Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Juni
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0569

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Utidelbtrger Ititmig.

N lätl


Mittwoch, 19. Juni

JnsertionSgebühreu für die Zspaltige Petit- M

zeile werdea mit 2 kr., bezw. 3 kr. verechnel. MMM.O

-j-j- Schleswig-Holstei» u Lauenburq.

(Schloß.)

Die Holstein-Iauenburglsche Sache ist, wie
wir bcreiis angeveutet haben, lcdiglich eine
innere beutsche Bunbesangelegcnheit unv be-
rührt als solche vas Auslanv nicht, wie vie-
ses in neuerer Zeit auch jieuilich allgemein
anerkaunt worben ift. Anvers vcrhält sich die
Sache Schleswigs, wenigstens nach den An-
sichten ker außerveutschen Politik, wie aus
den srühern viplomatischen Acien Englands,
Frankreichs und Nußlanvs und naÄcntlich auch
einer neueren Note Schwedens sattsam zu
entnchmen ist.

Eine Buildes-Ereclltlon wider Dänemark
hinsichtlich der Holsteiii-Iauenburg'schen Augc-
kegenheit wird daher nach Lage der Dinge
und gewöhnlichen mcnschlichcn Boraussicht höch-
slens zu cinem Localkampfe mik Däncmark
selbst sühren, nicht aber zu, einem weiteren
Kriege mtt bem Auslande, außer man müßle
denn einen solchen von irgcnd einer Seite
muthwiüig vom Zaune brechen. Anders wäre
Lies vielleicht, wenn sich die aggressive Po-
litik der deutschen Regierungen auch auf
Schleswig ausdehnen würdc, in welchem Falle
dic oben genannten Mächte muthmaßlich für
Dänemark Partei ergreisen würden. Nach allcn
früheren Vorgängen wird jedoch eine solche
durchgreisende Maßregcl, ser es vvn Seiten
Preußens oder gar deS deutschen Bundes, vvn
Niemand erwartet werden: Wirb es doch schon
große Mühc kosten, die längst angedrohte Ere-
cution wegen Holstcin und Lauenburg lhatsach-
lich zu Scande zu bringcn, die dcßhalb eben-
falls von Bielen alS in das sabelhafle Reich
der Zllusionen gehörig betrachtel wird, uiid
höchstens im äußersten Drang der Umstänke,
wenii durchaus kein anderer Ausweg möglich
ist, sich verwirklichen dürsle.

Eine Bundeserecution sür diese beiden Her-
zogthümer würde darin best.ehen, daß diese
Länder von Bmidestruppen besetzt, veren Ein-
künste mit Beschlag belegt, und dic Negierung
eiucm Bundescommissär uberiragen wirv. Die
Ansvrderungen emer wahrhast humanen und
nalivnalen Politik, sowie vie Rülksichlen auf
die von Dänemark seinerzeit hinsichtlich Schles-
wigs übernommencn Lerpflichtungen erheischen
sreilich an und sur sich vringcnv, daß auch
bieseö lehtere Land, ohne ängstliche Abwagung
der hierauS cnlspringenden Schwierigkeiten
und Gesahren, mit in die von den beutschcn
Mächlen zu ergreisenden Maßnahmen gezogen
werbe. Denn in den Verlragen unv Berein-

barungen von 1851 und 1852, nnd selbst nvch
bei den spätern Verhandlungcn der sich bethei-
ligenden Mächte ist dicses Ziel nicht ganz
außer Acht gelassen worden; dic rechtlichen
Ansprüche Schlcswigs nämlich fanden hicbei
wenigstens in sofern Berücksichtigung, als man
anerkanntc, daß Dänemark die völlige Ein-
verleibung Schleswigs in dcn bcabsichtlgtcn
Gesammtstaat zu unterlaffen habe und die
deutschc Nationalität daselbst zu schützen sei.
(Den Hauptpunct, aus dem sich alles Uebrige
von selbst ergcben würdc — daß nämlich
Schleswig mit Holstein unzertrennbar verbun-
den ist, ließ man frciltch gefliffentlich außer
Acht, vder doch in fortwährender Schwebc.)
Durch eine Beschränkung der Erecution aus
Holstein würde überdies die Trennung Schles-
wigs hievon nnr um so schärscr hingcstellt;
denn es wird dann allem Anscheine nach von
Sciten Dänemarks zwischen den beiden Län-
dern eine militärische Grenze gezogen werbcn,
wodurch Schleswig schon an und sür sich mit
Dänemark näher vcrbunden wärc. Auch würde
durch die Besetzung Schleswigs mit bänischen
Truppen, zumal unter cinem lästigen Belage-
rungszustande, der Druck der dänischen Vcr-
waltung verstärkt, und dic Macht veren Ein-
flüffe vcrmehrt. Die Erecution in Holstein
und Lauendurg allein wäre somit für Schles-
wig ein Schritt weiter zur Einverleibung in
Dänemark, svwie zur Beeinträchtigung der
dortigcn deutschen Nationalität und würde
jcdenfalls eine entschiedene Vcrschlimmerung
dcs gegcnwärtigen Zustandes bewirken.

