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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0059

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Samsttag, i». Zammr L8HL.

Telegramm

Feankfurt, 17. 3<m-, AbendS. (Bun-
dcstaKssitz.ung.) Die Vercinigten Aus-
schüffe habeu bezügiich des oldcndurgischen
AntragS beschlvffcn, daß daS Patenl vom
25. Scpt. 1859 und das Finanzgesetz vom
Zuli 1860 ohne Srändezustimmung illegal seien
und Dänemark auszusordcrn sci, binnen sechS
Wochen wegen Erfüllung des Provisoriums
gemüß BundeSbcschluß vom 8. März 1860
stch zu erklären, widrigenfalls Erckution er-
folg«. (K. Z.)

Z Baden und -ie Reformen-

Wie der letzte österreichisch-italienische Kricg
den seit dem Zahre 1850 ziemlich brach lie-
genden nationalen Gemeinsinn in Gcsammt-
deutschland wieder erweckt hat; so war eS
bckanntlich der zugleich in unsere staatlichen
Verhältniffe tief cingreifenden Concordatssrage
vorbehalten, vie in unserem engeren Vater-
lande anscheinend vorhandenc politische Apa-
thie zu brechen und neucrdings eine regere
Theilnahme an den öffentlichen Verhältnissen
hervorzurufeu. Wic biese brennende Frage
zum glcichsörmigen Hcile des Thrones, wie
des VolkeS geschlichtet wurdc, ist allbekannt.
Außerdcm sind noch manche andcrc zeitge-
maßc Anordnungen auf kirchlichem, wie aus
politischem Gebictc von Seite unserer volks-
thümlichcn Regi'erung crlaffcn worden, wie
wir solche am Anfange unsercr neuerlichen
politischen Umschau erwähnt haben. Noch
weitere Resormcn im Geiste der Neuzeit sind
jevoch, besonderS im Bereiche der Verwal-
tung, wie der Rechtspfleg« wünschenswcrth
unv dem Bernehmcn nach auch im Werke unv
in rinstweiligör Vorbereitung begriffe».

Was die Rechtspflege bctrifft, so wärc na-
mentlich die voüstänbige Durchführung der
Münvlichkeit und Oeffentlichkeit im Strafpro-
ceffc zu wünschen, indem wir solche bekanntcr-
maßen bis jetzl nur bei Aburtheilung bedeu-
tenverer, vor vie Geschworengerichte vcrwie-
sener Verbrechen besitzen. Zn der bürgerlichen
Rechtspflcge wäre für aüc Rechtsstrcite von
einiger Bebeutung schon in ünlerer Znstanz
die Einführung von Collegialgerichten am
Platze, wie dieseS in dcn meisten auswärtigen
und auch bereits in einzelncn deutschen Staa-
ten, z. B. in Bapern der Fall ist. Hinsicht-
lich der innercn Vcrwaltung wird eiue gewiffe
Theilnahmc des Volkes an derselben mit der
Zcit nicht ausbleiben können, währcnddem dic-

selbe bekanntlich bis jetzt de« von der Re-
gicrung einges/tztcn Beamten allein überlaffen
ist und cin in dicser Richtung unter dcm Mi-
nistcrium Beck im Jahre 1848 ausgearbeitetcs
und bereits im Regicrungsblatte verkündet ge-
wesenes Gesctz im Drange der bald hierauf
einlretendcu Zeitercigniffe nicht practisch durch-
geführt werden konnte. Dieser Act der Be-
theiligung des Volkcs an der Verwaltung be-
steht hauptsächlich in Congregationen oder
Vcrsammluugen auS der Mitte deffelben, welchc
gewöhnlich aus freier Wahl hervorgegangen
unb den wichtigsten StaatsverwaltungSstellcn
beigeordnet werden. Es stehen dieselben zu
diesen Steüen etwa in einem ähnlichen Ber-
hältniffe, wie z. B. die Beistände zu der ober-
stcn Spitze der Regierung, oder, wie auf ei-
ner uutern Stuse deS staatlichen Organismns
der Bürgerausschirß zum Gemeinderathc.

