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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Juni
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I

'






Freitag, 21 Zuni


L8«L.

Die nordamerikanifche Crisis.

(V-rgl. Nr. 13L d. Bl.)

II.

Die nächste Ursache, welche die bis zu offe-
nem Blirgerkriege angefachte Zwietracht in
per iiorrauierikanlschkn Union veranlaßtc, lst,
wic alldekannt, die Sclavensrage. Der Abo-
litioiispariei dcs Nordens stetzt die sclavenhal-
tende Partei Ves Südens schroff gegcnüber.
Man würde sedoch irrcn, wcnn man diesc
Ursache, die im gegenwärtigen Augenblick wohl
die hauptsächlichste ift, zugleich für die cinzige
halten würdc. Man wird viclmehr bei nähe-
rxm Eingchen auf die geschichtlichen Verhält-
nisse der Union finden, daß noch manche an-
dere Eleineme mitwirken, um dicsen Staaten-
compler in zwei Hälften zu spalten. Schvn
kurze Zeit nach Gründung der Union und
Zoi'tseKung der Biindesverfassung machten stch
in Bezug auf dieselbe im Norden unv Süden
zwei, mchr oder weniger sich feindlich gcgen-
überstchciide Parteien geltend. Die eine der-
sklben, im Norden, trachtcte nach einer größe-
ren Centralisirung dcr Bundesrcgierung, wäh-
renddem die Losung der andern (im Süden)
eine möglichst bedeutende Unabhängigkeit und
Souveranität dcr einzelnen Staaten war.
Der Ictztcrn Partei gingcn die au die aUgc-
meine Bundcsregierung übertragenen Voll-
machten bcriits zu weit, und dieselbe erklärtc
sich mit Mißtrauen wider die elwaige Anbah-
nung eines nivellirenden Gesammlstaales. Eine
Folge hievon war schon iin Zahre 1832, un-
ter der Präsidentschaft Zacksvn, ein Vcr.such
des Staates Südcarvlina, die Autorität dcr
Bundesregierung durch Annullirung des Ver-
einigten Staaten-Tarifs bci Seite zu setzcn.

Mil jenen bciden, unler sich entgcgenstehen-
den Richlungen im Zusammenhange, jcdvch
nicht vöüig identisch, warcn die Parteien,
welche aus den verschiedenen Ansichten über
das zu befolgende Spstcm der Steuercrhebung
entsprangen. Hohe Einfuhrzöllc und eine künst-
liche Besörderung einzelner einheimischcr Jn-
dustriczwcige befürworiete man häufig in dem
industriellen Norden, währeud der vvrzugsweise
auf die Bodenproduction (insbesondere von
Baumwollc) angewicscne Süden mehr für eine
Art von Freihantelsspstem war und dahin zu
wirken suchte, daß die Kosten der Negicrung
(anstatt ourch Zöllc und indircctc Steuern)
durch eine directe Bestcuerung gedeckt werden
solltcu.

Zu diesen practischen streitigen Puncten
kvmmk, wie nichk zu vci'kelincn ist, ciu wcite-

rer AntagonismuS, der stch im Laufe der Zeit
zwischen dcm Norden und Süden überhaupt
herausgcbildet hat und deffen Ursprung in dem
verschiedenen Character der beiderscitigcn Be-
völkerungen zu suchen ist. Diese Verschieden-
hcit aber ist durch die sehr heterogene Ab-
stammung, dic climatischen und gesellschaft-
lichcn Vcrhältniffe, die Lcbensweise und Er-
ziehung bestimmt. Der Südländer (häustg
von romanischer Abstammung) hält sich für
rittcrlicher unb befähigter zum Sclbstregieren,
ivährenbdcili der Nordländer (Iankee, meistens
von germanischer Abstammung) stch auf seine
höherc Cultur itnd Gesittung viel zu gut thut.
Dicsc beiderseitigen Richtungcn mit ihren Vor-
zügcn und Fehlern traten bei weiterer Ent-
wicklung immer schroffer hervor. Der that--
sächlichc Unterschiev zwischen der Eigenthüm-
lichkeit dcs Nordens und des Südens soll
jctzt kaum geringer sein, als zwischcn zwei
völlig verschiedcnen Nationen Europa's, z. B.
den (romanischen) Franzoscn und den (ger-
manischen) Engländern, abgcsehen nämlich vou
der gemeinsamen Sprachc und der bishcrigen
gemeinsamen Negierung ker Nordamerikancr.

Jn einem weitern Artikel werden wir die
Rückwirkung dcr amerikanischen Wirren auf
die Bcrhältniffe unseres Welttheils, sowie die
wahrscheinlich tief greifenben Kolgen für dic
künftigen Zustände der Union seldst einer kur»
zcn Beleuchtung unterwerfen. Die jetzige po-
litische nnd svciale Crists dvrtselbst ist seldst-
verstänolich von der äußersten Wichtigkeil und
würdc die Aufmcrsamkeit Europa'S vffenbar
noch in weil größerem Grade in Anspruch
iiehmen, wenn dezüglich der politischen Ver-
hältniffe unsereS Welttheils zur Zeit selbst stch
nicht die bedcntendsten Fundamcntalfragen auf-
werfen und durchkreuzen würden.

