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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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4


M; L3.


Mittwoch, L6 Zanuar



*Zur Bertheidigungsfrage Süd-
deutschtanos.

Die drohende Lage Europa's/ die Nngewiß-
heit, ob nicht mit der Frühlinqssonnc der
Kriegsgott di'e Waffcn schwingt, beschästigt
im gcgenwärtigen Augkiiblick die Geinüther nur
aüzusehr. Jn unserem deutschen Vatcrlande
treten übcrall Bestrebungen an den Tag, daß
uns der Feind gecinigt und gerüstct finve —
aüein hinfichtlich der Befefiigung unserer Süv-
gränze vernimmt man militärischer Seils gar
nrchts, »nd es scheint beinahe, daß ein fran-
zösischcs Kriegsgeschrei, welches unter dcm
Ministerium Thiers 1840 die endliche Bese-
stigung Rastatts veraulaßte, wieder ertönen
muß, um eine von den bedeutendsten Stra-
tegeii als nothweiidig erkannte Schuhmauer
gcgen dcn äußern Feinv auszuführen. Wie
meinen die Errichtung eines verschanzten La-
grrs am Oberrhein. Der Schw. M. enthält
darüber einen bemcrkensiverthen Aussatz, aus
dem wir Nachstchenbes hervorheben:

Seit mehr als 40 Zahren hat man in al-
lcn Militärzeitungen unv in besonderen Bro-
schüre» darauf hingcwiescn, wie ganz uner-
läßlich zum Schutze SüddeutschlandS die Er-
richtung eines verschanzten Lagers am Ober-
rhcin sei. Gleichwohl hat weder dcr Bund,
noch haben die znnächst dabei bctheiligten
Staaten, noch die Volksrepräsentanten irgend
eiiien thätlichen Schritt in dieser sache ge-
thaü, wenn auch manches darüber hin pnd
her geschrieben wordcn sein mag, was unter
ähnlichen Acten modcrt. Man hat sich bisher
immer noch mit der gleichwohl stets problc-
matischen Neutralität der Schweiz beruhigt.
Zetzt aber wird wohl kein vernüiiftiger Mensch
mehr diese als cine Garantic für vie sichc-
rung Deutschlands in diefer Richtung bezeich-
nen woUen. Es ist vielmehr klar, vaß das
»eucste Verhältniß Frankreichs zur schweiz
für jencs nur um so mehr eine Aufforderung
sein wird, iudem es auf der einen Seite über
Genf in die sranzöstschen Kantone mit Ver-
letzung der Neutralitäi einbricht, zuglcich auch
vom Norven her einzudringen und die Schweiz
von Dcutschlanv abzuschneiden. Die nächfte
französtsche Festung Bofort ist nur wenige
Stunveii von der Schweizer Grenze entsernt.
Eine Ansammlung von 50—60,000 Mann
kann dort ohne Lärm geschehen. Diese kün-
nen, vieUcicht mit andern von Straßburg hcr
detajchirten Truppen, zugleich über Mühlhau-
sen in wenigeu Stunden in Basel sein, uud
entwever schon dort den Rhein überschreiten,

oder, vom Rhein gcdcckt auf dcM linkcn Ufcr
bis Schaffhausen rücken und hicr übcrgehen.
Sie können anf diese Weisc in wenigen Ta-
gen in Obcrschwaben stehen und dieses, den
badischen Seekreis, Hvhenzvllern und dep ba-
discheii und württembergischen Schwarzwald
mit ihrcn Particen bedccken und nach Herzens-
lust brandschatzen, ohne daß es Jeniand zu
hindern vermag. Die Truppen des 8. Armec-
corps werden um diesc Zeit entweder »och
in Cantoni'rungen im eigenen Lande liegen,
oder gegen das Rheinthal concentrirt sein und
dvrt durch Straßburq ini Schach gehalten
werdcn. D>'e Nachricht von dem plötzlichcn
Einfall der Franzosen in Obcrschwaben wird
pann die änßerste Rathlosigkeit herbciführen:
soll man l'hne» mit den wenigen Truppen,
die zur Hand sind, entgegenrücken und riski-
ren, gleich zu Anfang des Feldzuges von der
Ueberzahl vernichtet zn werden? soll man sich
auf Ulm oder Würzburg ziirückzichen? Die
Bayern, allein zu schwach, um offenfiv zu
Werke zu grhen, ivcrden, wenn cs gut gcht,
bis hinter die Jller rücken und auf österrei-
chi'sche vder preiißi'sche Unterstützung harren,
dic langc ausbleiben kann, denn diese werden
anch alle Hände voll zu thun haben. Was
man uber thnn wird oder kann, die Franzosen
werden unter allen Umständen einstweilen un-
gehindert bis an die Donau und Jller vor-
rücken unb im Lande lcben. Ein jeder Tag
wird Hunderttausende nur für Berpslegung
und lcicht Millionen für Contribntionen ko-
sten; dcnn je weniger fie hoffcn vürfen, danernd
zu blciben, destv mehr werdcn sic den Vortheil
ihrer Lage ausnützeii.