Diese Eiurichtung ist schon seit längerer
Zeit in verschiedencn deutschen und außer-
deutschen Staatcn vorhandeu und hat sich alS
zweckmäßig und crfolgreich bewährt. Selbst
Ungarn hatte schon nach seincr alken Verfas-
sung, «lso bcreits vor den Reformen von
1847 und 1848 solche Jnstitute in den Co-
mitats- und Districts-Vcrsammlungen, welche
de» betrcffenden höheren und mittleren Vcr-
waltungsstellcn beigegeben waren und dcrcn
Ausgabe eS unter Andcrem war, dcr obersten
Reichsversammlung, dem Landtage, vor einer
jedesmaligen Sitzung gecignete Jnstructionen
zu ertheilcn.

Für unsere inneren Verhältniffe in Badcn
dürfte außerdem wohl auch bie Abfaffung ci-
neS möglichst vollständigen und compact ab-
geschloffenen Strafgcsetzbuches wünschenswerth
sein. (Zn Bapcrn ist man auch in dieser Bc-
ziehung vorangcgangen.) Eines in dieser Art
thunlichst präci« und erschöpfend edirten Po-
lizeicoder cntbehrcu wir bih jetzt und sind an-
statt deffcn die mannigfachen polizeilichen Ge-
setze unv Verordnungeri in den Regicrungs-
blätiern unv sonst vielfältig zerstreut, so daß
cs oftmalS selbst den RechtSgelehrlen schwcr
fällt, das vielfältige Material genau zu ken-
und zu stchten. Die Sammlungen aber, welche
in vicser Dcziehung erfolgt sind, waren ledig-
lich Privatärheiten einzelncr Mänuer vom
Fach. Eine allzu dehnbare Auslegung und
vielleicht Manchen etwas willkürlich erschei-
nenve Anwendung der vorhandenen polizei-
lichen Gesetze und Verordnungen würde dann
nicht mchr leicht vorkvmmen und würden die
i» neuerer Zeit hie und da austauchenden
Klagen gegen Polizeistaat, wirklichc oder ver-

meintlichc Poüzeiwillkür, in uuserein Landc
verstummen, oder ihres Zweckes verfehlend,
ungehört verhallen.

D e u t s ch l a w

c? Manuheim, 16. Januar. Das früher
dcr badischen Zink-Gesellschaft zugehörende am
Neckar liegende Fabrikgebäude (nunmehr Ei-
genthum der Hcrren Spreng, Sonntag und
Engelhorn (GaSgesellschaft) stürzte heute Nacht
zusammen; Mcuschenlebcn sind, so viel wan
biS jetzt weiß, keine zu beklagcn.

c( Mannheim, 17. Zan. Die in der gc-
strigen Versammlung des Nationalvereins von
dem geschästsführenden Mitgliede Hrn. Dr. La-
denbnrg den Anwesenden vorgelegte und ein-
stimmig angenommene Abreffe, d«n bekannten
hessische« Antrag bei der Btiiidesversammlung
betreffend, sagt im Wesentlichsten Folgendes:

„Da ver Rationalvercin seinem Prograwm
nach nur auf gesetzlichem Wege die vorge-
schriebenen Zicle und Reformen z« errcichen
sucht; da die Bundesversammlung zur Ent-
scheibung der Frage nach ihren eigcnen Be-
stimmungen vom 12. Juni 1817, §. 5, Nr. 3
und der Wiener Schlußacte gar nicht compc-
tent; da-cs sich nicht nur um das Bestehen
des Vereins, sonbern und zwar namentlich
um die Wahrung deS Rechts handlc; da wir
gcrave eben in einer Zeit leben, in der der
Volksgeist gehobcn und gcstärkt pnb keines-
wegS unterdrückt werden sollte; aus diesen
Gründcn sprechcn wir dic vertrauungsvollc
Erwartung aus, die deutschen Rcgierungcn
möchlcn dcm hessischcu Antrag kcine
Folge leisten, wie wir uns dies von der
badischen inSbesondcre versichert halten,"

Nachdem der Rcdner den Antrag iq cinem
längcren Vortrag weiter motivirte, sprach Hr.
Dr. Eller und nach dicsem Hcrr Gchcime
Hofrath Welcker auS Heidelberg, welcher
lrotz seineS hohen Alters und der Ungunst der
Witterung doch der an ihn ergangenen Ein-
lavung Folgc geleistet. Die bciden letzteren
Herren sprachen mehr über die allgemeine Lage
des Vaterlandes und wurdc bcsondcrs die
Rede des Herrn Welcker mit EnthusiaSmuS
aufgenommen.

