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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0323

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M; 81.

Srscheint, Montags aüsgenömmen, täglich.
Preis vierteljährlich 54 kr.

Sonntag, 7. April

JnsertionSgebühren für die Zspaltige Petit-
zeile werdea mit 2 kr., bezw. 3kr. berechnet.

L8«L.

Besiellungen auf die Heidel-
berger Zeitung für die Monate April,
Mai und Züni werden fortwährend
bei den auswärtigen Postämtern an-
genvmmen, für Heidelberg bei -er
Gxpedition (Heugasse Nr. 2).

Zur Ministerkrifis in Wien

Daö seit einigen Tagen verbreitele Gerücht
hat nichl gelogen, es beslcht einc Mmisterkri-
sis und zwar ci'ne sehr ernste. Am Charsrei-
tag ist, wie bekannt, bie Entscheidung in der
siebenbürgischenAngelegenhkit auttlich zurKennt-
niß des Publikums gebracht worden, und wenn
wir hinzufügen, daß die Mchrzahl der Mini-
ster selber erst an dieseni Tagc dic getroffene
Entscheidung ersahren hat und dabei wahr-
nehrnen mußte, wie ihr einmülhiger Wider-
stand gegen die nun angevrdnete Neorganisa-
tion Siebenbürgens im magparischen Sinne
nicht hingereicht hatle, um die Gegenanstren-
gungen der ungarischen Fraction im Minister-
rath zu paralpstren — so weiß-der Leser ge-
nug, um beurtheilen zu können, welcher Na-
lur die aus solcheii Gegeusatzen hervorgegan-
gene Ministerkrists ist.

Dic „deutsche" Partei im Ministerium, zu
welcher, außer dem Staatsminister Ritter »on
Schmerling, der Finanzminister Edler v. Ple-
ner, der Kriegöminister Graf Degenfeld, der
JustiMnister Freiherr v. Pratobcvera, der
Mnister v. Laffer, ber Polizeimiuister v. Mec-
serp und der Handelsininister Gras Wilken-
burg gchören, ist, wie sich gezcigt hat, obwohl
zahlreich, Loch nicht stärk genug gewesen, uui
zu verhinder», daß die Anträge der ungari-
schen Minister, des Grafcn «zeesen unv des
Baron Vap, trotzdem durch bieselben der
Durchführung dcr Februar-Verfassung neue
Schwierigkeilen berettet werden, sanctio'nirl
wurden, unb es ist also wohl natürlich, daß
die Staatsmänncr, dcreii Wcrk die Verfaffung
ist, stch an ciner Ausführungsweise nichl bc-
»heiltgeii ivolten, irelchc diese kaum noch ins
iiebcii gclretene österrkichlsche Charte zu be-
schädigen droht, und däß mithlu die „dcut-
schen" Minister dem Minister-Prasidenten Erz-
herzog Rainer unter solchen Umständen ihre
Entlaffung angedoten haben.

Eine Eiitscheiduiig hicrüber ist, so viel uns
bekannt geworden, bis zur Stunde noch nichl
erfolgt. Die in den letztcn Tagen wiederholt
stattgefundeiien Ministersitzungen svllen burch-
aus nicht als ein Spmptom der Beilegung der
Differeuze» angesehen wrrben dürfen, sondern

waren lediglich der Erledigung von laufenden
Gefchäften zwar dringender Natur, aber unter-
'geordneten Rangcs gewidmet. Vorläusig ist
der Mtnister-Präfident nvch bemüht, den Con-
flict auszllgleichen, nnd in einigen Kreisen
hofft man, daß dies noch gelingen werde, ob-
wohl nicht einzusehen ist, wie dies möglich
werden soll, wenn nicht die eine der zwei Par-
teien ein principiclles Zugeständniß machr, so
daß cntweder die deütschen Minister Sieben-
bürgen den Ungarn preisgebcn und die Ver-
tretung auch dieses Kronlandes im Abgeord-
netenhause des Reichsraths gefährden, oder
der Hofkanzler zu der Einsicht zurückkehrt, er
könne denn doch die Februar-Verfaffung, wie-
wohl er dieselbe nicht unterzeichnet hat, nicht
ignoriren nnd müffe das Reichsministerium
als competente oberste Jnstanz anerkennen.