Dieser traurigen und linausblciblichen Aus-
sicht — den» da dics das leichteste und vortheil-
haftcste Einfallothor der Franzoscn ist, so
wcrde» sie es auch ganz natürlich in erster
Linie wählen, und haben auch in ihren Mili-
tärjournalen mehe als «inmal ganz unzwei-
deutig darauf hingewieseu -- läßt sich einzig
und allcin dnrch ein verschanzteS Lager in
dcr Nähe des voraussichtlichen EinfallpiHiktes,
somit etwa vei Dvnaueschingen, Engen oder
Stockach begkgneii, in welches sich 40,000
Württemberger, Badener und Bapern crntre-
rendcn Falls' schnell werfen, und wo sic.-fich
dann so lange halten und die Franzosen zu-
rückhalten können, bis eine Entsatzarmee hcr-
aiikäme. Ein solches verschauztes Lager
braucht keinc kostspielige Maucrungen, sön-
dern nnr gut armirte Erdwerkc, Wenn ein
solches Lagcr noch vor Beginn dcs Frühjahrs
ausgesteckt und, so bald gearbeitet werden kann,

mit einigen Tausend Arbeitern in Angriff ge-
nommen würde, so könutc immerhin noch ci-
niger Schutz erzielt werden. Mit reichlichen
Arbeitskräften können in weniqen Wochcn
schon respektablc Erdwerke herge^ellt werden,
die, gut arnfirt und bei Zeiten besetzt, den
Fcind in Schranken halten könncii. .Hiezu
bedürfte es nur des Verstätidniffes zwischen
den bethciligten Staaten. Dringcnver wäre
dieß nöthig, äls jede Eisenbahn, und zu spät
wird man über den verlorcnen Wohlstand
des Landes jamwer», wenn dieser Schritt
versäumt und dem Feinde selbst daS Thor
gevffnet wird. Di'c letzten Zähre haben laut
genug gewarnt, ein Jedcr fühlt, daß übcr
kurz oder laug äuch über uns die Bombe
platzen wlrd. Man hat es sich selbst zuzu-
schreiben, weun mau 'danN ungedeckt steht.
Erste und dringendstc Pflicht jedes Abgeord-
netcn, deM wirklich das Wohl des Landes
am Herzen llegt, wäre es, sekne StimNie laut
für diese Sachc zu erheben, und sich durch
keinc Zweifel, Bedeiiklichkelteu, Ausflüchtk
von der Verfotgung cines Zielcs abschreckeü
zu laffen, für welches sei't Jahren di'e bedeu-
tendgen Mill'tärautori'tätcn clncn allerdl'Ngs
bis jctzt vergeblichen Kampf mlt unbcgrelfli-
cher Bcrblendung und Gleichgültigkeit von äl-
len Seiten kämpfen.

Deutschland.

ÄarlSruhe, 14. Jan. DaS heüte erschtenene Regte-
rungsblatt Nr. 2 cnthält:

l. Unmittclbare allerhöchste Entschltcßungen Sr. Köntgl.
Hohcit des Großherzogs. 1) Ordensoerleihungen. Se.
Köntgl. Hohctt der Großhcrzog haben Sich gnädigst be-
wogen gefunden: dem k. prcuß. GcneraÜteutenant A. von
Schöler, Commandcur der 9. Divtsiün tn Glogau, daS
Großkreuz des Ordens vom Zährir^er Löwen, dem Präfi-
denten des Mintsteriums dcS Znncrn, Geh.-Nath Or. La-
mey, dem vorfitzenden Rath betm Mtnifterium deS Jnnetn,
Geh.-Rath vr. Fröhltch, vem Geh. KriegSrath v. Froben,
dem Geh. Kirchcnrath Prof. vr. Rothe in Hetdelberg, dem
Geh. Hofrath vr. Mohl daselbst, und dem Director dcr
polytechnischen Schule dahter, Hoftath Redtenbacher, daS
Commandeurkreuz zwctter Klasse, dem Oberamtmann Ltnbe-
mann tn Adelshcim, dem Medicinalrath vr. Wtnterhalt«
tn Neustadt, dcm Medtctnalrath vr. Wtlhelm iy Eppingen,
dem cvangeltschen Pfarrer Herbst Ln Mundtngen, ünd dem
kaiserl. französischer. Capitän Matnberger, Oommissaiev
spveial bet der Rheinbrücke zu Kehl, daS Rittcrkreuz de-
OrdenS vom Zähringer Löwen zu verleihen. 2) Medaillen-
verlethung. An den Commandanten der KarlSruhxr Feuer-
wehr, Gemeinderath Ludwig Dölltng, dte große goldeue
Civtlverdienstmedatlle. 3) Dtenstnachrichten. Der Revi-
sionSgehilfe Karl Weng wurde zum Buchhalter bet dem gr.
Obcrhofmarschallamte, der Kanzlist im Geh. Cabtnet, Eduard
Millot, zum Geh. CabiuetSregistrator, der Kanzltst Ludwtg
Dahltnger zum Erpedttor bei der Jntendanz der großherz.
Hofdomänen und der Kanzleigehilfe Karl Ltnk zum Känz-
listen im großh. Hofsecretariat ernannt.

