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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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April
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»ZL L86L.

^ .7^ . ..

Die Frist.

Der Sommcr schunl hingeheii zu wollen,
ohne daß Deutschlanv das Schwert zu zieheit
braucht. Die Frist rst dadurch verlängert
worden, in welcher sich das Baterland in
geordneter Weise zu einer sestercn siaatlichen
Mnigkeil zusammenschließen kann. Werden
wrr sie nüßen? So weit die Regierungen
dabci mitzuwirken haben, nein! Darüber wal-
tct in der gcsammtcn Nati'onalpartei wohl
längst kein Zweifel mehr ob, vaß von dem
guten Wiüen der Jnhaber der Staatsgewal-
ten nichts zu erwarren steht. Sie haben bis-
her nur Noten geschrieben und resultatlose
Eonferenzen abgehalten, unv sie werden in
Zukunft auch bloß ver nämlichen Thätigkeit
obliegen. Seil zwei Jahren ist noch keine
Kanone weiler am Norvseestrande aufgepstanzt,
kein Kriegsboot vom Stapel gelafstn, keine
Schi'ene zu einer Eisenbahn gelegt, die den
Aahvebusen mit Minven in Verbinbung setzte.
Die Frage über dic Anführung im Bunves-
kriege ist auf der großen BertagungsaNstalt
zu Frankfurt a. M. glücklich wiever hinaus-
geschoben. NichtS ist geschehen, als vaß „der
hvchwohlgeborne Hr. Dr. Laurenz Hannibal
Fischer, quiescirter oidenburgischer Staatsrath
und bestelller Auctionatvr der veutsch. Flotte",
wie er selber sich in einem Jnserate der
„Allg. Z." nennt, eine Nationalpension vom
Bunde erhalten hat, worüber er nun mit ei-
nem frechen Hohne öffeütlich frohlockt, als ob
gar keine Haselstvcke mehr auf veutschen Ber-
gcn wilv wüchsen. Wir wieverholen es, von
Seiten der maßgebenden Kreise ist inzwischen
keine einzige nationalpolitische That vollbrachk,
wenn man nicht etwa ein übermäßiges Ge-
wicht anf den Lorbeerkranz vo» evlem Me-
talle legt, wclchen jetzt eine Reihe vculscher
Fürstinnen der Königin v. Neapel vafür über-
rcichen, daß sie alö Gattin ihre Psiicht ge-
than hat... . kommt das vielleicht auf den
Höhen der Gescllschaft fo selten vor? Für
den Historiker licgt i» dem energifchen Auf-
treten der deutschcn Prinzesfin nur ein er-
neuerter Beweis, daß bei den Bourbonen
allcmal die Frauen den Muth besitzen, wel-
cher ihren Männern gcdricht.

Wenn aber jede Hoffnüng aufgegeben wer-
den muß, die Vas nationale Heil von Oben
crwartel, so müffen wir um so energischer
die Hoffnung auf uus selbft setzen. Die
Spanne Zeit, die sich noch bis zum Aus-
brüche dcS unvermeidlichen Kampfes darbie-
tet, ist auf alle Weise auszunutzen. Wir

Dir Heirathscandidllten.

E Novellc von Wilhelm Znngmann.

(Fortsetzung).

Als man nun aber aufgebrochen war, uw von
hier aus die Wanderung nach dcm nahen Fürsten-
lagcr, cinem in einem romantischen Thale gelcgenen
Sommeraufcnthalt d.cS Großherzogs von Heffen-
Darmstadt, zu beginnen, da kam Brenner nicht mehr
von dcs lieblichen MLdchens Seite, um sic auf alle
die Schönheitcn aufmerksam zu machcn, dic fich hier
vor thren staunendcn Blicken entfalteten. Rings
von Hügeln und Wald umgcbe», führt eine lange
Allee mitten in das Thal hinein, bts dicht an einen
schöncn freien Platz, auf welchem die nicderen Ge-
bäulichkeiten des SommeraufenthaltS zcrslrcut um-
herliegen, gleich dem Landgute eiues reichbegüterten
Oeconomen. Nirgends gewahrt das Auge cinen
hervorragenden, imponirenden Gcgenstand. Nljes
qthmet hier Ruhe, Friede qnd edhe Einfachheit. D«
erhcht sich der Strahl einer kleinen Fonjäne und
fällt dann wteder .zurück in's einfache Bassin, in
welchem harmlos die Fischchcn sich tummeln. Dort
zwitschern und pfeifen Hunderte von Vögeln in

