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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Juni
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Eröffnung der Generalsynode.
Karlsruhe, 5. Zuni. Heuie hat Lie
Eröffnung oer Generalspnooe stallgcsun-
de». Um 10 Uhr begabcn stch bie MiigUedsr
ber Spnobe^ zum tziottesvienft in oie Schloß-
kirche, oem auch Se. ibonigl, Hvheit bfr Äroß-
hcrzog beiwohnle. Herr Prälas Holtzman»
hielt oie Nede. Nach Bcendigung deS ÄottcS-
PiensieS »ersügten sich oie Spnooalmitglieber
i» be» Marmorsaat in dem grotzh. Schlosse,
woselbst Se. Konigl. Hohcil oer Äroßherzog
solgendk Ansprache a» oie Versammlung rich-
leiei

„Liebe Freunde uud Glaubeiisgenossen.

Krast meineS Amtes als laudesherrlicher Vorstand mid
Bischos unserer Kirche yabe ich Sie hiertzer enldoten zur
Berattzung eines crneulen kirchlichcn GruudgesetzeS und
heiße ich üie tzeule mit Zhreni Zusaiumsiiirejsen zu diesein
grotzen Zioecke oon Hcrzeu wiilkommen.

Deu Grundsatz eiuer mögtichst vollkommen tzcrzu-
stellendeii Setdstständigkeit uno Autononiie beider christ-
licheu Kircheu in meinem Laude yabe ich von meineiu
Regierüngsanlritt an unablässig sestgehallen und habe
demselben iu Bezug aus meme cigeue theure Kirche,
nach niaiicherlei Sldrungen und schwer zu üverwindeiiden
Schwierigkeiten, zuerst in der Ausprache üoni sicbemen
April o. L. eiucn ossenilichen Ausdruck gegeden. Aach-
dim durch die Staalsgesetzgebuiig sür di« Lerwirklichuug
dicseS Grundsatzes sreier iliaiim gewoiincu war, habe ich
sojort von der zuständigen Behorde eiueii Gntwurs aus-
ardeiten tasjen, der dcnselbeu jnr uuscrc bestetzeiide kirch-
liche Berfassüng sruchtbar machl. Ztztien, tiede.Herren,
ift iiuii die shnodale Prüsuug uud jZtNigmrg biches Lut-
wurjs überantwortet.

Seit der Annahme der Uuiou pox vjerzig Zahren jst
der badischen Generatstzuode keiue wichligerc und tolgen-
reichere Aufgabe gewordcn als die gegeiiivärtige; ich habe
dem Gcfühle ihrer umsassenden Bcoeutuiig vor Aitem
dadurch Ausdruck »erlciheu wolleu, dast ich heule. setdst
iu Zhre Mitte tresc, iim damii zugleich Ihiien ein Zeng-
niß zu gebeu vou der lreueu Licbe, mit welcher ich das
niir auvertrai'ite iänbesbischösliche Amt im Kerzeii irage
und es schützend und schirmcud auszuübeit irachle.

Bou solcheu Etzipfinduügen ersüUj, ist. c^mir Bedürs-
uih, die Eiöffnung Iyrer Beralhuugeu mu eritsteii uud
liengciiieiiiteii Worleii zu begicilen.

Gtn vedeittsamer Tag iü ,U7 mis angibrochen, ein
Lag, »ii dem wir Zeiigniß geden töunen von dcm Geiste,
der ui der christlichen Gesiiemde lebeu jvkl, Zch vextrMe
auj die Macht dieses GeisteS.

Es ist der Geist chri'stlicher'Liebe Iind christlichcn Gläü-
beus. Es ist der Geist christlichcr Deinuth und chiift-
lichcr Zuversichl. Jn sotchem Geiste, liebL FriMsde,.bme
ich Sie, das Friedeuswerk anzugreiseu, Es handeit sich
dabei uichl um den vorühergeheiiden Sieg dieser oder
jener Partei ünd Zeitrichiuttg s cs chandelr stch d'aruin,
daß, lvie Gott nur durch sreie Lied! wahrhäsl gepriejen
werdeli kann, sv unsern Gemeinden Gelegenheit gedoten
werde, den Glariben und.die Liebp ihres.Herzeiis in sreier
Seibstthäligkeit an den Tag zu legeu. Freie Selbst-
thätigtei! der G.emeiilden iu älleii ihreu Gliederungeü,
das, in der That, ist der leirende Gcdanke des Jhnen
vorgelegten Eiitwurfs — eiu Gedanke, dci', wie uut der
ursxiüuglichen Lehre, so auch mit der ursprünglichen Ge-
>chichte unjerer christlichcn Kirche im Einklange stchl uud

Lu spät.