Die Zähigkeit, mit welcher die Szecsens
und Bap's bisher auf ihren Posten ausgehal-
ten haben und den ihrer »ationalen Miffion
manchmal sogar nachtheiligcn Constellationen
selbst noch günstige Wendungen zu gebeu wuß>
tcn, läßt kaum erwarten, daß der Hofkanzler
setzt seine günstigere Position nnaüsgebeittet
laffen wird, sondern legt vielmehr die Be-
fürchtung nahe, daß nicht er dic Kosten der
erforderlichen Rachgicbigkeit tragen wird. Wenn
nun andererseits die pvlitische Ehre es erfor-
dern solltc, daß Schmerlings Partei im Mi-
nisterrath, um ihre Grundsätze nicht aufzuge-
ben, sich, wie constitutionell gesinnte Minister
in derlei Fällen zu thun pflegen, von den
Staatsgeschäften zurückziehen würde, so müß-
zen wir dies als ein wahres Unglück betrachten.

Jn wenigen Tagen trcten die Landtage al«
ler Kronländer in Berathung, und für diesen
endlich nahc bevorstehenden Wiederbeginn ei-
nes constitutionellen Lebens erschicne cs uns
alö einc sehr verhängnißvolle Wendung, wenn
noch vor dcr Eröffnung dcr Landtage cin M-
nisterwechsel cinträte. Die Minister, welche
das Versaffungswerk bis zu dem Puncte ge-
fördcrt haben, auf wclchem daffelbe hcute steht,
müffcn deshälb sogar mit Verleugnung jedes
Selbstgefühls, natürlich ohne die bishcr von
ihnen vertretenen Grundsätze auch nur ein
Haarbreit zu verlaffen, das Opfer bringen,
wcnigstens so lange auf threm Posten zu blei-
ben, bis die gewählten Abgeordneten aller
Völker des Reiches versammelt sind, um mit
ihrem Votum dem Versuch der ungarischeu
Partei, aus Groß-Oesterreich ein Groß-Ungarn
zu machen, ein Ziel zu setzen. Üns scheint,
daß in dieser Phase, in welcher wir uns au-
genblicklich bestndcn, nicht blos die Verfaffung,

sondern das Reich selbcr auf dem Spiele
steht.

Wenn es bis heute nur eine ungarische und
eine venetiänische Frage gcgebcn hat, so wird
es von morgea ab eine österreichische Fragc
geben. Nicht darum bandelt es sich allein,
ob wir morgen statt Schmerling, Degenfeld,
Plener, Pratobevera, Mccserp, Laffer eine
Minsster-Combination Szecsen, Windischgrätz,
Holzgethan, Rieger, Hübner, Clam-Martiniß
haben sollen, sondern um die Großmachtsstel-
lung OesterreichS. Heute nvch ist Ungarn rin
Thcil des Reiches und streiket um einige Ne-
benländer, von morgcn kvnnen wir uns daran
gewöhnen, die deutschen Theile Oesterreichs
als die Nebenländer der Ungarn, Polen und
Czechen zu betrachten. Solcher Art ist die
Gefähr, welche die gegcnwärtigc Ministerkrisis
in sich birgt, und sie ist wahrlich groß genug,
daß wir, der vcrhältnißniäßig klcineren Mei-
nungsverschicdenheiten für den Augenblick ver-
geffend, die Erhaltung des Miiiistcriums
Schmerling an die Spitze aller Wünsche stellen,
die heute die liberalc Partei hegt. (Pr.)

Deutschland.

Karlsruhe, 5. April. Es wird
mit Bestimmtheit versichert, baß Steucrdircc-
tor Maper penstonirt und Finanzrath Forch
von der Steuerdirection zum Obereinnehmer
und Domainenverwalter in Mühlheim er-
nannt sei.

Bruchsal, 4. April. Die gester» hier
abgehalrene Conferenz protestantischcr Geist-
lichen war nicht zahlreich besuchk. Gegensland
dcr Bcrathung betraf die demiiächst zu er-
wartende Vorlage an die Generalspnvbe. Es
wurde beschlossen, eine Versammlung sämmt-
licher evangcltscher Geistlichen, bie sich nicht
den Durlacher Bestrebungcn angeschloffeu ha-
ben, nach Bruchsal zu berufen, sobald bie neue
Vorlage bekannt sein würbe.

Frankfurt, 2. Apr. (A. Z.) Die Hom-
burger Spielbank hat gestern wieder das Un-
glück gehabt, von einem Fremden, angebltch
einem Oesterreicher, um die Suumie von hun-
derttausend Franke« leichter gemacht zu wer-
dcn. Der Glücklsche war aber klüger als sein
Vorgänger, indem er mit seinem Gewinn iu
der Tasche abreiste, statr ihn nochmals dem
grünen Tisch anzuvertrauen.

