Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
März
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0201

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
M 32


Samstag, s. März

InserrioirsgebLhrea für die Zspalkigr Petit-

zeile werdea mit 2 kr.» bezw. 3 kr. derechnet. M^MMMO

— Zur -eutfchen Berfaffungsfrage.

II

Durch solche unv ähnllche zeltgemäße Ent-
wicklungen, deren wir unter I. Erwähnung
gethan, könnte iminerhin manche' deutsche Re-
gierung zu geeigneten Reformen in gemein-
deutschem Sinne veranlaßl, unb könnte selbst
der von mancher Seite gewünschten Annühe-
rung an Preußcn immer mehr und mehr ber
unter den setzigen Berhältniffen allein mögliche
Weg gebahnt werden. So könnten nament-
lich diejenigcn deutschen Staaten, welche mit
Prcußen gleiche Neigung, diesclbe politische
Richtung und Bedürsniffe haben, hinsichtlich
mancher sehr nahe liegenden practischen Be-
bürfniffe eine gewiffe Einigung erzielen. Dies
gilt besonders von den nöthigen Aenderungen
in der Kriegsversaffung, von dem gemeinsa-
men Schutze der deutschen Norb- und Ostsee-
Küsten. (Durch die seither gemachten Erfah-
rungen dars man sich hierin »icht irre ma-
chen laffen.) Ferner gehört hierher voüstän-
dige Freizügigkeit der Gewerbtreibenden der
verschicdenen beutschen Staaten, die sich etwa
auch auf die Staatsprüfungen und dcn Staats-
dienst ausdehnen ließe. Ebenso Schaffung ei-
ues geiueinsamen Orzans für die beulsch-pro-
lestantische Kirche, Berlegmig der yerschiedc-
neu Armeen aus ihren Heimathländern, Grün-
dung von gemeinnützigen Bereinen in ganz
Deutschland, beziehungsweise Erweckung unb
Umgestgllung der schon bestehcnden in viesem
Kinne. Endlich gehören hierher gemeinsame
Nechtseinrichcungen, gleichmäßige Boüstreckbar-
keit ver Urtheile, glcichartigeö Gcwerb- nnv
Heimathsrecht, glcichförmige Eisenbahn- unv
Consulats-Gesetze u. s. w. (Hinsichtlich glei-
chen Maaßcs und Gewichts ist bekanntlich ein
Ansang gemacht, einigc andcre von ben ge-
nanntcn zeitgcmäßen Reformen werden auch
von vem deuischen Hanvelstage beantragt wcr-
dcn.) Preußen würde, wenn cs solche Um-
bilbungen in die Hand nähme, dann etwa den-
selben Weg auf politischem Gebietc betreten,
den es seinerzcit in rominerciellcm durch die
Gründung des Zollvereins eingeschlagen hat.
Diescr Weg, der von allen subvcrstven Ge-
lüsten durchaus entsernt ist, erscheint uns nicht
nur für jetzl ver allein mügliche, sondern
dürftc auch gewiß nicht versehlen, mit der
Zcir, wenn auch anf einem Umwege, zu sei-
nem Ziele zu gelangen. Die hiezu nöthige
längere Zcitvauer wäre aber gewiß nicht ver-
loren. Denn burch die Bewerkstelligung jener
speciellen Neformen, durch das gemeinsame

Einleben der dcutschcn Stämme in dieselbc»
würdc nicht nur eine treffliche Schule, eine
günstige Vvrbereitnng des Volkes für die wei-
teren Gesammtreformen, deren Endziel immer
der deutsche Bundesstaat scin und bleiben muß,
ins Leben gerufen und wach erhalten, sondcrn
auch auf grsetzlichcm und hisiorischem Wege
eine sichere und fcstc Grundlagc für das der-
einst neu zu errichtende deutsche Staatsgcbäudc
geschaffen. Jeder deutsche Staat kann mit
einem andern, vermöge des blos völkerrecht-
lichen Verbands, in welchem er bis jetzt zu
diefem steht, Berträge abschließrn, wie er will,
insofern dicse Nicht gegen gewiffe Grundgesetze
dcs Bundes gcrichtet sind. Dcr Ausführung
jenes Planes stündc daher, wenn man ernst-
lich will, nichts im Wege.