Eine dänische Criminalgcschichtc.

(Fortsttznng).

Um scinen Schmerz und seine Vcrwirrung zu ver-
bergen, sagte dicser, stc auf dic Stirne küssend:
„nachhcr, mcin Herz, sollst Du erfahren, was sich
zugetragen hat — ich weiß zwar nicht, «elchcn Er-
foig es habcn mag — «Ucin jctzt richte vor Allcm
auS, was Dein Vatcr Dir aufgctragcn hat."

Sie ging. — Ach! welch ein jammcrvollcr Wechscl
mit jener Zeit, da das schuldlose Kind froh und
unbcfangcn in dcm hcitern Pfarrhofe gelebt hatte
und nun in diesem düstern Kerker unter Gram und
Schmerz, mit Angst und Zittcrn das Leben ver-
seufzte.

„Setzt Euch, mein Licber", sagte uun der Pfar-
rer zu dem Richtcr, nachdem sie Bcide allcin «arcn,
sich sclbst auf das Bctt uiederlasscad. Er faltete
die Hände iu seinem Schovßc und starrte lange ticf-
sinnend auf den Bodcn. Endlich richtete cr den
Kopf in dic Höhc und heftete bie Blicke auf Söf-
reusen. Dicstr verharrte ip äzitzstlichkm Schwcigen,

deßhalb doppelt berechtigt rst, slch als ein christlicher gel-
tend zu niacheii.

Die erneme Bersassung, welche wir zusammen aus-
arbeiteu wollen, betrijst freiiich uur das äußepliche Leben
deS. Christenihums und sie giaubl uicht die iunerliche
Erneuerung, Eriveckuug wid Heiliguug dutch »ußerliche
Formen erzeugen zu köunen. Daniit abcr, ivas vou
erueulem und geheiiiglem Sinne in der Gemeinde wohiil,
jich srei ätzßern, bewegcn und belhätigeu köiine, und.
alle Theiliiahmlosigkeil — der Grimd vielsacheu Uebels.
— sür dic Zukuust vermiedeu werde, soll eiu mehr all-
genieiner Amheil durch die kirchlichen Bersastungsformeu
gcwährt weideu. Dadei dürfeu wir viellcichi hosten, daß
mit dem öleubau des »Ilßeren Tenipets auch dec Geist,
welcher ihn erjülleu soll, eriieul und gekrästigi weide.

Je lebendiger nuu der in der Liede thätige Glaube
sein wird, um jo mchr darf und söll auch Raum uud
Frciheit gegebeu seiu zu deu maiiuichsaiügeu und ver-
jchisdeullich gestalleleu Aeußerungetz tziescs Glaubcns.
Kie gewährteu vi-chte adcr zieheu auch Pflichleu nach
sicki für die Kiichengemeiiidm und ihre Glicder, bei dereii
ErsüUuugdieseldeu, ich »erlraue eS fest, beweiscü werdeu,
daß der Geist evaugelischer Freiheil zugkcich eiu Geist
der Ordiiuug, der Demuth uiid dtzs Berlrauens ist.

Der iniiige ZusammeuhMg, in dem uiiscre badische
KirchenvcrsastuiigSfläge mit der großeil Fiäge der dem-
schen evangelijcheu Kirche steht, ist der zweite Haupt-
puukt, aus oen ich, liebe Frcunde und Giaiibeiisgeiiojseu,
Ihre Ausiiierksamkcit noch zu richieu wiilische. Pergejjeu
L-ie uicht, wie ich es nie oergefseu werde, dah unjere
badische Ländeskirche nichls ist und nichis seiu'soll, als
eiu krästigeS Glied der deütschen evaugelischen Kirche,
uud erhebeu Sic sich mil mir an dejil Gedanken, daß
wir mil dem Äieubail uujerer Kirche zuglcich eineu Steiu
iegen zu de»i Ausbaü dieser großcu Gesammtkirchc.
Wann auch immer dicses Gefühl der Znsammeügehörig-
keit jeine Besricdiguug fiiiden mag, lafseli Sic uns seine
Berechtiguug und seine Krajt «or AUem dadurch bechä-
tigen, daß wir im Gpiste mit Iinjcren deutschcu evgngc-
lischen Schwesterkircheu »cleint, thäiig uud iiiiermüdet
darnach stiebeu, dcu rechten Lußeru'AuSdruck innerer
Eiuheil zu gewinuen.