vermögcn selbstverständlich allein aus uns
herauS die staatliche Einheit von Deutschland
nicht auf die Füßc zu strllen, nur die Ereignisse
können die starren Stoffe in Fluß bringen,
unsere Arbeit ist und bleibt zunächst eine
gcistige! Sie hat stch in erster Linie darauf
zu richten, daß die Vaterlandsliebe in der
ganzen Nation voll und warm erwacht. Des
Mannes Vaterlandsliebe ist sein beftes, sein
edelstes Selbst. Wir müffen ferner darauf
hinwirken, daß Kopf und Herz in Nord und
Süd, in Ost und West sich sicher verständigt,
und daß ein muthiges, stolzes Selbstständig-
keitsgefühl wieder in der Brust der Menge
aufwacht.

Während der letzten zehn unseligen Reac-
tionsjahre ist der sittliche Gesammtgehalt deS
deuischen Bolkes gcradezu polizeilich zerkrüm-
melt wordcn. Der kleinbürgerliche L>inn setzte
stch an jevem Heerde warm; die Selbstsucht
gewann üher die patriot. Opferbereitwilligkeit
die Oberhand. llnscr ganzes.öffentliches Le-
ben, durch das in dcn vierziger Jahren cin
so frischer Schwung gezogen war, nahm ei-
nen hausbackenen krämerlichen Character an.

Erst mit der nahenden Gefahr kam eine
sichtbare Strömung in den zum Sumpfe ge-
wordenen Teich ! Allein immer ist doch nur
der Anfang zu der nothwendigen national-
sittlichen Wievergeburl des Volksgeistcs ge-
macht, die alte» Schäden sreffen noch vielsach
weüerl

CS muß wieder Mannessinn und Mannes-
wort in Deutschland zur Geltung kommen,
wir müssen uns wieder an ein öffentliches
Leben gewöhnen, das nicht mehr eingcpfercht
in die engen Grenzen deö PartikulariSmus.
Der Gedanke an's Baterlaad muß auf's Neue
der Anfang und vas Ende unscres sittlichen
Wollens scin. Die Nachwirkungcn der Reac-
tion stnd zunächst mit sittlichen Mitteln zu
bekämpfen, in ihnen liegt, der inneren Un-
sittlichkeit und Selbstsucht des sonderländi-
schen Partikularismus gegenüber, cine für-
wahr nicht gering anzuschlagendc Macht.
Nützen wir in solcher Weise die Frist; ein
Volk, das keine moralischen und geistigen
Waffen sich in ehrlicher Arbeit zusammenge-
schmievet hal, dem werden auch in einem gro-
ßen, um sein nationales Dasein geführten
Kriege seine Schwerter nicht viel helfcn.

Hand in Hand mit vieser Aufgabe geht dann
dic Nothwendigkeit, daß wir uns, wie gesagt,
über die nächsten practischeu Ziele zu verstän-
digen 'suchen.

Zetzt kommt es darauf an, daß das Volk

«inem koloffalen KLfig mitten auf einer grünen
Matte, welche sich dem Hauptgebäude gegcnübcr
einen mäßigen Hügel hinaufzietzt, auf welchem ein
auf vter SLulen ruhender Tempel in prunkloser
Einfachheit ruht. Nirgends läßt sich Jemand blicken.
Alles ist «ie auSgcstorbcn, nur in dcn hrrrlichen
Anlagcn hinter und nebcn den GebäudeN wandelt
ein alter Znvalide umher, das Eigenthum des Für-
sten zu bewachen, «enn er, entfernt von diesem sttllen
Thale, in seiner R-sidcnz zu Darmstadt weilt.

So war es auch heute. Niemand vom Hofe war
anwesend; keine beengende Form störtc die Gesell-
schaft, sich alles mit Muße zu betrachten, und freu-
dig und gerne «Lre sie noch lLnger hier geblieben,
HLtte nicht der cine Gedanke alle bcseelt: noch schö-
neren, großartigeren Genüffen eritgegcn zu gehen!

Von hicr aus führt ein wenn auch stetler, doch
bequemer Weg auf die mit dtchtem Walde bedeckte
Anhöhe hinauf, auf wclcher die Trümmer des ehe-
mals von einem berühmten Geschlecht bewohnten
Aucrbacher Schloffes licgcn. Picse herrliche Ruine
«ar das nLchstc Zicl des heutigen Ausfluges, und
sie so> bald als möglich zu erreichen und »on ihrer
Höhe herab die entzückende Aussicht .in das blühende

sich klar und nüchter.rr auf scine Zntercffe»
besinnt, sich über diesclbeu ehrlich ünd offen
berätst, und die darin sich aufwerfendeu Ver«
schiedenbeiten bereitwillig ausgleicht.