' Ende gut, ÄUes gut.

Viooellete »us dem Leden ciiies derütiiiiten Malers von

Mar ücmy.

(Schluß.)

„O, ein Stcin fällt mir vom Herzen und mir
ist, als häite ich eine Schlacht gewonnen!" rief Ger-
harb aufathmend.

„Als sie das rtste Mal wieder auffiand , hatten
«tr ihr Zimmer mit Blümen ßeschliiückt und daS
erste Lächeln tam «icder über ihre Lippen. Seht,
dte Zeit war ein Prüfstein für den Hcrrn Papa.
Seither ist cr der liebcnswiirdigste Tröstcr. Seit
den letzten Monden nun wurde sie bcsonders lustig,
scherzte oft mtt mir und blühte auf wieeine Knospe.
Mein Erstaunen war htmmelhoch; da drang ich ein-
mal in sie, ihrer alten Ammc, die fie aus den Armen
getragcn und »or der fie kcin Gcheimniß habe, sollc
fie doch auch gestehen, warum fie sö fröhlich wäre,
wte nie vorher. Sehen Sie, dä hät sie 's der alten
Dorothea gestanden und hat »or Frcude gclacht und
gcweint, «ie cin Kind. Ht! Hi! Die Sache ist näm-
ltch sv: ihr Herr Papa hatte» gründlich mit dem

Herrn Doctor gesprochen, und der Hcrr Doctor isl
ein Pfiffikus, und der Hcrr Doctor hattcn gesagt,
ein Rückfall sei unausbleibltch und sie würde ohne
Zweifel daraufgehen und es gäbe nur ein Mittcl,
sie davor zu schützcn, und das Mittelchcn hat der
Herr Doctor verschriebcn, und der Herr Papa hat
versprochcn, es zu bcsorgen, und eS tst ihr das
liebste Mittel, nnd seht, darum ist fic so fröhlich!"
„Und dieses Mittel?" —

„Je nun, ich wußt' es wohl, ich könnte wohl,
wenn ich wöllte — je nun, dir Herr werdm's wohl
zur Zeit erfahren." — .

„Weshakb verhcimlichcn Sie mir's?"

' „Jch bin kein altcs Klatschweib, ich würde Allen
den Spaß »erderbm, ncin, nein, — ich könnte
schön - na! Jch will's dcm Herrn sagcn, aber
dm Finger aus dm Mund! nämlich — — —"

Da crtönte von der Villa her cin Choral. „Hcrr
dn mcin Gott!" rief die Alte, „was. HLtte ich da
eingebrockt!"° und dm Ucberraschtm sich selbst übcr-
laffmd, trippeltc sie von däNnm.

Da stand er nun wseder und konnte rathen nnd
grübeln; nun wnßte er zwar ctwas, aber nicht Alles,
und es ist unter Umständm fchlimmcr, die Halfte,

als nichts zu wiffen. Und was sollte er vollcnds
aus dem von der Billa hcr crtönmdm Choral
machm, zumal es ihm schim, als käme er nähcr
und näher. Da sah er durch die Bäume etwas wie
ein schwarzeS Knäuel und wie groß war sein Er-
staunm, als glcich darauf ein feierlicherZug, deffen
Personen er noch nicht erkcnncn konntc, in den
Laubgang einbog.

Es war «inc feierliche Prozession! Voranfichritt
ein Chor, der den Choral sang; dann zur Rechten
der Geistliche im Ornate, zur Linken der Graf; in
der Mitte, iy cin weißes Altarkleid gehüllt, dm
grünen Myrtenkranz in das lockige Haar gcwunden,
seine Tochter Elise. Zhnen folgten die Gräfin und
Elisens Geschwister, dann eine Anzahl Verwandte
und Bekanntc und schließlich die Dienerschast, der
sich als würdigen Epilog die alte, dickc, gute Do-
rothca angereiht hatte. Die Klänge des GcsangS
übertönten nur bisweilen das hestige Schluchzen
der Altcn.

Gerhard trautc seinm Augcn nicht, dte Sache
schien ihm so übernatürlich zu werden, daß er fich
wie tm Lraum vorkam. Sein Herz «allte ßür-
misch auf und nieder vor Nngeduld und Erwartung
 
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