Bcgiuueu Sie deun nunmehr, kiebe Frcuudc und
Brüder, in GolteSsurchi uns Trcue Zhre Arbeiten!
Schafscil Sic in Äüstigkei! und Eiutrachl. iu Freiheit
Uiid GläUbigkeil, iu christlich deutscher Eutschlossenheit
und Frömmigkell, imd lassen Sie uus genieinsani Zhn,
das ewige Haupt unserer großeu unfichkbarcn Kirchc
dadurch zu eyrcu suchen, daß wir deu iius zugewieseiicn
Theil Seiner sichtbareu beütschen Kiiche mll Neuer Le- ^
b'cüskrast zu ersüllen suchen.

Er, dsin niisere Arbeit gilt, Er, desscn Reich wir zu
usrbreiteii strcbeu,' segne imd erleuchte Jhre Berathuu-
SllU' —

Hisraus ersoigte die Colistituirung der Shnode im
Ständehause, im Sitzungssaale der Erstcu Kammer.

(Karlsr. Ztg.)

Die Schutzloffgkeit der Deutschen
im lltuStaude.

(Ein Warnungsruf auS Rußland.)

Wer sich die Miihe gibl, den jähriich aus-
gcgebcnen Staalskaienvcr des russischen Rei-
ches uiid bie drei Dußende ver Siaaiskaiender
ber deuischen BundeSsiaaien i» die Hand zu
nibMiii, der wird' mit Erstaunen die große
Zähl der ^iamcn von Gesandten, Attachoes,

als sollte «r sein cigcnes Urthcil vernehmen, und
— gewiffcrmaßen war cs ja auch sein cigeneS.

„Zch bin cin großer Sünder", nahm dcr Pfarrer
daö Wort, „wic groß, das weiß nur Gott, ich selber
wciß es nicht. Er will mich hicr bestrafen, damit
ich bort Gnade finden und die Seligkcit cmpfangcn
mögc; ihm sei deshalb Preis und Ehre!"

Es schicn, als errängc ihm dicse Aeußerung wie-
der größcre Ruhe und Kraft, und so fnhr cr fol-
gendermaßcn fort:

„Von meiner Kindheit an, so weit ich zurück-
d-nken kann, bin ich immer hochmüthig, zanksüch-
tig und jähzornig gewesen, habe keinen Widerspruch
crtragen können, sondern bsn gleich zum Drcin-
schlagcn bcrcit gcwcsen; doch habe ich selten die
Sonne übcr meinem Zorne unjergehen laffen, auch
niemals Haß gegen irgend einen Menschen gehegt.
Schon als halb erwachscner Knabc beging ich in der
Hitzc einc That, wclchc ich oft innig bcreut habe,
und die mich jedesmal noch schmerzt, wcnn ich da-
ran denkc. Unser Hofhund, ein frommeS Thier,
das kcincm Geschöpfc Etwas zu Leide that, mir
treu anhing, und das auch ich recht licb hattc, hatte
einst mcin Abendbrod erhascht, das ich in drr Eile,