Dabei kann es nicht ausbleibep, daß wieder
Männer hervortretxn, in welchen d'ie Nation
bereitwillig ihre Führer erkennt. Character
und Jntelligenz bedürfen der öffentlichen Be-
khätigung. Rur darum, weil djesc fehkte, ha-
ben wir so lange der Leitung fäbiger popü-
lärer Politiker entbehrt. Jst, wie wir am
Eingange sagten, von den entscheidenden Krei-
sen keine heilbringende Thätigkeit für das Va-
terland zu erwarten, fällt dle gesammte pa-
triotische Arbeit der Nation allein zu, dan.n
muß auch vie Natt'on ihre Minister haben.
Und Gottlob, es mangelt ihr nicht an Män-
nern, die diesem patriotischen Pösten gcwach-
sen istnd. Blöß die Zeit fehlte denselben bis-
her, daß fie hervortrcten und ihre Befähigung
dazu darthun konnten. Auch dafstr muß die
sich darbietende Frist ausgenutzt werden; und
so lceffet denn auch uns sagen: Zeit gewonnen,
Alles gewonnen. (W. d. Nat.-V.)

D e u t s ch l a n

Karlsruhe, 24. Aprtl. Das hcute erschtenene Regte-
rungsblatt Nr. 19 enthält eine Bekanntmachung LeS großh.
MinisteriumS LeS großh. HauseS und der auspärfigey An-
gelegenheiten: Den StqatSvertrag zwischen Baden und
Spanien über gegensettige AuSlieferung von Verbrechern
betreffend.

Mannheim, 22. April. Heute wurde
dahier in öffentlicher Sitzimg des grvßherzogl.
Obcrhofgerichts übcr die Nichtigkeits«
beschwerde des von dem Schwurgerichk des
Oberrhcinkreises in der Si'ßung des 1. Quar-
tals wegen Meineidö zu einer mehrjährigen
Zuchthausstrafe verurtheilten Joseph Kefer von
Marbach, Amts Mllingen, vcrhäydelt. Der Ge-
richtshof verkündigte nach mchrstüzidiger Be-
rathung daS Erkenntniß, wornach die Nich-
tigkeitsbeschwerde als unbegründer verworfen
wurde.

Rastatt, 23. April. Gestern fayden unter
Anleitung preußischer Artillerie - Unterofficiere
Schießübungen mit gezogenen Festungslanönen
statt, wobei stch ein beklagenswerther Fall er-
eignete. Beim Abfeuern des eincn Stückes
sprang eine zur Ladvorrichtung gehörige me-
tallenc Klappe oder Hülsc ab und zerschmet-
terte cinem badtschen Wachtmeister die Hirn-
schale; der Unglückliche wurde noch iebend in
das Spital gebracht, seln Zustanb svü aber
cin hoffnungsloser sein. (S. M.)

Laufenburg, 23. April. Nicht geringeS

Rheinthal zu genießen, der sehnlichste Wunsch der
ganzen Gesellschaft.

Ohne einen Führcr mitzunehmen, da ciner der
jungeN MLnncr die Gegend genau kanntc, begann
nun das Besteigen des Bergeö. Voller Nnzedulk,
so bald als Möglich auf seiner Höhe anzuköürmen,
wurde gar vft der bequemere Weg verlassen, zuüi
Lnßersten Schrecken der armen Mädchen, die fich
dann, von dcn jüngen MLnncrn gestützt, öst nür
mit der Lußersten Mühe dcn steilcn von BLumen
besLeten Pfad hinaufzuwinden vermochten, und trotz
der Stütze dennoch oft in Kefahr gericthen, den
zurückgelegten Weg schneller wieder hinabzustürzen,
als sie hinaufgekommen waren, hättc nicht hie und
da eine junge Buche ihncn einen ferneren Anhälts-
punkt dargeboten.

Mit der äußersten Vorsicht hatte Brenner seme
schöne Nachbarin vom Kaffeetische tn der Kronc zü
Aucrhach den Berg hinaufgeleitet. Unahlqssig be-
müht, ihr jedc Hrlfc angcdcihen zu laffen, war es
ihm gclungcn, sic ohne Unfall glücklich an's Ziei
zu bringen, aber dafür «ar ihm auch, oben ange-
kommcn, ein solch sreundlicher Dankesbltck aus He-
lenen's, so hicß das schöne MLdchcn, feurigen Augeu
 
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