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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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M: 13.


Frettag, 18. Zanuar

ZnsertioirSgebührea fär die Zspaltige Petit-
zeile werde» mit 2 kr., bezw. 3 kr. berechnet.

js Zur italienischen Frage.

Mit der Abberufung der französtschen Flotte
vvn Gaeta, welchc eventuell von dem Kalser
der Franzosen ln Ausstcht gestellt worden ist
(und mittlerweile auch erfolgte), wird die ita«
licnische Angelegenheit in eine weitere, etwas
verändertc Phase trcten. Diese Maßregel
dürfte nur scheinbar zu Gunsten des italieni-
schen EinheitsstaateS sprechen und wird die
Anficht Derjenigcn, welche einen solchen als
der französtschcn Politik unerwünscht darsteü-
ten, nichl entkräften. Denn wenn selbst Vic-
tor Emanuel dc» Widerstand des Königs von
Neapel in seincr Scefeste bricht, wird das
ganze Königreich beidcr Sicilien mit Vem
übrigen Jtalien zu eincm Reiche vereinigt, so
hat nach wie vor der französischc Einfluß fe-
sten Fuß auf der hespcrischen Halbinsel. Er
hat diesen schvn wegen der sortwährenden Be-
seßung Rom's allcin, der eigentlichen, natur-
gcmäßcn und durch historische Traditionen be-
stimmten Hauptstadt von Ztalien. Er hat
denselben aber fcrner noch wegen VeneticnS,
denn so langc diese letztere breunenve Frage
nicht zu Gunsten Gesammtitaliens gelöst ist,
kann selbstverständlich von vicsem die, wenn
auch zweibeutigc Freundschaft FrankrcichS, nim-
mermehr aufgegebcn over zurückgestoßen wer-
ven. Was nun den wegcn Venetiens früher
mit ziemlicher Zuvcrsicht bereitS angesaglen
Kampf gegen Oesterrcich betrifft, so klingen dic
neuesten Nachrichten zwar etwas friedlicher
und scheint man von Seite» der Lenker der
Geschicke Ztalicns nicht abgeneigt zu sein, deu-
sclben auf unbestimmte Zeit Hi vertagen unv
stch eiiistweilen mit dcr so nöthigen Organi-
sation der übrigcu ancrfallenen Theile Zta-
liens bcfassen zu wollcn. Jmmerhin ist diesc
Vcrtagung nur eine Frage bcr Zeit und wird
frühcr oder spätcr ein wcitercr Aufschub nicht
möglich scin. Anßer dem Drängen Garibal-
bi's und der italienischen Nationalpartei auf
Vas Bcginncn dieses Kampfes können noch
weitere, zur Zeit nicht mit völliger Sicherhcit
vorauszusehende Erel'gniffc hiefür cntscheideud
sein, z. B. der küezere oder längere Wiber-
stand ves Königs von Neapel, etwaige wei-
tcre Schwierigkeiten, auf wclche die Annerion
dieses lctzteren Landes stoßen wird, die feruere
Gestaltung dcr inneren Berhältnisse Ocstcr-
reichs uud vor Allem der künftigc, schwer zu
ergründcndc Wille Napoleons III-, der sich,
nach Maßgabe seiner bisher stets,eingchalte-
nen Gelcgcnhcitspolitik, lediglich darnach bc-
stimmen wirv, ob seinen politischcn An- und

Abstchten ein erneuerter Krieg in Ztalien mo-
inentan gelcgen kommt oder nicht.