Secretären und Consuln lesen, durch wclche
dic Znierefsen der deutschen Staateu in Nuß-
limd vertreten sind — oder vielmehr ftin soll«
ten. — Obwohl der Versaffer. dieser Zeilen
bis jetzt so glücklich war, der gsgebcuen Falls
fthr zweifelhaften Hülfe seiner Gesandlschaft
entbehren zu können, so haite er doch nur
z» ost Gelegenheit, sich von ber vollständigen
Schutzlofigkeit der Deutsche» nicht »ur ün Zn-
nern Rußlands, sonder» auch hier in der
Reichshaupt- und Residenzstadt Petersburg zu
überzeugen. — Als einen oder vielmehr als
fortdauernde Kette vieler schrcienden Fälle
theilen wir (und wir haben mit dieser Anzeige
lange gewartet, ja längcr gewartct, als viel-
leicht güt war, weil wir dnrch wiederholte
Anregungen an Ort und Sielle dem Uebel-
stande abhelsen zu könncn glaubten) Folgendes
mit. Ansang Zmii v. Z. (1860) sah man
plötzlich in St. Petersburg eine Masse deut-
scher Kinder beiderlei Geschlechts austauchen,
wovon ein Theil mit Harmonika's, die mci-
sten jedoch nur mit einem Korbe, worin künst-
lich von Papier gcmachie Blumcn vder Papp-
drckelarbeiten sich besanden, vcrsehe» waren.
Auf die Anfrage: „woher?" erhielt man meist
dic Antwort: „aus Naffau", ober „aus Hes-
seii"; nähere Bczeichnungen »vurden ungern
gegeben. Zm Anfang, d. h. namentlich so
lange die Jahreszeit gut war, wurde die
Sache weniger beachiet, weil man ja auch
hier schon von früher her die „hessischen Be-
senmädchen" kanntc; bald aber hörie man
Klagen über ein sörmlichcs Beitelspstem der
deulschen Kinder auf der Newski-Perspective
(dcr Hauptstraße Petersburgs) und von ab-
scheulichem Mißbrauch, der Mit den kaum cr-
wachftnen 13—15 Zähre alten Mädchen ge-
trieben wurde. Aus der seitvcm unsererseils
erhobenen Nachfrage erhellte nur so viel, daß
sämmiliche deuische Kinder, von denen übrigcns
ein großer Theil bereits dem Hunger, der
Mißhandlung und der Kälte erlegen ist, ge-
pachiet sind, d. h. also gewiffermaßen leibeigen
dem, ber sie gepachtet hat. Der Pächler (sei-
ncn Namen konnie ich leidcr nicht erfahrc»,
denn die Furcht der Kinder ist groß) verlangt
t/z bis 1 R.S. von seinen deuischen Lcibeige-
nen und zwar Abends, wenn ste in den ge-
meinsamen Pfcrch kommen. Brachte ein Kind
zu wenig, so erfvlgten Schläge und Stöße,
unv bas arme Kind, welches erst kaum cinen
Löffel Kasche (Grüßc) zu fich genommcn hatte,
wurve wieder in die kalie Winternachi hinaus-
getrieben (der Pctersburger Winter war dies
Zahr besonders harl und gerauMe Zeit herrschte

weil ich abgerufen wurde, auf cincn Stuhl gelegt
hatte. Zn meiner Boshcit versetzte ich nun dcm
Hunde mit meincm Holzschuhe cinen so gewaltigen
und zugleich unglücklichen Stoß, daß cr unter viclcn
Qualen und jammervollem Winseln verschied. Es
war freilich nur cin unvcrnüufligcs Thier, allein
immerhin doch eine Ermahnung an mcin Gemüth,
mich an Menschen nicht zu »ergreiftn. AlS ich später,
in meincn Studienjahren, eine größere Reise in
das Ausland machte, gerieth ich zu Lcipzig in un-
nöthigcn Zank mitz einem Burschen, fordcrte thn
hcraus und verfttzte ihm cincn fo gcfahrlichen Stich
1n die Brust, daß er nur mit genauer Noth ge-
rettet wcrden konnte. Schon dcshalb habe ich ver-
dicnt, was ich nun crleiden muß. Zweimal ist eine
göttliche Warnung durch Lie eigene That vergcb-
lich an mich crgangcn, statt der dritten erfolgt nun
die Strafe; aber sie trifft nun auch mit zehnfachem
Gewichtc mein sündiges Haupt, den greisen Mann,
den Pfarrer, den Boten des Friedens und den Va-
ter. Ach, allbarmherziger Gott, daS ist die tiefste
Wunde!" — Er sprang auf, die HLnde ringend,
daß es in allen Gliedern wicderhalltc.

Als er sich ein «enig erholt hatte, setzte er sich
 
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