich seinen Anker, bei einer allgcineinen
Umwälzung muß es dem Slaventhnm und
dahinier der russtschen Macht den Sicg über-
laffe». Und was die beutschen Feinde anbe-
langt, so ^ wcrden sie darauf aufmerksam ge-
macht, daß nach einer Zcrtrümmerung Ocster-
reichs der Zwiespalt zwischen Süd- und Nord-
deutschland sortbestchcn und mit den unglück-
seligsten Folgen enbigen wird. Der zehnte
und letzte Abschnitt schließt mit ber Warnung,
den Schlüffel ves venetianischen FestungsthorS
nicht aus der Hand zu geben. t.S. M.)

Deutschland.

Karlsruhe, 22. Febr. Der Entwurf
des Gewerbgesetzes, eine Arbeit des Herrn
Minlsterialrath Turban, hat nun d»e Presse
verlassen; es wird in drei bis vier Wochen
nvchmals eine Berathung seitens des Han-
delSMinisteriums unter Anwohnung der Bor-
stände der übrigen Ministerien statkssnden
und dann ber Entwurf in der genehmigten
Faffung in mehreren hundcrt iLremplaren zur
Kenntniß dcr früher zu Gutachten aufgefor-
derten Stellcn ic. gebracht nnb diese aufge-
fordert werden, ihre Ansichten über denselbkn
dem HandelSmlNlstcrium mitzutheslen.

Mannheim, 21. Febr, Es scheint, daß
der im Mai ausgeschricbene Handelstag in
Heidelberg sehr zahlreich bcsucht werden wird.
Darum fällt es auf, daß dic hiesige Han-
delskammer ihren Beitritt nvch nicht zugc-
sagt hat. Es wärc schade, wenn gerade die
hiesige Kaufmannschaft, die gebildetste und
tüchtigste in Baden, bei jcnern Handelstage
fehlen sollie, wo bie wichtigsten Fragen zur
Discussivn ausgesetzt sind. (Schw. M.)

K Aus Bade«, 24. Febr. Wenri es der
Nationalverein als eine seiner nächsten und
wichtigsten Aufgaben in Süddeutschland erkennt,
die daselbst unstreitig sehr weit verbreitete
Antipathie gegen den Gcdanken einer preußi-
schen Hegemvnie zu bekämpfen, s» mag er
wohl nicht wenig über die eigenthümliche
Art und Weise verwundert sein, wie man von
Preußen aus ihm in diescm BestrebeN zu Hülfr
kommt. Glaubt man denn in Berli» rtwa
crnstlich, sich die Spnipaihicen der badi'schen
Bcvölkerung zu erwerbe«, indem man dic zwei-
deutigen und kiimmerlichen Trophäcn des 1849r
Feivznges iinmer wi'eder neu ausputzt? Mußte
es schon das Achselzucken allcr Vernünstige«
hklvorrufen, wenn man vor zwei Jahren um
die Zeit, da die Schlachtfelder von Magenta
und Solferino das Blut vicler tausend Oester-
reicher tranken, in Berlin ganz ernsthaft die
10jährige Gedenkfeier der „Schlacht" bei Kup-
penheim beging, wie svllen wir es aufnehmen,
wenn wir jetzt, wo man um unsere Sympa-
thieen sür Preußen wirbt, jetzt, nachdem iii
Baden bereits die zweite Amnestie, d. h. Ver-
gessenheit ber Vorgänge von 1849 von
ber L>eite verkündct ist, die am schmerzlichsten
durch sie berührt wurde, von jener nämlichen
Großmacht Preußen in so schroff verletzender
Weise an jene Tage unseres Unglückes, «n-
serer tiefen Demüthlgung crinnert werden, in-
dem ste rie Fahnen^der Rcgimenter, die ste

Das große Faß gu Hcidclberg.

Historrsche Novelle von Wilh. Jungniann.

(Fortsetzung.)