Es wäre diesrs, mnseres Erachkcns, zugleich
der einzige in oonvreto möglichc Weg zur An-
bahnung einer größercn Einheit der veutschen
Staaten unter dem Vorantritk Prcußens, und
würdc die hierauf hinzielende Anfgabe wvhl
zweckmäßiger und sicherer gelösl werden, als
wenn man, wic dics so häufig gcschieht, in
sdstravto die Hcgemonie Preußens als fest-
stchendc Thatsache, als allein maßgebende, un-
»mstößliche Formel aufstellt, öhnc der Millio-
nen in Deutschland lebenber Deutschcn zu ge-
denken, die für jetzt hicrmit nicht einverstan-
den sind, und ohnc die Keimc des Zwiespalts
zn berücksichtigen, der vvn vvrn herein durch
jene an und für sich, bei ailen nicht specisi-
schen Boruffomanen, wohlgcmeinte Bestrebun-
gen so vielfeitig zum Ververbcn der gemein-
samen Sache ausgestreut und gcpflanzt wird.
Jn dieser Wcise geht die für aüe patriotischen
Deutschcn gemeinsame Nichtung selbstverständ-
lich von vor» herein auseinanvcr. — Von
bieskin Gesichtspuncte aus könncn wir daher
nur unsere volle Btlligung aussprechcn, wenn
der deutsche Nationalverein bei Gelegenhcit
seiner letzten Generalversammlung in Kobnrg
sich nur im Allgeineincii für eine starke deutsche
Centralgewalt aussprach und die Frage, wel-
chcm deutschcn Staate dicse übertrage» wer-
den solle, als einc offene bchandelte. Es wäre
nur zu wüuschen, daß dieses Programm auch
von den cinzelnen Mitglicdern und Wortsüh-
rcrn überaü befolgt uud nicht, je nach Per-
sonen, Gegeudcn und Umständen in viel en-
gerem Sinnc, bald dcmnach in dem der preu-
ßischcn Hcgeuioiiie, bald in dcm der deutschcn
Neichsverfaffung ausgelegt und gedeutet würde.
Man hat schon behaupten wollen, daß ein Ver-
ein, wenn er scines Zwcckes nicht verfchlen
sollc, sich für eine bestimmte politische Rich-

tung schars aussprechen müffe und auf keiner
zu wciten Basis bernhei, dürfe. Allein ein
Verein ist sich doch zunächst nicht stlbst Zweck
und dürfte seines Zicles noch weit mehr ver-
fehlen, wenn er eine der wichtigsten dcutschen
Fundamentalfragen, die nur durch die künf-
rigen Ereigniffe erschöpfend beantwortet wcr-
den kann, im Boraus schor, jetzt theoretisch
cntscheidet und hiefür agitirt. Die Mögkich-
keit ,'st zwar gegeben, daß dereinst dr'ese hoch-
wichtigc Frage zu Gunsten Prenßens entschie«
den wird, und eS liegt, wie wir oben gezeigt
haben, für diesen Staat jetzt schvn ein weites
Feld offen, anf welchem ihm, unbeschadek sei-
ner Bundesverpfiichtungen, freisteht, große mo-
ralische Eroberungen zu machcn. Sollte die
Entschcidung jener Frage im Buche des Schick-
sals aiiders beschloffen scin, so stellcn sich aüc
bis dahin zu Gunste» Preußcns erfolgten Agi-
tationen als eikles Gerede, als verlorene Wortc
heraus, wen» nicht eine bcsondcrs starkc und
nachhaltige Parkei bei bcn deutschen Bölkern
unb Regierungen hiefür gebildet scin sovte.
Wäre dicses Letztere aber der Fall, dann »n-
ter gewiffen Verhältniffen nm s« schlimmer,
cs würde bieses dann nur der Ausgangspunct
eines inncren Bürgerkrieges sein, an vem gc-
wiß zulctzt die deutsche Etnheit etwos gewin-
nen würde.

Deutschlanp.

Kaetsrulie. 27. Fcbr. D-L heutc. erschtcmne Re-
glcnillgMalt Lr. tt enthält serncr (Schlllß):

II. Vcrsllgnngcn «nd Bcknnntmnchnngcn dcr Minlstc-
rien. I) Bckanntmachllng dcS großb. JustizministeriamS.
Di- Nameneändcrnng de« Zdsepb Wtehl »oll Ps-Hrcn in
,Zimmermann" bctreffend. 2) Bckanntmachnngen de« großh.
MinistcriuuiS dcS Znncrn. a) Dtc Vornahme dcr Ge-
mcindcwahlcn bctrcffcnd. Dicsclbc lantct: Jn Betracht dcr
Mißstände, welche mil dcr im §. 84 der Gemcindcwahl-
ordllllng für da« Zllsammentrcffcn dek Wahtcn zne theil-
wctscn Eincneiung tcr oerschledcncn Gcmeindccollcgi-n »or-
geschricbencn Rcihcnsolge verbnnden find, schen wir un»
ocranlaßt. mit höchstcr Ermächtignng Sr. Kvnigl. Hoheit
d-S Großherzog« an« großh. StaatSministerinm vom
2t. d. M., NachstehcndeS zu vcrordnen: t) Dcr tz. 84
tcr Gemeindewahloidnnng vom ZV. April t8St ist allfc
g-hvb-ll unt an scine Stelle tritt solgende Bestimmnng!
s. 84. Wcnn dtc Wahlen zur lhcilweisen Ernellerung der
oerschiedcncn Gemeindccollegien znsammcntrcffen, so finden
zllirst dic Wahlen in den Großen Ansschllß, sodann jene
tn dcn Gemcinderah nnd znletzt jene tn den Kleine» AnS-
schnß statt. 2) Jn denjenigcn Gcmetnden, in wclchen
scilbcr bci dcm Zllsammentrcffcn dcr Gemeindewahlen dic
Rcihenfolge dcS 84 dcr Gcmcindewahiordnnng vo» IL5t
bcodachtct wordcn ist. hat bct den nächstcn znsammentref-
scndeu EincucrllngSwahlc» zuerst dte Wahl in den Großen
Ausschllß stattzufinteo: die am AnStritt stehenden Ritglie-
dcr de« Gemeinderath« und Kl-tncn Ansschnffc» blcibcn
alsdann gcmäß fi. 8S der Gemeindcwahlordnnng im Dienst,
bis ihre Rachfolger tnrch dcn nen gcwählteo Großeu All«,

Dns große Faß zu Heideiberg.