Berlin, 11. Zan. Die „Z. f. Nordd."
cnthält einen größeren Artikel über die neue
Haltung der preußischrn Preffe in der SchlcS-
wig'schen Angclegenheit. Wir entnehmen dcm-
selben folgende Stellen: Die ganzc liberale
Preffe Deutschlands hat bisher ihren Unmuth
über den Bundestag ausgeschüttet, weil

Sir iirbt mich.

Novellctie von E a rl Stugau.

(Fortsctzung).

3.

Drei Wochen nach dcr geschilderten Unterredung
— die Tantc war inzwischen «ieder abgereist —
saß Welanie des Abends «or ihrcm Ankleidespiegcl,
ihr Stubenmädchen «ar beschäftigt, das lange,
seidenweiche Haar in die eben moderne Krisur zu
ordnen. Diesc Frisur paßte zu Melanie's hoher
Stirne und zu dem regelmäßigen Oval ihres Ge-
fichtes ganz besonders gut. So sagte wenigstens
ihr Stubenmädchen, die selten eine Gelegenhcit
vorübergehen ließ, ohne ihrcr Gebteterin, deren
Schwäche fie kanntc, Nahrung für die Eitelkeit zu
liefcrn. Iean Paul sagt irgendwo, Schmeichler
machten eS mit vornchmen Herren, «ie Köche mit
dcn Tauben, die fie aufblasen, um fic besser zu
-rupfen. Wahrlich hatte Lisette die Erfahrung auch
fgemacht, daß das Rupfen nachdem Aufblasen beffer
von Stattcn geht. Sct dem wie ihm «olle, Mc-
lanie schien das Lob der schlauen Dienerin gar wohl

aufzunehmen und besah fich mit einer Wohlgefäl-
ligkeit im Spiegel, über welche dte Tante, wäre
sie da gewcsen, grün und gelb vor Aerger gewor-
den sein «ürde.

„Du meinst also wirklich", redcte sic Lisettcn an,
„daß diese Frisur mir gut paßt?"

„Ganz, «ic eigens für Sie erfunden, gnädigc
Frau", antwortete daS Zöfchen; „sie steht Jhnen
reizend, allerlicbst, sie gibt Jhrem Gesicht cinen
Ausdruck—noch nie haben Sie so intereffant aus-
gesehen."

Dic Rede Liscttens wurde durch rasche Schritte
im Vorzimmer unterbrochcn; die Thüre ging auf
und herein trat Theodor.

„Guten Abend, Theodor!" rief ihm Melanie,
dic scin Bild im Spicgel gesehen hatte, ohnc um-
zublicken, entgegen; „gerade recht, daß Du kommst,
Du findest mich eben im Begriff mich anzukleiden,
um in's Tbeater zu gehcn. Marie hat herüber-
gcschickt und mir einen Sitz in ihrer Loge aubicten
laffen; es wird cin neueS Stück von cincm noch
unbekannten Autor gegcben; nach Allem, was man
hört, soll cs cinc dramatische Arbeit vorzüglicher
Art scsn. In der Vorausfttzung, daß Du nichts

dagegeu haben würdest, wenn ich zusagte, habe
ich die Etnladung angenommen. Du erlaubst mir
doch, Theodor, daß ich gche?"

„Ei, das versteht sich", antwortete Theodor. „Wa-
rum sollte ich denn meiner guten, mcincr likben,
meiner trcuen Melanie «in so unschuldiges Ver-
gnügen nicht gönnen!"

ObgleichTheodor immer i» einem sehr zärtlichen
Tone mit seiner Frau zu sprechen pflegte, so mußte
doch in der Art und Weise, wie er die Worse,
mcine gute, meine liebc, mcinc treue Melanie
betonte, etwas Ungewöhnliches liegen, was seiner
Frau und Lisetten auffiel; wcnigstens blickten beide
gleichzcitig nach ihm auf, um in ftinem Gesicht den
Lommentar zu scincn Worten zu suchen. Er hatte
stark gerothete Wangen und seine Augen funkelten
seltsam.

„Theodor!" sprach ftine Frau, „Du bist nicht
wie sonst, was fchlt Dir? bist Du übler Laune?"

„Ich, üblcr Laune? wo denkst Du hin! Im Ge-
gentheil, ich bin so lustig, daß tch springen und
tapzen möchte", antwortcte der Mann. „Ich bin
in heitercr Geftllschaft gcwcsen; mein Freund, Stu-
dien- und Reisegcuoffe Woldemar, deffen Bekannt-
 
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