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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Mai
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Zr LLO


Gpimtqg, LS Mai


L8S1

Deutschlaqd

Karlsruhe, 8. Mai. Der Prästdent des
gr. Staatsmlnisterlums , Geh.-Rath S t a b e I
Ercellenz, hat bereits gestern seinen Dienst
als Justizminister wicder übernvmmcn. Wir
hören, daß derselbe schon währcnd der leht-
vergangencn 14 Tage, und zwär noch che seine
lcidende Gesundheit wieder völlig hergestellt
war, niit dcr Ausarbeitung verschiedener Ge-
setzesvorlagen bcschäftigt gewesen, und daß
namcntlich der Gesetzentwurf über die neuc
Gcrichksorganisatlon schon Ende vöriger Woche
zum Drucke befördert worden sci. Allem Ver-
muthcn nach dürsten für diese Periode bic
Landstände ziemlich früh einberufen werdcn.

(B. L.)

K-rrlsruhe, 10. Mai. Dem Attache bei
der Gcsandtschaft zu Bcrlin, Gustav Boh-
len-Hallbach wurde der Titel eines Lega-
tionsseerrtärS (nicht Legationsrath) verlichen.

Aus Bahen, 8. Mai. Die Bad. L. Z.
gibt, an die Errichtung des Listdenkmals in
Neutllngcn erinnernd, Anregung zu Errich-
tung eines Denkmals für Fr. Nebenius in
Karlsrnhe, dem Baden so viel zu danken
habe. Vom ihm sei die badische VerfassungS-
urkunde entworfen worden, er habc die Grund-
zügc dcs Zollvcreins gegeben, das PolKtcch-
nlkuui, den Mannheimer Hafcn, das badische
Maß- und Gewichtsystem begründet, an der
Anlegung der Staatselsenbahn Antheil gehabt,
für Ünterricht nnd Gewerbfleiß gcwirkt, im
Minlstcrrath, wie in den Ständesälen die
Reaktion, wie die Ueberstürzung bekämpft;
er glänzc überdieß als staatswirthschaftlicher
Schriftstefler in erster Rcihe.

Aus Baden, 1t. Mai. Die Karlsr. Ztg.
hat von heute an die Einrichkung getroffen,
daß die ihr von großh. Regierung zugehenden
Mittheilungeii unker der Ueberschrift „Am t-
licher Theil" von dem übrigen Jnhalt dcr
Zeitüng getrennt wird.

^ Baden, 8. Mai. Bei der heute dahier
stattgehabten Wahl eincs wcstlichen Abgevrd-
iieten zur Generalsynode trat im ersten Scru-
tinium Stimmeiigleichheit cin; Herr Geh. Rath
Stößer und Kirchenrath Hnndeshagen erhiel-
te» glcichviel (nämlich 23) Stimmen. Bei
ber zweiten Wahl fielen jedoch von letztcrem
einige ab — und Herr Stößer flegte mit 25
gegen 21 Stimmem Als Ersatzmann wurdc
Hr. Hofgerichtsrath Dr. Puchclt mit 26 Stim-
men gewählt.

Berlin, 6. Mai. Bei den Verhandlun-
gen des Herrenhauses über dic Grundsteuer-

vorlagen »erdient hervorgehoben zu werden,
dqß gerade die eigentlschen „kleinen Herren"
bei ihren früheren Voten in der Sache ver-
harrten, und der Sieg über fle fast lediglich
der Aristokratie der Geburt und der Zntelli-
genz, dem hohen Adel und den bürgerlichen
Mitglicdern des Hauses zu verdanken i'st.
Eine bedeutendc Zahl von ehemaligen reichs-
unmiltelbaren Fürften und Grafen, die sonst
nie im Herrenhause erschiencn waren und
dadurch dasselhe ehen zum Tummelplatz der
kleinen Hcrren hatten werden laffen, Iieh in
dem vorliegenden Falle der Grundsteuerfrage
der RegierUng ihre Stimme. So war denn
auch die Zahl der Abstimmenden, welche ge-
wöhnlich zwischen 60—80 schwankt, auf200
gestiegen.

Berlin, 6. Mai, Aus einer Quelle, die
sich als zuverläsflg bewährt hat, erfahre ich
soeben, daß die Üngarn den Reichsrakh in Wien
beschicken werden, freilich unter Wahrung ih-
rer Sonderrechte. Es wäre abcr damit schon
ungeheuer viel gewonnen. Die Nachricht tritt
zu bestimmt auf, als daß ich fle zurückhalten
sollte. (A. Z.)

