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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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M; L«. Samstag, ?2. Zanuar

stff Politische Umsch.ru.

(Schluß.)

Ueber die Politik Preußens läßt sich,
und zwar vom deutschen Gesichtspuncte aus,
wvhl mit Recht ein ähnliches Urkheil fällcn,
wie über jcnc Englands. Hicr wic dort ver-
mißte man überaü ein pnergisches, entscheiden-
dcs Eiiigreifen in dipZeitlage. Man begnügte
sich anstatt deffen nur allzusehr damit, bie
Ereigniffe au sich herankoinmen zu laffcn, und
sich für alle Fälle sreie Hand zu behalten.
So war denn das seik 2 Jahren in Preußen
eingetretene liberale Regierungsspstem, wenn
auch an und für sich schätzenswerth, immerhin
mehr von thevretischem Gelange; man ver-
mißtc jedvch, namentlich in dcr politischen
Richtnng nach Außen, nur allzuost einen prak-
tischen Nachdruck, und damit dic ersprießlichen
Folgen deffelben. Es gilt dies namcntlich in
Bezug auf-die Knrhessische und SchleSwig-
Holsteiu'sche Angelegcnhcit. Was dic von
Manchen gewünschte entschiebene Parteinahmc
Preußens für Ocsterreich in dem letzten ita-
licnischen Kriegc betrifft, so kann man hier
mit einem absprechenden Uriheile, da dic Sache
sich von verschiedenen Gesichtspuncten aus be-
trachten läßt und in dcr That ihre zwci Sci-
ten hat, nicht allzu rasch bci dcr Hand sein.
Etwas cinfacher und weniger verwickelt stellt
sich jedoch dieselbe hinsichtlich eiues künftigen
Krieges wegen Venetiens bar. — Der Um-
stand, daß der seitherige Regent PreußenS vor
2 Jahren nur die höchstcn Spitzen der innern
- Staatsvcrwaltung ändcrie, die untergeorb-
neten Werkzeuge des srüheren Spstems aber
in ihren Aemtern und Stellen ließ, hat manche
beklagenswerthe Mißstände zu Tagc gefördert.
Da König Friedrich Wilheim lV., ein aner-
kannt geistvoller und reichbcgabter, aber vcr-
möge der ureigenen Richtung seines Geinüthcs
unv seines Characlers gerade fiir dic critische
Epoche der Jetztzeit weniger gceignete Monarch,
in welchem däs vvr 2 Jahren glücklich übcr-
wundene Spstcm seine Hauptstutze gesunden,
vor Kurzem mit Tove abgegangcn ist, so gibt
man sich, wohl nicht vhnc Grunb, der Hoff-
»ung hin, vaß der neue König, so manchcr
Hauptrücksicht ledig, die Bahn des jctzigen
Spstcms mil mehr Entschiebcnheit betreten,
und so manche noch im Wege stehcndcn Trüm-
mcr ves sr.ühercn hicraus hinwegräumen
werbe. — Seine Anrede an die Gcmeiiive-
Vorsteher von Berlin läßt hicraus schließcn,
und hat allenihalben einen guten Eindruck ge-
macht.