Deu^schland.

KarlSruhe, 19. Zuni. DaS gr. bad. RegierungSblatt
Nr. 28 vom Heutigen enthält : l. Unmittelbare allcrhöchste
Entschlteßungen Sr. Kön. Hoh. des Großhcrzogs. 1) Or-
densverlethungen: Se. Kön. Hoh. der Großherzog haben
Sich gflädigst bewogen gesunden, dem 1)r. Henrt van Hols-
beek tn Brüssel daS Rttterkreuz des OrdenS vom Zähringer
Löwen und dcm Regterungsrath l)r. Ullmann dieselbe Aus-
zeichnung mit Eichcnlaub zu verleihen. 2) Dtenftnachricht:
Se. Kyn. Hoh. der Großherzog haben Srch allergnädigst
hewogen gcsflflden, dem Obereinnehmer Winter in Emmen-
dingen die erledigte Obereinnehmerei Mannhetm zu über-
tragen. U. Lcrsügungen und Bekanntmachungen der Mi-
nisterien. 1) Gr. Mtntstertums dcs Jnnern vom 8. d. M.,
den Stand d?r allgemeinen Schullehrerwittwen-.und Waisen-
kaffe für daS Jahr 1860 betr. (Etnnahmen 32,074 st. 3 kr.,
AuSgaben 34,124 st. 43 kr., solgltch 2050 fi. 40 kr. Mehr-
ausgabe. RetneS Vermögen 235,145 fi. 36 kr. gegen
237,033 fi. 53 kr. zu Ende 1859, somtt Vermtnderung

1888 fi. 17 kr., entstanden durch obiges Defictt, Verluste,
WentgererlöS fl. s. w. Beitragspstichtige Mitglieder zählte
dte Anstalt 2145 (1859: 2103); bezugsbercchtigte Wits-
wen 520 (1859: 532) ; zum ErzichungSbeitrag berechtigte
Ktnder 463 (1849: 414); zum Nahrungsgehalte berechtigte
Kinder 60 (1859: 61). Derselben hohen Stelle vom
11. d. M., dte Etnsetzung der Rcttungsanstalt sür ver-
wahrloste Kinder wetblichefl Gcschlechts in Konstanz alS
Üntversalerbin durch den in Konstanz verstorbcnen Geh.
Rath Frhrn. v. Weffenberg betr. 3) Gr. HandelSministe«
rtums vom 6. d. M., die Aufnahme des Zngenieurcandi-
daten Frz. Mattes von Worndorf uuter die Zahl der Jn-
genteurpraktikantefl betr. 4) Gr. KrtegsmintftertumS vom
11. d. M., dte Aufhebung der gr. Garntsonscommandant-
schaft in Rastatt betr. lil. Dtensterledtgung. Dte Stelle
eines AWenzarztes in Heiligenberg, ohne StaatSdiener-
ktgknschaft, jährlicher Gehalt 300 st.; Bewerbung binnen
3 Wochen bet gr. Santtätscommission.

Karlsruhe, 19. Juni. Es verlau-
tete iii der letzteii Zeit inchiseitig und war
auch in einigen auswärtigen Bläitern die Redc
vavon, daß Hofraih Gei'viiins zum Curator
der Universität Heidelberg bcstimmt sci. Das
Gerücht fand hin und wicdcr Glaubcn genug,
um einen oberrhcinischen Correspondentcii dcs
„Karlsr. Anzeigcrs" zu vcranlaffcn, mit einer
Reihe allgeineiiier und spccieller Gründe gegen
diese Ernennung zu poleinistren. Vor ailein
sucht dersclbc gellend zu uiachep, daß ein Pro-
fcffor am wcnigsten zum Curaior paffe. So-
viel mir bekanul, enibchrt jenes Gerücht allen
thatsächlichen Grundcs und fch glaube nicht
zu irren, wenn ich die Vermuihung ausspreche,
daß bezüglich des einen angeführten Grundes
zwischcn der an maßgebender Slelle herrschen-
dcn Ansichi unb jener bes erwähnten Corre-
spondentcn keine Verschiedenheit obwallet. Hie-
von abcr abgesehen, ist es für Manche zwei-
felhaft, ob der bcrühmle Historiker sich gernc
zur Uebcrnahme eines solchen AmteS verstehen
würbc.