Berlin, 7. Mai. Zm Herrenhause wur-
den heute die Verhandlungen über die Grund-
steuergesetzcsentwürfe geschloffen. Jn nament-
licher Abstimmung erfvlgt auch jetzt die An-
nahnre dev Gesetze, und zwar mil 110 gegem
81 Stimmen. Am Ministertische groß« Zu-
friedenheit. So wäre die so viele Jahre lang
hingczogene Angelegenhkit denn endlich erlcdigt I

Berlin, 8. Mai. Wie wir erfahrcn, ist
es gelungen, den Polizeioberst Patzke am 7.
d. M. in Istad zu verhaften. Der Trans-
port deffelben nach Berlin ift bereits einge-
leitet. (Pr. Z.)

Berlin, 8. Mai. Die Partcinahme der
englischen Preffe für das Regiment in Kvpen-
hagen ist sehr leicht zu crklären, da die Dä-
nen, wie schon in früheren Jahren, sv auch
jetzt gut besoldete Agcnten in London haben,
welche die englischen Zeitungen mit Artikeln
versehen, ohne daß diese vielleichk selbst dic
Skellung des Mitarbeiters kennen. Ein mit
dresen Verhältniffen vertrauter Mann schätzt
dieverwendeteSummejährlichauf80,000Thlr.,
und die Dänen machen gar kein Hchl daraus,
daß kie Gelder aus der Ablösung des Sund-
zolls ihncn vollauf Mittel für viese Zwecke
varbieten.

Wie das „Pr. Volksbl." mcldet, wird dic
Reise dcs Königs u»d der Königin nach Kö-
nigsberg zur Huldigung nicht stattfinden, da

das Minlsterium die dazu crsorderlichen Geld-
mittel nicht qyzuwei'sen in Ycr Lage (ft,

Berlin, 8, Mai. Das Abgeorhneteuhaus
hat das Gewerbgesetz mit 162 gegen 1W,
angenommeu,

Berliu, 8. Mai. Der verbrecherische
Polizeioberst wird schon morgen iy uusern
CrimtnalgefSnguiffen erwartet, Zur Flucht
Hat er stch eines nach Dänemark viftrten
Paffes bedient, den ihm Polizeihauptniann
Greiff verschaffte. Derselbe wird biesc abge-
drungene Gefäüigkeit schwer büßen und ist
einstweilen verhaflet worven. Auch wsrd Hr.
v. Zedlitz ciner sehr xcinlichen Uutersuchung
kaurn enkgehen können, dafür, daß er, wie der amt-
liche Stcckbrief ausdrücklich bemerkt, Patzks stm4,
d., unmittclbar nach seiner exstcn Pernehmung
vor dem Criminalrichter, „auf zwei Tage"
„bcurlaubte, Zcdlitz war von der wider den
Polizcioberst eingeleitcten Criminaluntepsuchung
amllich unterrichtct und somit vcrpflichtkt,
dcnselben auf bas strengste zu überwachen.
Die „Beurlaubung" auf zwei Tage erregt
ben Verbacht, baß man mit der Begnnstigung
zur Flucht jede weitere Vernehmung Patzke's,
welchc jedenfalls auch noch andcre hochgestellte
Personcn zu compromittiren gcejgnet ist, zu
verhinbcrn suchte. Läge sonst nichts weitcr
gegen Hrn. v. Zedlitz vor, so ist dieser csne
Mißbrauch seiner Amtsgewalt schou gkflügend,
seine Entlaffung zu rechtfertigey,

Nach Berliner Briefen herrscht in der prem
ßischen Hauptstadt eine Stimmflflg, die zu
schilbern schwcr ist. Ob bie Patzke'schen Be-
trügereien an sich cinc höhere Bedcmung be-
sitzen oder nicht, bleibt gieichgültig; genug,
der Vorfall ist zum wirklich zündey.dcu Fun-
ken gcworbcn. Graf Schwcrin bslbete sich eiü,
die Pietät gegen den vorigen Koflsg, verbictc
das Preisgeben eines Patzke unb ßiver Ge-
noffen; die Rückflchten auf dcn jetzigefl Fstr-
stcn und das Anschcn des Beamtcnihflms lic-
ßen solches nichl zu. Nachdem iflgn aber in
dieser Art, — in der unklugsten Weise Pvn
der Welt — das Königthum selbst in die
Sache hineingczogcn, drängey die yeuen Eflt-
hnüungen und führc» zum voüen Offenkyndig-
werden der durch die Versuche und Anstren-
gungen behuss eines Vertuschens nufl crst recht
greü gewordenen Scandale. Eine grüydliche
Veränderung in Preußen, gegen die mafl flch
dort in gewiffen maßgebcndefl Kreisey, na-
mentlich bei Hofe, so sehr sträflbt, scheiyt un-
abwendbar geworden. Nicht hlos dke Herren
Patzke und von Zedlitz haben flch ynmöglich
gcmacht; wir sehen nicht ein, ww flch der

Kie Helrathscandidatrn.