Zn Rußland macht das Hauptfriedens-
werk dcssen wohlgesinnten Kaisers, die Aüf-
hebung der Leibeig,enschaft, bei dem allenthal-
ben sich kund gebenden Widerstande des Adels,
nicht so schnelle Fortschritte, als diese hoch-
wichtige Maßregcl im Jntereffe der Civili-
sation und Humanität verdicnt. — Die rus-
sische Politik zeigt sich, trotz der Warschauer
Zusammenkunft, nach wic vor, schon aus An-
tipathic gegen Oesterreich, dem Kaiscr bis zu
einem gcwifsen Grade zugeneigt. Das an dcr
Seine verkündete Selbstbestimmungsrccht dcr
Rationen dürfte vielleicht wegen Polens, so-
wie anf weitere Consiicte unv Verwicklungen
im Oriente, und unter Umständen selbst in
Jtalien einen Schluß- und Grenzstcin für
weiterc freundschaftlichc Annäherung abgeben.
Eine in den neuesten Blättern enthaltcne Nach-
richt, daß der Zaar damit umgehe, Polen wie-
der cine gewiffe Selbstständigkeit und selbst
cine bcsondere Verfaffung zu verleihen, wird
vorerst nur mit großer Vorsicht aufzunehiuen
sein. Wenn überhaupt etwas Wahres an
der Sache ist, so wird dieselbe wohl nur mit
Rücksicht auf die neuen österreichischen Refor-
men in Ungarn und Galizien zu Werk gesetzt,
wobei zugleich die letztcre Provinz (bekannt-
lich der Lsterreichische Antheil von Polcn) sich
naturgemäß von Russisch-Polen, alS dcm grö-
ßern stammvcrwandtcn staatlichen und volk-
lichcn Körper, weitaus mehr angezogen füh-.
len möchte, als von Oesterreich, und somit
der letzteren Macht von Rußland, eingedenk
deren Haltung währcnd des KrimfeldzugeS,
abermals einc große Vcrlegenheit bereitet wer-
den würde. — Im Uebrigen stcht Rußland
dem Oriente und dem altersschwachen türki-
schcn Reichc grgcnübcr fortwährend auf der
Wachc, unb wartek znm thatsächlichen Ein-
greifen nur dc» cntschcidenden Augenblick ab,
den cr dicsmal bcffcr wählcn wird, als in den
Zahren 1853/54. — Von dem an Flächenin-
halt größten Staate unsercs Welttheils gchen
wir zu vcrschiebenen kleinern über, von wel-
chen dic Spalten unscres Blattes in neuerer
Zeit nur wenig zu crzähle» wissen, und auf
welche Staatcn dahcr möglichcrweise das alte
Wort aualog anzuwendcn ist: „daß diejenigc
Frau als dic beste erscheint, von dcr man am
wenigstcn spricht." — So befaßt sich das
Hanvelseiland Holland schon seit geraumcr
Zcit nur mit seinen innern Angclegenhcitcn,
und crfreul sich eines großen Wohlstandcs
unv ciner sortwährenden innern Ruhc. Ein
vorübergehenber Krieq in den ostindischen Be-
sitzungcn ist glücklich beendigt. Dic Art und

JnsertionSgebühren für die 3spaltige Petit- -M
zeile werde» mit 2 kr., bezw. 3 kr. berecbnet.

Weisc der Verwendung der vortigen Fremden-
regimenter hat jedoch bcdauerlichc Mißstände
zu Tage gefördert.

Auch das bcnachbarte Bekgien erfreut sich
gleicher Ruhe, schreitet fortwährend vor aus
der Bahn des gcmäßigten Fortschrittes und
mag in gcwiffer Beziehung als constitutionel-
ler Musterstaat gelten. Zugleich verliert eS
den Ernst etwa kommender, besonderS für
seine cigcne Eristcnz leicht bedrohlich werden-
der Zeiten und Ereigniffe nicht aus den Au-
gen, und sucht dahcr nach der alten Regel:
„8i viü psoem, psrs belluim- auch in mili-
tärifcher Beziehung sich eine imponirende Macht
zu sichern. — Das Gleiche geschieht yon Sei«
ten unserer südlichen Grenznachbarn, der
Schweizcr, ebcnfalls in richtigcr Vorah-
nung der Zukunft, und mit Rücksicht auf ihre
gleiche auSgcsetzte Lage gegenüber von Frank-
reich.

Jn Bezug auf die Stellung der politischcn
Partei ist in der Schweiz schon vor geraumer
Zeit eine, Deutschland nicht ungünstige, Mo-
dification und Mischung por sich gcgangen.
Die früher radicalc Partei dcr deutschen
Schweiz hat sich uämlich mit den Conserva-
tiven aller Cantvne vcreinigt und steht der
radicalen Partei der welschcn Schweiz ent-
gegen. Eisenbahnverhältnisse und die politische
Stellung Helveticns gegenüber von Frankreich
haben hiezu den Anlaß gegcbcn.

Spanien, welchcs früher einc Reihe von
Jahrcn hindurch mit seinen innern Zwisten
und Bürgcrkriegen allein die Spalten unserer
Blätter füllte, erfreut sich ebenfalls schon seit
geraumer Zeit einer nur scltcn unterbrochenen
Ruhe, und beuützk diesc in einer geräuschlosen,
auswärts weniger bckannten Weise zn innern
Fortschrittcn, zur Aufbcfferung sriner inneren
Verwaltung, seiner Finanzen und äußrrn po-
litischcn Stellung, und namcntlich auch zur
Vergrößernng und Verbefferung seines Heer-
wesens und seiner Flottc. Ein vorübcrgchen-
der Krieg mit Marocc», im Norden Africa's,
ist schon zu Anfang des vorigen Jahres r'n
ciner für Spanien ziemlich ersprießlichen Weise
beenbigt worden. Ein carlistijcher AufstandS-
versuch erschi'en als ein völlig improviflrteS,
des Anhanges im Volke und im Heere ent-
behrendes Unternehmeu. Doch sollen sich zur
Zeit in unmittelbarcr Nähc des Hofes sclbst
svg. legitimistische Elemcntc besinden, «nd eine
Art Camarilla bilden, ein Umstand, der viel-
leicht in der Folge zu manchen Verwicklungen
uud Jnconvcnienzen nvch Anlaß geben kann.
Bei crster geeigncter Gelegenheit werden wir

* Ende gut, ÄUcs gut.