Würde aber selbst das Aeußerste eintreten,
würde, was wir — so sehr wir sonß eincm
ersprießlichen Gedeihen der italienischen Na-
tionalangelegenheit nicht abhold sind — vom
deutschen Standpuncte auS nimmermehr wün-
schen köuncn, das berühmte Festungsviereck
und das stolze meerumgürtete Benedig der
Macht ver vcrcinigtkn französischen und ita-
lienischen Waffen nicht widerstehen, und Bik-
tor Emanuel als König von Gesammtitalien
sich am Zicle seines Strcbens befinden, so
würde dennoch nicht eiutreten, was viele allzu
eifrige und enthusiastische Freunde der italie-
nischen Einheit in Deutschland hoffen und
wünschen. Die in allzu rosiger und illuso-
rischer Wcise dann in Äussicht gestellte völlige
Unabhängigkeit Jtaliens von Frankreich und
die Anbahnung einer Äüianz der neubegrün-
detcn südlicheu Großmacht mit Deutschland
würde selbst dann ausbleiben und Jtalicn
nach wie vor dic Macht unserer Feinde ver-
mehren. Es würde diescs gcschehen wegen
dcr romanischen Stammcsverwandtschaft und
Characterähillichkeit der beiden Völker, wegen
älterer unv neuerer Traditionen, in Folgp
vercn sich die heißblütigen Ztalieuer stets mehr
zu ven ihnen wcit näher stehenden Franzosen
angezogen fühlen werden, als zu den Dent-
schen, welche sie, mit vereinzelten Ausnahmen
unter den gebildeten Ständen, fort und fort
als ihre Unterdrücker betrachlen. Eine inni-
gerc Annäherung JtalienS an Deutschland
wird abcr, so sehr uns eine solche untcr an-
dern Umftände» selbst erwünscht wäre, auch
deßhald nicht ftattfinden könncn, weil vic ei-
gentliche tonangkbknde Partei in diesem Landc
nicht cinmal vurch vie Erwerbuug Vcne-
tiens sich am Ziele ihrcr Wünsche sehen,
vielmehr nach.dem mlS Norm cines neuen
Völkcrrechtes an der Scin« aufgestelltcn Ra-
tionaliläsprincips ihre Augen auf Südtprol,
Triest und Zstricn werfen, und trachten würde,
Deurschland vüllig vom adriatischen Meere
abzuschlicßen.

Uuter solchen, leidcr in keincii Zweifel mehr
zu stellenden Umstäuden, gewinnt die vor
wknigen Tagen von Rodbertns und an-
dckn Mitglicdern d e früheren deutschen de-
mocratischen Partei abgegebene Erklärung an
Gehalt, Bedeutung und an innerem Werthe.
Wenn bei ver Zersahrcnheit unserer Zeit uud
der oftmaligen Verwirrung der politischen Be-
griffe ein wahrcs Wort gcsprvchen worden
ist, so ist es cbcn diescS, daß man unS Deutsche

von einer gewiffen Seitc dazu vcrdammen
will, den Grundsatz der Nativnalitäicn und
zugleich alle Ausnahmen davon gegen
uns gcltcn zu laffen. Wir werdcn nvch be-
sondern Anlaß nehmen, über diesen Punkt uns
näher auszusprcchen.

Für jetzt schließen «ir, indcm wir als wer-
tere Gründe cines fortwährenden Abhängig-
keitSverhältniffes Jtaliens vvn Frankreich noch
die anführen, daß di'e letztcre Macht durch
Znnehabung des nordwcstiichcn ZugangeS (in
der Bergfcste Savoycn) nach wie vor ün
Stande ifl, jeben ihr beliebigcn Druck suf
Ztalien auszuüben; noch mehr vermag sie aber
diescs als bcdcutend angewachsene Sccmacht.
Jn wenigen Tagen kann Frankreich in dicser
Eigenschaft mit ei'ner Flottc an jeder ihm be-
liebigen Steüc der Westküstc des langgcstrcck-
ten Halbinsellandes cinc Armee ans Land
setzen, Jtalien in pvlitischcr und militärischcr
Bcziehnng in zwei Hälftcn trennen, unb hie-
durch jeden ihm dort nachthciligen Einflnß
brechen und aufheben. Durch alle dicse Um-
stände dürfte eine völlige Abwendung Jtaliens
von Frankreich wohl noch iu nebelhafte Ferne
gerückt sein!. —

D e u t s ch l a n d.

Aus Baden, 13. Jan. Uebcr die Er-
kvwmiinikativn, bic jüngfi in Lahr über vier
achtbare katholische Bürgcr auSgcsprochen
worden ist, schreibt der „Schw. M." u. A.:
„Zur Rechlfertigung eiiies solchcn Vcrfahrens
beruft man sich kirchlichcr Seits auf Vorschrif-
tcn des römisch-kanonischcn RechtS, vb und
in wie weit mit Grund obcr nicht,.kan» an
sich gleichgiltig sein. Der hier entschkidende
Haupipunkt ist, daß jclies fremde Recht bci
uns iu Baden nur'insofern Geltung hat nnd
haben kaim, als es m'it dcr Verfaffung und
ben Gesetzen des Landes uicht im Wibcrspruch
steht. Denn svust könntc man durch solche
Berufung auch jenes mit der Ordnung cines
Staats niemals in Einklang zu bringend«
Verfahren rechtfertigen woüen, nach welchem
öffeniliche Diener und Beamtc des Staates,
ehrliche und redlichc Männcr, ohne Weitcres
mit dem Bann bclegt wurden, blos deßhalb,
weil sie ihrc dem LanbeSfürsten geschworene
Treuc und ihrc Dienstpflicht nicht zu Gunsten
ultramontaner Parleibestredungen verletzen
woüten noch konnten."