Vom Neckar, 19. Jnni. Was die
vor einigen Tagen in diesrm Blattc erwähnte,
von eiuigen Großmächlen angeblich beabfich-
tigte Preisgebung Schleswigs anbelangt, so
haben verschicdene, in nencstcr Zcil ciugctrvf-
fene Nachrichten auö Londvn darzuthun ge-
sucht, daß wenigstens England cinen solchcn
auffallcnden Schritt nicht im Schilvc führef
Zn bcr That sähe auch ein solches Unterfan-
gen der von Palmerston und Ruffel bisher so
eifrig proiiuiicirtcn Nationalitätspolitik völlig
uugleich, und es ist nicht abzusehen, daß Eng-
land ctwa auf den Grunv gewiffer selbstnützi-
ger Jntereffcn hin, gerade im einzelucn Falle —
wie dies aüerbings sonst zuweilen geschah —
eine Ausuahme machen sollie. War es doch
schon auffallend genug, daß diese Macht in
frühcrer Zeil mit Frankreich und Nußland

Ädvorat Leonhard Pourquois.

Ein Beitrag zur Sittengeschichte des Mittelallers.

(Schltch.)

„Unglückscsigcr!" schrie dcr Gencralprocurator,
von cinem hciligen Unwillen bewcgt, „während
Du Dich bei Deinem bcgangcncn schrccklichcn Ver-
brechen in Sicherheit wicgtest, schmachtcte ctn Un-
schuldiger im Kerkcr, ciner ungcrechten Strafe ent-
gcgenharrend."

„Jch habc die B-fchle vollzogen, Monseigneur,
die mir von einer Pcrson gegeben wurdcn, dic mäch-
tiger ist, als Ahr", sagte dcr Gricche mit stolzer
Anmaßung, „und diesc Person wird mich auch Eucrn
Drohungen zu cntziehcn wiffcn."

„Nicmand stcht höhcr alL die Jüstiz", unterbrach
ihn der Generalprocurator, „gib den Ort an, wo-
hin Bercnice gebracht wnrdc. und ncnne Deine Mit-
schuldigen."

„Jch werde nichts sagen", antwortetc trotzig der
Gricche.

„So möge denn die Gcrcchtigkeit dcS Königs ihren
Laus habcn", sagte dcr Procurator, „und die furcht-
barsten Folterqualcn den Lippen dieses Elenden die
Wahrheit entrcißen."

Die Marterwcrkzeuge wurden herbeigeschafft und
der Grieche aus die vcrhängnißvolle Folterbank ge-
spannt. Anfangs verlicß ihn scine Entschlossenheit
nicht und er ertrug die crstcn Schmerzen mit cincm
stoischen Wuth, als aber die eiscrnen Klammern
sich tiefer in daS Fleisch einzugraben anfingcn, als
die hölzernen Pslöcke dic Knochengelenke unter Kra-
chen auSeinandertriebcn, da gab dcr Verbrccher unter
fürchtcrlichcm Heulcn zu verstehen, daß er sprcchen
wollc. Man band ihn von der Bank los und cr
sagtc:

„Berenice liegt untcrhalb Mcudon im Setne-
fiuß . . . was meine Mitschuldigen betrifft, so habc
ichnurEine, unddiesc heißtAsabclla bPiBayern."

Dcr Richtcr nnd der Advocat sahcn fich erblei-
chend an.

Es «ar also kcin Zweifel mchr, auf wclchc Weisc
der Vidame von Manllc die vcrhängnißvollen Stun-
dcn in der Nacht deS Weihnachtsfcstes zubrachte,
und daß nur Eifersucht und Rache dic Bcweggründe
dicfts DoppclvcrbrcchcnS warcn.

Dcr Gerichtshof hatte sich kaum von ftiner crsten
Bcstürzung crholt, als cin Offizier der Kvnigin cin-
trat. „Mad-me Isabclla", sagte cr mit ftolzcr hoch-

fahrendcr Stimme, „hat socben die Verhaftung
ihres Silberaufsthcrs crfahrcn, und fie bcfichltEuch,
unter Androh'ung ihres ZorncS, dicsen Mann so-
fort in Freiheit zu fttzen und ihn mcinen HLnden
zu übcrgcben.

Dcr Generalprocurator wollte eben antworten,
als Johann Destrucl, geistlicher Rath im Par-
lamcntc und Erzdiacon von Lyon, sich erhob.

„Dicftr Mann", sagte er, „ist ein Verbrechcr,
ein Ercommuntcirtcr, wohl ist cr in weltlichen HLn-
den, aber er ist auch dcn Gcsctzcn der Kirche ver-
sallen, weil er offcnbar mit dem Satan in Bünd-
niß stcht; saget demnach dcr Königin, daß sie sich
um dcn Menschen nicht mehr kümmere, und daß
sie der Gerechtigkcit ihrcn vollen nnd heilsamen Lauf
laffe."

> „Saget auch dcr Königin", rief der Generalpro-
cnrator sich erhebend, „daß sie ein anderss Mal
sorgfältiger bci dcr Wahl ihrer Boten an dicstn
Gcrichtshof vorgchc, denn «cnn Jhr noch cinmal
mit dcm zur Schau getragcncn U-bermuthe vor
diesen Schranken crscheint, -so dürfte eS wohl ge-
schehcn, daß Jhr an deinsclben Tage nicht uiehr in
den Louvre zurückkehren würdet."

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