Frankfurt, 4. April. Seit gestern, also
nach Verhaftung des Herrn P., wird unscre
Stadt mit esner Fluth der schmutzigsten ano-
npmen Briefe wahrhaft überschwemmt, in

Ein Abrnteurr unter Settkern.

MitgechM von Ed. Franke.

(Fortsetzling).

Per Mann blieb plötzlich stehen, sah mich ver-
ächtlich »on obcn bis unten an. — „Sie?" —ries
er höhnisch und lachte hell auf. — „Versuchen Sie
das einniall'f— '

„Jch will es nicht — denn Sic gefallen mir."

„Jch weiß noch nicht — ob ich mir das znr Ehre
rechnen darf", sagtc cr ruhig. — Sein Bltck maß
mrch dadei tmmcr noch mit einer gcwiffen Verachtnng.

Sein Betragen verlctzte mich tief; aber ich be-
zwang mich. Wollte ich mein Ziel nicht verlieren,
dnrfte ich ihn nicht entkommcn laffcn.

„Jch wtll die Gründe Ihrcr Handlungsweise nicht
erforschen", hub ich wieder an.

Er lächeltc. — „Sie machen es wic dcr Suchs
mit dcn Trauhen. - Nun weiter."

„Jch versprechc Jhnen Verschwiegenheit" -

„Doch wohl erst, wenn ich sic begehre? — Bis
jetzt dünkt mich, bedarf ich deren nicht. — Zllnswnen
kann Ntcmand hindern — auch Niemand richten.
Doch weiter. —"

„Jch verspreche" —

„Versprechcn Ste weniger und erfüllen mehr."

„Hier, dieFünfguldennot« fürBeantwortung etner
Frage." — Jch hielt sie ihm hin.

„Hm", sagte er. — „Die Schcibe ist hart — dic
Metallspitze des Pfeilcs ctwas dünn — wenn sie
stch bicgt und der Pfeil nutzlos zu Boden fältt,
meinc Schuld ist es nicht. — Indeß , laffen Sic
die Frage hören — ich will prüfen, ob der Pfeil
scharf genug ist, die Brust zn öffnen."

„Kennen Sie das Mädchen, welches dort in d«r
Kirche meine Blicke auf sich lenkte — auch die Jhri-
gcn zu sich hinzuziehen schicn ?"

„Es waren viele Mädchen dort. — Ach aberbin
kein Schmctterling mebr, der, um eines Kuffcs
willen, jeder Blume in die Augcn schaut."

„Sie saß unweit diestr Thüre. — Ein blauer
Hut mitJasminblüthe umschloß dte hcrvorquellcn-
den blonden Lvcken. — Ein wctßes Kleid schmicgte,
sich sanst an dcn anmuthtgen Körper. — Ein ros»
Shawl umhüllte leicht ihrc Schultern. — Aufkei-
mende Liebe mit Unschuld und Treue gepaart, sprach
ans dem schönen Bilde."

Der Mann lächelte ob meiner eraltirte» Be-
schreibung. —

„Hm, hm. — Jch erinnere mich jetzt. — Aber
Liebe uud Unschuld liegen schon so weit hintcr mir,
daß ich ihre Physiognomicn nicht mehr recht er-
kenne und die Treue hat sich oft in der Weltsttbst
den Kopf abgeriffen, daß nur Reue übrig geblieben
ist. -- Sie häi fast gar kcin Gesichi mehr — wie
soll inan fie da erkennen. — Doch das Mädchen,
weiches Zhr beschreibt 7--"

„Kennt Zhr sic ?!" rief ich schnell,

„Und wenn ich dres beantworte, find dann die
fünf Guiden mein?" fragte er.

„Sie find es." Ich reichie sie ihm.

Er nahm sie rnhig, prüfte, am Achte, ob sie
auch nicht falsch wären, steckte fie in dic Täsche
und sagte: „Jch kennc sie." :Er wendete sich zum
Gehe».

„Halt!" rief ich. „So habcn wir nicht gewettet."
„Natürlich. — Wctten kann uur, wcr etwas zn
verticren hat, das ist bei mir nie der Fall. — Darum
«ette ich nic — sondern verdiene."

„Gut also. Wer ifi fie? —"

„Eure Frage ist für diestn Svchn beantwortet. So
la'utete unstr Akkord. - Jch bjnde mich stets feft
an mein gegebems Wort. - Lebt wohl> —"
 
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