Novelle von Wilhelm Jungmann.

(Fortsctzung).

Mit allen möglichen Gründen suchte Helene der
Freundin zu beweisen, wie es viel klüger sei, diesen
Brief zu vcrbrennen und zu thun, als wenn man
ihn gar nicht erhaltcn hättc; dcnn gcradc durch das
Bekanntwcrdcn dcs. Jnhalts «ürde ja vielleicht die
Absicht des Schreibers crrcicht, sic und die' bciden
jungen Männer lächerlich zu inachcn; allein Ma-
thilde wollte davon durchaus nichts hörcn, und in
ihrem Zorn rief sic ein über das anderc Mal aus:
„Was liegt mir daran; wcr wciß, wer den Brief
vorher schon gclcsen hat, chc ich ihn bekommen habe!
Hat er ihn ader wirklich gcschricben, dann soll er
auch erfahren, daß ich von ihm nichts «iffcn will/
und daß es von ihm nicht schön ist, stincn Freund
zu verlcumden, um sich stlbst dadurch in ein befferes
Licht zu stellen. UebrigenS wiil ich ja vou Bei-
den nichts wiffen!"

Jn dcrstlben Aufregung, wie stc gekommcn, «ar
Mathildc auch wicdcr von dannen geeilt, und ehc
eine halbe Stunde vergangm, lag der Briefin Heim-

berg's Händen, der nicht wenig erstaunte, fich vvu
seinem Freunde auf solche Weist hintcrgangen zn
sthm. DaS konntc und durstc er nicht dabei laffen.
Ein Sprung vom Tisch, auf bem er ebcn arbeitete,
brachte ihn auf die Beinc. Ein Griff nach dcm
Haken, an «clchem scin Rock hing, gcnügte, den-
stlbm ebm so schncll auf dm Leib zu bringm; der
Hut, stets bcreit, stincm Herrn allcrwärtS hin zu
folgm, saß wie der Blitz aus seinem Kopf, und in
rastnder Eile ging's nun hin, geradcn Wegs auf
Micklcr's Werkstatt zu, der stch nicht wenig wun-
derte, scinen Freund und Nebenbuhler mit solchem
llngcstüm bci sich eintrctcn zn sehcn.

Dcr Zufall war günstig. Nicmand befand sich ifl
der Werkstatt als Tobias. Sein Vater, ein schon
bejahrter, sthr genauer Mann, der besonderS darauf
sah, daß für dcn Lohn, den er stincn Leuten zahltc,
auch etwas gearbeitet wurde, mochte cS nun ein
frcmder Gescllc oder ftin eigncr Sohn stin, war
cben mit dcm,Lchrjflngm ausgcgangm, um ein Ge-
schäst außer dem Haust zu besorgm, ufld es bedurfte
dahcr für Heinrberg keines weitern Umschweifs, so-
gleich mit dcr Ursache seineS ErscheinenS heranszu-
rückm, und zitternd vor Zorn begqnn er als«:

„Tobias! Du hast also wirkltch yyi Mathilde
Müllcr angehaltm, ohne mir vorhcr ein Wvrt da-
von zu sagen?"

„Jch? ich glaube Du träumst! Noch ist mir daS
nicht eingcfallcn!"

„WaS? Du willst zioch leugne«, wo ich die deut-
lichstm Bewcise davon in Händm häbe? Das geht
dcnn doch über allc Begriffc!"

„Was ift da zu leugnen? Was kannst Dy für
Bcweist in Händen haben? FxciliH, ist es wqhr,
daß ich Mathilde schon längst sthe stern habe, und
daß ich mir kcin größeres Glück defltcn könflte, als
sie einst zur Frau zu bekoMiflM. Hsflfl ich haher
wirklich uin sie angehalten hsttte, waruy; brauchtk
ich eS zy leugneu? Wm ginge d.as etwas an?"

„Aüerdings Nicmand anders, ufld,sych mich würde
es nichts angehtn, obgleich ich das Msthchen viel-
leicht cben so gern habc wie Dy, und e.ben so gflt
das Rccht gehabt hätte, um sie anzuhalten, wie
jcdcr anderc; — wenn man abxr so niede.r.trstchtjg
ist, sich auf Kostcn Anderrr ;u exheben, weiin ma»
sich nichk scheut, «iflen sesner besteu Frennde auf das
schandlichste zu verleumden, um dadurch um so schnel-
ler zum Ziele zu gelangm, daun hahe aflchlch wohl
 
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