Trotz aller dieser dringenden Anforderungen
einer nationalen und humanen Politik stehen
zur Zeit für Schleswig die Aussichten aus
einen hülsreichen Beistanv von Seiten Deutsch-
lands schlimmer als jc. Dic letzte preußische
Thronrede gedcnkt (im Gegensatze zum Er-
öffnungsacte der preußischen Kammern) dieser
wirklichen Grcnzmarke Deutschlands mit kei-
nem Worte, und es gewinnt das in neuester
Zeit auftauchendc Gerücht, wonach blos die
Sache der beidcn andern Herzogthümer in die
Hand genommen, Schleswig ader ganz auf-
gegeben werden solle, leider an Wahrschein-
lichkeit. Zst diese Unterstellung gegründet,
dann ist die Sache Schleswigs zwar nicht sür
alle Folge als verloren zu betrachtcn, eine
entschiedene Restitulion derselben zu Gunsten
Deutschlands jedoch nicht eher, als durch die
rettenbe Macht günstiger Ereigniffe, zur Zeit
einer größern innern oder äußern KrisiS, zu
erwarten.

Deutschland

Karlsruhe, 14. Juni. Die Ausarbei-
tung des Gesetzcntwurfs über di'c Verwal-
tung ist dcm neu ernannlen Ministerialrath
Schwarzmann überlragen. Lcitcnbc Grund-
sätze, wie bei der Justizreform, wurden be-
züglich diescs Gesetzesentwurfs bisher noch
uicht festgestellt, unb nur das Eine ist sicher,
daß dem bürgerlichen Element bci der Ber-
waltung ein bcdeutendeS Gewicht eingeräumt
werden soll. Es scheint ferner aus einigcn
Andeutungen hervorzugehcn, daß die Kreis-
vcrwaltuiigsstellen nicht jene großen Bezirke
umfaffcn werden, welche ihncn nach dem frü-
hcren Gcsctz (von 1848), das aber nicht in
Wirksamkeit trat, zukominen. Wahrschei'nlich
werden bie einzelnen Kreisämtcr nur zwischen
30—40,000 Seelen nmsaffcn. Dabei ist nur
zu wünschen, daß bei der ncuen Verthcilung
der Amtssitze die gehörigc Rücksicht auf Ver-
kehrs- und Handclsverhältniffe genommen wird,
so daß nicht Gemeiiiden, wclchc mit eiiier
Stadt in gar keincr Berührung stchen, glesch-
wvhl einem dort zu errichlenden Kreisamt
zugethcilt werden.

K)»rlSruhe, 15. Zuni. Dcr Wichtigkeit
dcr Sache enksprechend wurde beschloffen, dieß-
mal rie Vcrhandlungen ber Generalspnode in
cinem besondern Blatte (einem selbslständl'gen
Beiblatte zum Evang.-Kirchl. Verord.-Bl.)
zu veröffentlichen, wozu einc Commission, be-
stcheiid aus Mitgliederu der Sxnode, bestelll
wurde. Heute ist die erste Numer dieses
„Shnodalblatles" erschienen.

Aus BaLen, 13. Zuni. Nach dcm durch
dic Generalspnode in Karlsruhe heute mit
25 gegcn 5 Stimmen augcnoinmenen Antrag
aus Oeffentlichkeit ter Berathungcn bürfen
jctzt alle stimmberechtigten Mitglicver der
-evangelischen LandeKkirche Bädens so weit cs
dcr Raum gcstattet und sie mit einer von
dem Präsidcnten der Generalspnvde ausgestell-
ten Eintrittskarte versehen sind, ben Sitzun-
gen der Gencralsynode beiwohnen; es sei
denn, daß Gegenstände verhanbelt werden,
deren Geheimhaltung für nöthig erachtct wird.
Nichtbadener werden in angcmeffener Weise
Berücksichtigung finden.

Bom Neckar, 14. Juni. Dic Stadt
Heidclberg hat eine Auszeichnung, welche sie
östers wiffenschaftlichen Größen (wir nennen
u. A. Thibaut, Creuzer, Zachariä, Ticbemann,
Mittermeier, Chelius, Vaugervw, Häuffer)
zuerkanntc, nämlich das Ehrenbürgerrecht, nun
auch dem Geheimen Hofrath.von Mohl durch

Advocat Qonhard Pourquois.

