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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Februar
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eidtlbtrger Ieilmig.

N 37

Srscheint, Montags ausgenommen, täalich.
Preis vierteljäbrlich 54 kr.

Mittwoch, 13. Kebruar L8SL.

C Deutschlands äußcre Lage

Um Deutschlands äußere Laqe beurtheilen
zu können, müffen wir natürlich k>as Verhält-
niß der velschledenen Mächte zu dem-
selben uns klar;u machen suchen. Beginneu
wir mit England.

Wenn wir auf das jüngste Gebahren der
englischen Preffe eincn Blick werien, so könnte
es scheinen, als ob England uns so scindlich
als je wäre. Denn nicht nur hat sie uns
wegen der bekannten Borgänge in Köln, son-
dern auch wegen unserer Haltung gegenüber
von Dänemark aus das allergehasstgstc ange-
griffen. Hatle sie wcgen jener unserc Zustänve
als durch und durch barbarisch oargestellt, so
versticg sie sich aus Anlaß dieser sogar soweik,
uns als die einzigen und eigentiichen Stören-
frieoe der Welt zu bezeichlien und Leutschland
eines Ehrgcizes zu beschuldigcn, welchem gc-
genüder aiie Hintergedanken und Gelüste Arank-
reichs ziemiich unschuldig und ungefährlich
seien. Sonderbar! Nachdem man uns bis-
her immer verspottet, daß wir nur zu reden,
aber nicht zu handeln verstündcn; daß selbst
eine so langjährige Untcrdrückung veffen, was
wir unser gutes Recht ncnnten, nicht im Stanve
sei, uns zii einer gemeinsamen nationalen Ac-
tion zu bringen, so fällt nian jetzt von der-
selbcn Seitc auf das allerhcftigste deshalb
über uns her, weil es endiich einmal ben An-
schein hat, daß wir wirklich dem dänischen
Uebermuthe cnkgegcntreten wvllen. Freilich
wlffen wir ja längst, baß vie Engländer in
auswärtigen Diagen meistens sehr einseitig
und beschrSnkt sind, daß sie sich sclten auf
einen allgcmeinen Standpunkt crheben können
und, weit entfernt, auch nur einigerinaßen in
einem unparteiischen Urtheile das Recht ab-
znwägen und zu würvigen, lediglich Allcs nur
durch die trnbe Brille ihrer eigenen unmiitel-
barcn Jntcressen betrachten. Und so kam
cs denn auch, daß kaum Eine Stiinme in bie-
ser Angelegenheit stch im Siune der Gercch-
tigkeit und Wahrhcit hat vcrnehmen laffen.
Doch zum Glück habcn wir das feindselige
Gebahren der englischen Preffe weniger hoch
anzuschlagen, als man viellcicht da oder dort
glauben möchte. Dcnn einmal ist überhaupt
in äußeren Dingen die englische Prcffe von
weit gcringercr Bcdcutung als in innercn
Frage»; dann aber dürfen wir hoffen, daß,
sollte cs sich so recht eigentlich um die Kapi-
talfragen der ^esammtcn gegenwärtigen Poli-
tik, v. h. nin eine noch weitere Ausbreitung
der französischen Macht handeln, dann gewiß

auch gegenüber von Deutschland in den cng-
lischen Zeitungen eine ganz anderc Sprache
zu vernchmen sein würdc. Die englischc Presse
muß so güt wic die englischen Staatsmänner
einsehen, daß nur durch Deutschland ncuen
Gebietserweiterungen und Ausschreituugen
Frankreichs ein Damm entgegengesetzt werden
könne; daß nur Deutschland es sei, welches
die Störung bcr bcstehenden Gleichgcwichts-
verhältniffe zu hindcrn vermöge. Daß aber
die englischen Staatsmänner nicht nnr diese
Einsicht, sviidern auch den bestimmten Willen
haben, vereint mit Deutschland jedem weite-
ren Umsichgreifcn Frankreichs den cntschieden-
sten Widerstand zu leistcn, diescr Umstand ist
cs denn auch, der das gegenwärtigc Verhält-
niß zwischcn Deutschland und England zu ei-
ne^l wcit frcundschaftlichercn gestaltet, als es
die Aufwallungen der englischen Preffe ver-
muthen laffen könnten. Dies Alles würde
besonders bei eincm Angriff auf den Rhein
ersichtlich werden. Denn an dem Rhcin hat
England sowoyl für das europäische Gleich-
gewicht, als auch spcciell für die eigcne Si-
cherheit zu kämpfen.