* Aus Baden- Nach öffentlichen Blät-
tern spukt bcr ultramvntane Geist aller Or-
ten in unserem Lande. Einige crbauliche Be-

Zir lirbt mich.

Novellctlc von Carl Stugau.

(Fortsetzung).

Thcodor sah betroffen auf, es «ar das erste Mal,
daß er seine Frau nicht unbedingt lobcn hörte.

„Was wollcn Sie damit sagen?" fragtc er, „ich
sehc, daß Sie etwas auf dem Herzen haben; sprechcn
Sie es aus, sagen Sie, was Sie an Melanie
auszusetzen finden."

„Es war eigentlich mein Vorsatz, nichts zu sagen",
antworlete die Lante, „weil ich aus Erfahrung
weiß, daß man scltcn Gutcs stiftet und Pank erntet,
«enn man eines von den zwei Ehegattcn auf die
Fehler des andcren aufmerksam macht, allein da
Du mich geradczu aufforderst, so will ich Dir meine
Meinung nicht vvrenthalten. Ach bin zwar erst
acht Tage in Deinem Haus, aber diese acht Tage
haben hingereicht, mir zu zeigen, daß Deine Frau
eine schlechte Wirthschafterin tst, was ich um deß-
«illen bedaure, wetl ich weiß, daß Eurc Vermö-
gensvcrhältniffe nicht glänzend find. Es gcht in
Eurer Haushaltung entsetzlich viel Geld auf, ohne

daß Ahr hcsonders gut lebt. Eine Frau, die Vcr-
ständniß und Sinn für die Haushaltung hat, würde
die Hälste dcffcn, was ihr braucht, crsparen, ohne
daß Euch in irgend etwas Abbruch geschähe. Me-
lanie konntc mir gestcrn, als zufällig die Redc
darauf kam, nicht einmal sagen, was Mchl und
Schmalz hicr kostcn und wre viel Eier man zu
eincm Pudding braucht. Jch sehe, daß die Kochin
nach Belicben schalten und walten kann, und daß
sie Dciner Frau das Doppelte und Dreifache auft
rechnct. Wohin soll das führen? Und dann sehc ich
Dcine Frau, statt Wäsche ausbeffern und Strümpfe
stricken, den ganzen Tag dort sitzen und Romanc
lescn oder Clavier spielen. Wenn sic es nun so
macht, während ich hier bin, wo doch anzunehmcn
ist, daß sie sich zusammennimmt, wic wird sie es
erst machen, wenn sie sich unbcobachtct weiß?"

„ES mag etwas Wahres sein an dem, was Sie
sagcn, licbe Tante", sagte Theodor zicmlich klein-
laut, „aber «enn es Fehler sind, was Sie rügen,
so sind es keine Eapitalfehler und laffen fich,. wo
nicht rechtfertigen, so doch entschuldigen. Wenn
Mclanic der Köchin nicht auf die Kinger sicht, so
schreiben Sie daS ihrem arglosen Gemüth zu, das

fich nicht cinfallen läßt, daß einc Mrgd, gcgen dic
sie so gütig ist, darauf ausgehen könne, sie zu be-
trügcn. Wcnn fic ketne Strümpfe strickt, so nehme
ich ihr das nicht übel, weil ich dcr Mcinung bin,
daß eine geistvolle Frau an einer so monotonen
Bcschäftigung unmöglich Gefallen findcn kann, und
wenn meine Frau Büchcr liest und Clavier spielt,
so kommt cS daher, daß sie gebildet ist und das
Bedürfniß sühlt, suh gcistig zu bcschäftigen."

>,Es macht Deinem Herzen Ehre, lieber Thcodor",
erwiderte dic Tante, „daß Du den Schutzredner
Detncr Frau machft; auch sind es die gerügten
Fehler keineswcgS, die ich ihr am höchsten anrcchne,
obwohl fle schon schlimm genug find. Was mtr
weit mehr an ihr mißfällt, das ifl ihre Putzsucht.
Bringt fle nicht stundenlang täglich vor dem Spiegcl
zu? - Thut sie es nicht tn Kleidern, Hüten und
Shawls den Frauen der hohen Aristokratie und der
Börsenkönige gleich? Wärst Du reich, so wollte jch
»ichts sagen, aber wenn ich bedenke, daß das Sci-
denkleid, das fie auf dem Leibe trägt, die Krucht
dcffcn ist, was Du in mehrtägiger Aeißiger Arbeit
oerdient, dann dreht sich mir, ich verhehle eS nicht,
das Hcrz im Leibe um."
 
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