Em Beitrag zur Sittengeschichre des Miüelalters.

Das cnge Freundschaftsbündniß, welches Larl VI.
von Frankreich mit dem Könige von Schottland im
Herbste des Jahres 1390 abschloß, war die Veran-
lassung zu einer Reihc von glänzcndcn Fcstcn, die
dicscr gutmüthige, aber gcistesschwache Monarch im
Louvre vcranstalten ließ und woran die auch da-
mals schon so leicht bcweglichen Pariser dcn lebhaf-
testen Anthcil nahmen, als plötzlich ein bis dahin
beispielloscs Verbrechcn die ganze Bcvölkcrung dcr
Hauptstadt in dic größte Aufregung versetztc und
sie von den kriegcrischen Aufzügen, Lustgefechtcn,
Bällen und Banquetten im Louvre gänzlich abzog.
Der Thatbestand «ar folgcndcr:

Ein rcicher Florentincr Kaufmann, Namens
Poalo, hatte sich seit mehreren Zahren in Paris
etablirt. Dcrselbe bcsaß Hrci Töchter von gleikh aus-
gezeichneter Schönheit, und der allgemcin verbreitetc
Ruf von dcn wundervollcn Rcizcn dicser Mädchen,
verbunden mit der blendendcn Pracht, wclche sich
dem Auge des Bcschaucrs in den reichgcschmückten
Läden des Kausmanns darböt, wo Seidenstoffe aller

Art, Goldbrocat, mit Perlen durchwirkte indische
Mousseline u. s. «. aufgehäuft lagcn, waren An-
zichungspunkte genug, um daS ganze elegantc PariS
und die vornehmsten Beamten aus der Umgebung
deS Königs täglich in diescs zaubcrhaste Etabliffc-
ment zu führen. Alle Tage sah man die Straße
der Lombarden, wo dic prachtvollen Magazine deS
KaufmannS sich befandcn, vollgepfropft von Reit-
pferdcn, reichgeschirrten Zeltern, von Pagen, La-
kaien und Menschen aus allen Claffcn, die, durch
dic Pracht der Waaren angclockt, thcils aus Kauf-
lust, theils auch auS Neugierdc sich vor ocn Schau-
fenstern des Ladcns vcrsammeltcn; auch gchörtc es
zum guten Tone, täglich in dcn SLlen des reichen
KaufmannS zu erschctnen, um sich daselbst von Stadt-
und Hofneuigkciten zu unterhälten, während Be-
dicnte dcn Besuchcrn Thee und HypokraS in gol-
denen Schalen der Reihe nach anboten.

Unter dcr Zahl der Stammgäste, wclche am HLu-
figsten in dieser feenhastcn Wohnung fich einfanden,
bcmcrktc man besonderS drei jungc MLnner, welchc
durch ihre hohe Geburt, durch Elcganz und Schön-
heit sich auszeichneten; es waren der Graf von Lagny,
der Marquis vo» Boijourdan und der Vidame oon

Maulle; alle drei, von Natur stolz, tapfer und leicht-
sinnig, trugen offcn die heftige Licbe zur Schau,
welche ihnen die drei Töchter deS Kaufmanns cin-
geflößt hatten, und verhehlten dabei nicht ihre Hoff-
nungen, die begonnenen Liebcsintrigucn sehr bald
zum ersehnten Ziele zu führen. lleber den guten
odcr schlechten Ersolg ihrcr Bcwcrbungen wurden
auch bcreitS von mchreren jungcn Höflingen be-
deutcnoe Wetten eingegangen, und in einem llcbcr-
maße von thörichter Großsprechcrci hiclt der Vedamc
von Maullc selbst die Wctte von 150 Goldthalern,
daß Bercnice, die jüngsre Tochtcr des KaufmannS,
noch am Weihnachtsabende dessclben JahrcS sich
in seinem Besitzc befinden wcrde. Zedermann war
aber übcrzeugt, daß diese höchst frivole Wctte durch-
auS nicht ernstltch gemcint sei, und selbst die Un-
besonnensten lächelten dabci nur und zuckten die
Achseln.

Jndeffen, in dcr Nacht deS WcihnachtSfesteS 1390
fingen plötzlich die Schildwachcn, die auf der Plat-
form deS großcn ThurmeS im Louvre aufgcstellt
waren, an, Allarm zu blascn, und bald beantwor-
tcten dic Sturmglockcn »on Notre-Dame, der Kirchc
deS heiligen Znnocenz und deS StadthauseS, d»S
 
Annotationen