Gehcn wir nun zu dem Verhältniß über,
in dem Dcutschland zu Rußland steht, so
läßt sich nichk läugnen, daß sich diese Macht zur
Stunde offenbar weit freuudlicher gegen uns
stelle, als zur Zeit bes letztcn italienischen
Krieges, w» die russische Politik minbestens
als eine etwas zweidcutige erschien, wo un-
.ser Rücken bei eiucm etwaigen Vorgchen gegen
Frankreich nichts weniger als völlig gesichcrk
war. Jctzt dagegen ist es ben russischen
Staatsinännern klar, daß man nur uiit verein-
tcr Krafk einer weitcrn Ausbeuiung des sog.
Nanönalitäts Princips entgegcntreten könne.
Zctzt steht auch Rußlanv dic Nothwendigkcit
cin, die französische Präponveranz nicht eine
noch größere werden zu laffen. Daß aber
sowohl bcr Natiönalitätsschwindel nicht noch
mehr um sich greife, als auch die Macht
Frankreichs gegen den Rhein hin stch nicht
vergrößere, das zu verhindern hat Rußland
cin unmittelbares und cin mittelbares Znte-
reffe. Es kan» so wenig zugeben, baß im
Namen jenes vagen und nebelhaften Princips
Polen.insurgirt werde, als daß durch den Be-
sitz des Rheins bie Suprematic Frankreichs,
die jctzt eigentlich doch nur auf der unent-
schlossenen und nachgiebigen Politik der an-
dern Mächte beruht und so immer etwas
Prekäres an stch hat, eine reelle und
baucrnhe Grundlage erhalte. Diese Fra-
gen sind so wichtig für Rußland, daß ste so-

gar der orientalischen den Vorrang laffen müs-
sen. Denn nehmen wir an, daß Frankreich
wirklich scine Zwecke erreicht habc, wäre eS
dann nicht mächtig genug, nm auch auf die
orientalischen Verhältniffc noch weit mchr alS
jetzt einen bestimmcnden und entscheidenden
Einfluß auszuüben und sic vielleichk vollstän-
dig in seinem Sinn zu vrdnen? Alle diese
Erwägungenhaden drnn auch Rußland Deutsch-
land, d. h. Oestrrreich und Preußen wieder
genähert. Und bedenken wir, daß es nicht
für Holland und Bclgien, svndern auch für
die «chweiz eiii wahrhaft vitales Jntereffe
ist, den Rhcin nicht in französische Hänve
kommen zu sehen, dann ist auch diesrn kleine-
rcn Staaten ihre Stellung zu Deutschland
klar gcNug vorgezeichnet unb wir hätten so,
wie es scheint, cine gewaltige Eruppe von
Staaten vor uns, die gegen eine gewiffe
Eventualität alle im Grunde durch daffelbe
Znlercffe der Unabhängigkeit und Sicherheit
jusammengehalten unb zu gemeinschaftlicher
Abwehr bereil sein müffcn.

Dieser Gedanke mag es denn auch sein,
welcher, verbunben mit dcm BewußZein von
ber Frievensliebe, wenigstens des inrrlligente-
ren ThcilS ver französischen Bevölkerung, ge-
genwärtig das französische Oberhaupt in sei-
ncr Thronrede, die freilich auch jctzt wieder
allerlei Zweibeutigkeite» und Beunruhigun-
gen enthalten mag, eine relativ friedliche
Sprache führen läßt. Dcnn natürlich hat
Frankrcich scinc Plane aus den Rhein so we-
nig aufgegebcn, als Piemont die seinigcn auf
Vcnetien. Es ist eben da wie dort die alte
Fabel von dem Fuchs und den Trauben. Der
Auchs möchte ste gar wohl, wcnn er auch noch
so sehr das Gegentheil sagt; aber sie hängcn
ihm eben immer noch zu hoch.

Faffen wir nun AUes zusammen, so haben
wir wohl schwcrlich Unrecht, wenn wir be-
haupten, daß unsere Lage nach Außen jetzt
nur ungleich beffer als zur Zeit des letzten
Kriegcs sei. Sorgen wir nun dafür, daß es
aiich die innere ebenso werde!

Deutschlan-

Kartsruhe, 10, Febroar. Seine Königliche Hohekt
dcr Großhcrzog habcn ualcrm 7. d. M gnädigst ge-
rnht, dcn Ministertairath Schmitt im Mintstertnm deS
Znnern. nntcr Betaffung tn diescr Stellung, mtt dcm
Dircclortum dcr großh. SanitälScommtsfion z» bcanstragen.

Karlsruhe, tü. Febrnar. Hcute tst etne allcrhöchste
Ordre crschtcnen, laut wclchcr dte dnrch a. h. Bcfchl vom
10. 3°n. ». I. anf dte D-ncr cincS 3-hr-S znr Dtcnst-
letstnng als Ordonaanzofficterc Sr. Köntgl. Hohctt d-S
Großherzogs bcfehltglen Hanptmann v. Hardcnberg

Das große Faß gu Heidelberg.