Hiswrische Novelle von Wilh. Jungmann.

(Fortsetzung.)

So in ircbliche Träume eingewiegt, war Len-
chen cines MorgenS fröhlich und hcitcr vom Hausc
»cggegangen, um noch cinigc Einkäufe zn machen,
mrt wclchcn sic Gerhard bei seincr Zurückfunst über-
raschen wolltc, als sie in cinen Ladcn eintretcnd,
dort hören mußtc, wic die Frau cines Magrstrats-
Miigiiedes dcm Eigenthümer dcsftlbcn erzählte,
daß cben die Nachricht eingetroffcn fti, daß der bei
Meistcr Wcrner arbeitendc Küfergeftlle Gerhard
Dornbusch in Hcidelbcrg seine Eltern wicdcr ge-
fundcn habe, und daß cr der Sohn eines stolzcn
und schr reichen französischen Grafen sti, und nun-
mchr wohl schwerltch wieder nach Landan zu fti-
nem Meister zurückkchren wcrdc.

Ein markdurchdringender Schrei cntwand sich Lcn-
chens Brust, und gieich einer geknickten Lilie sank
fie bewußtloS zu Boden. Als es nach langcn Be-
mühungen endlich gelungcn «ar, sic wieder in's
Bewußtftin zurückzusühren, da schwciftcn ihre Au-
gen wie bei einer Zrrsinnigen umhcr, und mit hcrz-

zerrelßendcn Töncn ricf sie aus: „Laßt mich los!
Laßi mich hin zu ihm! Es ist nicht wahr, daß cr
cin Graf ist! Daß cr mir untrcu werdcn kann!
Mein gehört er und niemand Anderem! Kort, sort
von hicr!" bis sic erschöpft auf'S Ncue zurücksank
und m ciner Sänfte nach Hauft geiragcn werdcn
mußte, wo cin hitzigcS Kicber fie auf's Krankcn-
lager warf.

Namenlos war der Schmerz der Eltern beim
Anblick thrcS geiicbten Kindes. Fort wolltc Meifter
Werner nach Hcidclberg, um sich oon der Wahr-
heit der Nachricht »on Gerhards ocränderten Ver-
hältniffen zu üdcrzeugen, allein immcr zog cs ihn
wicder an das Lagcr des Kindcs zurück, in der fcsten
Ucbcrzengung, daß Gerhard nicht so lieblos ftin
werde, ohne Gruß und Dank von ihm zu scheiden.

Abcr auch in Gerhards Herzen hatte dic so wun-
derbarc Veränderung stines SchicksaleS nicht dic
freudigen Gefühlc hervorgerufcn, dic cs HLtte cm-
psinden sollen, die gelicbten Eltcrn wicder gefunden
zu haben, denn er fühlte wohl, daß cr nunmchr in
einc Svhäre hineingczogen «ürdc, die ihn nöthige,
ftin Liebstes auf Erden anfzugeben. Er war mit
Letb und Seele Küfer und hatte fich schvu rls ehr-

samcr Mcistcr dieser Zunft an> der Seite ftincS ge-
licbtcn Lenchens erblickt.

Still und traurig schiich cr umhcr, als ihm der
Vater angeknndigt, daß cS nun nicht mehr paffcnd
für ihn sct, fich ferncr ftinem Geschäfte zu unter-
zichen, und daß er sich vorbcreite» müffe, in die
große Welt einzutreten, wozu ihn sein Stand be-
rechtigte.

Aurclie hatte den Schmerz des Bruders erkannt
und ihn der Mutter mitgethcilt. Lang« hatte diesc
sich mit dem Gattcn darüber beratheu, bis dtcscr
sich endlich zu dem Pfalzgrafen begab, um mitihm
übcr die künstige Bestimmung seincs Sohnes zu
sprechen.

Offeu unb frei hatte ihm dicser seine Ansichten
darübcr mitgetheilt, mit berrdten Worten ihm die
ftitherigen Beziehungen desftlben zu der Wcrncr'-
schen Familic geschildcrt und dann Kolgendes hin-
zugcfügt:

„Machen Sie nicht, mein licber Marquis! daß
ihr Sohn, statt die Stunde zu segnen, tn welcher
er dic geliebten Eltern wicder gcfunden hat, sie
als d-n Moment bczekchnen muß, der alle scine
Wünsche nnd Hoffnungen zn Orabe getragen! Er,
 
Annotationen