Hier zögerte Zulietta mit der Antwort. Jhre
Wangen «urdin bleich, thr Körper bcgann zu zit-
tern; heißc Thräncn stürzten aus ihren Augen und
die Hand der Marquisc fahren laffcnd, sank sie
auf die Knie nieder, erhob die gcfaltcnen Hände
zum Himmcl empor und sagte mit ticfbewcgter
StiiNme:

„Za! ich habe etne AhiRmg, daß ich jemand An-
derem angehöre, als diesen vcrworfenen Mcnschen,
die Schandthat auf Schandthat häufen. Ja! ich
habe eine Ahnung, daß meine Eltern noch am Le-
bcn sind. Ader «o und wic soll ich sic auffinden?
Allbarmherziger Vater im Himmcl! Schenke mir
diese Gnade, führe mich in dic Arme meincr theucrcn
Eltern zurück, und mit dem aufrichtigsten Eifer, mit
dcr unbegrcnztesten Liebe will tch Dir und Jhnen
mein ganzcs Dastin weihcn!"

Heiße Thränen «aren auch den Augen Lconti-
nens entqnollen, salift hatte sie sich auf das wci-
nende Mädchcn hinahgebeugt, sie zu erhcben; dann

aber sprach sic tief crgriffcn: *

„Verzweifle nicht mein theueres Kind. Die Liebe
des Allbarmherzigcn ist groß und er verläßt keinen,
der sich vertrauenSvoll an ihn wcndet. Trägst Du
denn gar kein Zeichcn bei Dir, woran Dich Deine
Eltern wieder crkcnnen könnten? Viellcicht gelingt
es Dir dadurch, wieder in die Armc Dciner Eltern
zurückzukehren?"

„Ncin, ich habe Keines!" Allcs «as ich jrtzt be-
sitze und an mir tragc, verdanke ich der Gütc mciner
surchlauchtigsten Gebieterin, die der gütige Vater
im Himmcl reichlich stgnen möge. WaS ich außer
oiestm, noch an mir trage, ist ein Talisman, dcn
mir dic Frau, die mich crzogen, crst vor Kurzem
cingehändigt hat, mit der feicrlichen Versichcrung,
daß er mir cinst noch großes Glück bringcn werde.
Es ist cin einfachcs Haarkettchen mit einem gvl-
denen Schloß!"

Wenn die Posaune des ewigen W'eltgerichts Leon-
tincn in's Ohr geraunt hätte: „Gehe ein zum cwi-
ge« Fricdcn, denn Dcin ist daS Himmelrcich", cS
hätte sie nicht ticfer erschüttern können, dcnn mit
dcm Ausrufc: „zeige mir diesen Lalismann!" sank
sie dem Mädchen in die Arme.

Tief vcrborgen unter der »eidischen Hüll«, die
des MädchenS zarten Bnsen bcdeckte, zog jetzt Iu-
lictta ein dünnes Haarkettchen hervor, dcren feines
Schlößchen die bciden Buchstabcn 6. v. 6 enthiclt,
und reichte cs der Marquist hin. Kaum hatte diest
einen Blick darauf gewvrfen, so sank sic auchschon
mit dem Ausrufe: „Gerechtcr Gott! es ist meine
Aurclie!" bewußtlos auf den Seffcl zurück.

Faft gleichzeitig mit dcm Arzte waren auch der
Pfalzgraf und der Marquis in das Gemach der
Kürstin gctretcn und wenigc Augenbiicke genügteN,
die in tiefe Ohnmacht Hingesunkene «ieder zum
Bewußtstin zurückzuführen. Kaum hatte dieselbe
aber dic Augen wiedcr geöffnet, da blickte sie for-
schcnd im Gcmachc umher, als sie aber nun den
Gcgenstand gefunden, den sie suchte, da brcitete sie
wie bittend die Arme aus und ricf auf's Neuc:

„Ja, cs ist meine Aurclic! Komm' her, gckiebteS
Kind, in mcine Arme, damit ich Dich an daS Mut-
tcrherz drückcn kann, das Dich so viele^ viele Jahre
so schmerzlich hat entbehren müffen! Gerechtcr, all-
barmherzigcr Vater im Himmcl! Laß mtch nun
auch mcincn verlorcn gegangenen Robert wieder
finden, dann «erden alle meine Schmerzcn mid
 
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