HNovellete aus dem Leben eines derühmten Malers vvkl

Mar Lemy.

(Kortsetzung).

„Glaube mir, cs ist nur cine Prüfung; vas sieht
dcrn Vater so gut cin, wie Vu und ich, dasi mir
das Vcrlangte nicht gelingcn wird, aber er will
sehcn, ob wir nicht nach Jahren uns vergeffen
haben; die Lrcnnung ist dcr Prüfstein der Liebe;
er «ill sehen, ob die Eniwickelung meines Talcntes
zu Hopnungen berechtigt und ob ich an Flciß nicht
nachlasscn werde. Siehe, das ist Allcs, und wenn
cr das sicht, wird er zugestehcn, daß ich deiner
werth bin und Allcs wird ein gutes Ende nchmcn.
Durch die Nachrichten, die dein Vater von mir er-
halten wird, sollst auch du von mir crfahren. tlnd
nun lebewohl! Halte aus in Geduld und Hoff-
nung!" —

Gerhard riß sich aus ihrcr Umarmung los, stürzte
an den Ausgang des Parks, winkte noch einmal
mit der Hand und verschwand dann hintcr dcr Thüre.
Sie aber trocknete so schnell wie möglich die Thränen,
durchschritt, als wolle sie fich stärker zeigen als ihr

Geschick, mit sichercm Schritte dcn Park und trat
in das Dinerzimmer, «o einige GLstc schon ihrer
harrten undffhre Eltern bald an ihren geröthcten
Augen die Ursache ihres ungewöhnlichen Wesens
crriethen, abcr stillschweigend Larüber weggingen.

3.

Zwei Iahre waren verfloffen. — Wohl wahr sind
die Worte des Dichters:

„Jahre sind Minutcn, «enn
Ein leuchtend Zicl durch ihre Nebel flammt."
So war es Gerhard in Petcrsburg ergangcn. Er
hatte flch in eincm cntlegcnen Stadttheil ein freund-
liches Stübchcn gemiethet und lag auf das Ange-
strengteste scinem Studium ob. Seine Freunde,
deren cr sich bei rer ihm cigenen liebcnswürdigen
Art des Benchmens sehr schncll viele gewonnen hattc,
wußten nicht, «as sie aus ihm machen solltcn. So
oft ihn Aemand besuchtc, saß er bcim Reißbrctt
und entwarf Skizzen oder führte auf der Staffelei
die entworfcncn auS, gcwöhnlich umlagert von
cinem Haufen von Originalcn, Copicn und Ge-
räthcn. Selten zeigtc cr sich Abends im Wirths-
haus odcr ließ sich doch nie durch die gute Launc
sciner Kameraden abhalten, es nach eingcnom-

mener Stärkung sehr bald wicder zu verlaffen. Noch
seltner machte er Vergnügungen niit; seine ange-
strengte Thätigkeit zeigte ihn immer erschöpst. Nnr
bisweilen brach sich für Augenblicke die ihm angr-
borne Heiterkeit deS GemütheS Bahn und fcheuchte
die SchwermufhSwolkcn von sciner Stirn«.

„Gerhard!" ricfen sie ein über das andere Mal,
„du «irst dich körperlich und geistig zu Grunde richten.
Du brauchst djr ja noch nicht mit Verdienstsorgen
den Kopf zu zerbrechen, du hast einen.famosen
Wechsel. Der Keffcl springt, wenn man ihn über-
heizt. Du bist nicht hier, um dich znm Erzphilister
auszubilden. Sci sidcl und csrpe ckiem!"

Er lächelte über die gutc Meinung der junge»
Lebemänner, deren Keincr ahnte, wie schwer es
ihm dabei nm's Herz «ard.

Ucbrigens war cs ihm gcglnckt, cin höchst ehren-
volleS Gehalt zur Fortsetzung seincr Studicn zu
erhalten. Auch, «as ihm, «enn eS auch den Gang
derselben häufig hemmte, hvchst willkommen «ar,
wurdc cr mit Bestcllungen überhäuft, die ihm auf
daö Nobelstc honvrirt «urden. Er hatte Bckannt-
schaftcn in hohen Kreisen gemacht, «ar durch die
beslcn Einpfehlungen aus einem guten Hause in
 
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