Historischc Novelle von Wilh. Zungmann.

(Fortsctzung.)

Wcr beschrcibt dcn Schmerz und den Schrccken,
den diese Trauerlunde in den Herzen dieser edlen,
guten Menschcn hcrvorbrachte? Nichts hielt sie
zurnck, auf dcr Stclle nach Heidclberg zu cilen,
alles Mögliche zur Rcttung ihrcs Licblings aufzu-
bietcn. Ja, nicht einmal die Kunde, daß Gerhard
wegcn eincm fremden Mufikantenmädchen mit Felir
in Streit gerathcn und dcn Mord aus Eifcrsucht
bcgangcn habe, konnte Lcnchen abhalten, das Aeu-
ßerste für ihn zu wagen, obgleich sie nun annehmcn
mußte, daß, w-nn er auch gerettet «crde, er dcn-
nvch für sie und ihrc Ltebe vcrloren sei.

So sehr Lenchcn auch trieb, um so schncll als
möglich an den Ort zu gelangcn, wo der von ihr
Noch immer unauösprechlich gclicbte, thcuerc Freund
nunmehr hintcr Schloß und Ricgel verwahrt wurde,
so wollte es ihr dennoch nicht gelingen, ihrcn so
heiß gcnährten Wunsch auf dcr Stellc zu bcfrie-
digcn, dcnn Mcistcr Werncr hatte noch Manches
zu okdncn und zu besorgen, «as hier Noth that

und drüben in Heidelberg dem Angcklagtcn nützlich
sein konnte, so daß cs bereits Mittag des andercn
Tagcs gcworden, ehc sie den Ort ihrer Bcstimmung
zu erreichen im Stande «aren.

Ja, sie hatten ihn crreicht und zwar nicht nur
Mcistcr Werner und Lenchcn, sondern auch sogar
Frau Gertrude hatte sich dcm Zuge angeschloffcn,
um dcm jungcn Mannc Trost und Hülfe zu brin-
gen. Hier aber nun angekommcn, war cs thre crfte
Sorge, hinauf in das Schloß zum Pfalzgrafcn zu
eilen und dort den gütigcn Fürsten um Rettung
und Hülfe für ihren Liebling anzuflehcn. Nrcht
achteten sie der Meffe und ihres bunten Treibens,
nicht achtetcn sic des herrlichen Berges, auf welchem
das Schloß dcs Fürsten in imponirendcr Majestät
thronte, denn nur ein Gedanke, dcr Gcdanke an
den armen Gerhard und seinc bcjammernswcrthe
Lage füllte ihre ganze Scele und ließ keinen an-
dern Gedanken gegen dcnselben aufkommen.

Kaum im Schloffe angelangt und dort gemetdet,
wurdcn auch soglcich alle Drei tn das Cabinet des
Fürstcn geführt und von demsclben auf das Lcut-
seligstc cmpfangcn; ehe cr es abcr verhindcrn konnte,
hatte sich Lenchcn ihm zu Füßcn geworfen, seinc

Knie umfaßt und thn um Gnade und Erbarmcn
angesteht.

Tief gerührt von dem unendlichen Schmcrze des
schönen MädchenS, war es dcs gütigen Fürsicn erste
Sorgc, sie vom Bodcn zu erheöen und nach einem
Sitze hinzugeleiten, dann aber sprach er mit be-
wcgter Stimmc:

„Glaubt es sicher, Ahr liebcn Leute, daß ich eben
so innigcn Antheil an dem Schicksaic dcs jungen
Hannes nchme, als Jhr sclbst, denn auch ich habc
ihn achten und schätzen gclernt, allein dennoch ist
es mir nicht erlqnbt, cigeninächtlg tn den Gang
dcs Proceffes, dcn man so eben gcgen ihn anhän-
gig gemacht, cinzugrerfen. Doch kann ich Euch jetzt
schon versichern, daß sich die Sache vielleicht ganz
anderS gestaltct, als wir Alle im Anfang geglanbt
habcn. Freilich bchauptet dcr Verwundete nach «ie
vor, daß cr vvn Gcrhard angegriffen und gcstochcn
wordcn sei, allcin es ist nun erwiescn, daß Gerhard
gestcrn Abend gar kein Mcffer bci sich gehabt und
daß das dolchartige Mcffer, womit die Berwundung
stLttgefundcn,EigcnthumdcsVerwundetenist.Drcses
ift cin sehr «escntlicher Umstand. Gebe Gott, daß
sich derselbe anfklärt, chc der Verwundete von hin-
 
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