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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Februar
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dazumal nach Baden gesandt, zwölf Jahre
später dafür mit Ordenszeichen behängt. Was,
muß man slch fragen, was i» aller Welt kanu
dic Absichr, der Zweck dieses Schauspicls sein?
Denkt man das kriegertsche Tüchrigkeitsbewußt-
setn des eigenen Heeres und Volkes dadurch
zu stärke»? Braucht es überhaupt solcher
Stärkung, so scheint das Mittcl allzuschwach,
um eine erhebliche Wirkung davon zu erwar-
ten. Oder glaubt man in Paris oder Wien
zu imponiren, indem man auf cinen Sieg von
Waghäusel hinweist, einen Sieg, welchcm
Vielc noch zu allem Ücbersiuß eiu Fragezeichen
anhängen woüen? Äs gehörte fürwahr ein
seltener Grad von Verblendung dazu, verken-
nen zu wollen, daß cin Pochen anf solche Er-
folge, weit entfernt, auf Stärke zu deuten,
vielmehr einen weit hvheren Gräd des Gegen-
theils vermuthen läßt, als vielleicht in Wirk-
lichkeit vorhanden isi. Oder hofft man sich
Baven damtl moralisch zu annectiren? Er-
höht hat, soviel glauben wir versichern zu
können, jener Act die HiNgabe unserer Bevöl-
kcrung an den Gedanken einer preußischen
Führerschafl zum mindesien nicht. Beabsich-
tigt man aber aus irgend einem verborgene»
Grunde unergründlicher Staatsweishcit, stch
allcn moralischen Boden bei uns sür immer
zu entziehen, s» wäre hierzu in der That kaum
ein zweckdienlicheres Mitte! anzurathen, als
die zeitweise wicderkehrende Schauftellung dcr
zweifelhaften und besten Fasis bei all ihrer
Wohlfeilheit doch gar zu spärlichen Lorbeeren
von 1849.

Aus Baden, 24. Febr. Bei dem pracht-
vollen eisernen Portale dcr «Slraßburg-Kehler
Rheinbrücke werden sich unter den deutscher
Seits anzubringenden Emblemen nicht blos
der badische Greiff als Grenz-Wappenzeichcn
befinden, sondern es wird auch im AUerhöch-
sten Auftrag Seiner. Königl. Hoheit unscres
Großhcrzogs der dculschc Reichsadlcr dic
Mitte dcs gegen Kehl gekehrten Portalcs
schmücken.

§ Bom Neckar, 25. Febr. Zn viclcn
Orten bes Amtsbezirkes Ladenburg ist eiu
großcr Theil der Schuljugend an den Mascrn
erkrankt; so fehlcn in einzelnen Schulen drei
Viertel dcr Schüler. Nicht selten kommt es
vvr, daß in einer FaLilie sämmtliche Kinder
bis zum 10. bis 12. Jahrc bas Bett hütcn
müffen. Zedoch hat bic Krankheit biö jeßt keinen
gefährlichen Charakter angenommen und war
ihr Verlauf günstig.

Frankfurt, 22. Februar. Um Mitte des
nächsten Monats wird die erste Probenum-
mer des neuen politischen Tagblatteö, bes-
sen Titel ,, vie Zeit» sein soli, ausgcgeben
werben. Das „gezeichnetc Actiencapital stellt
nach den darüber umlaufenden Angaden eine
stattliche Summe dar. Die Richtung der
neuen „Zeit" svll die ver alten Gothaer Par-
tei scin.

Frankfurt, 20. Febr. Dic hervorragen-
den Mitglieder des CongreffeS deutscher
Bolkswirthe aus ven Stäblen bes Mitlel-
rheins gehens wie wir hvren, mit dcm Plane
um, eine volköwirthschaftliche Gesellschaft

Leiden für immer begraben sein L'

Ein hcißer Thränensrrom ergoß sich auS AurelienS
Augen, dann aber sank sie untcr lautem Schluchzen
in dtc Arme dcr Mutter. Unter Weinen und Ent-
zückcn bedeckte dicselbe die Wiedergesundene mit
hcißen Küssen, während der Marquis, stumm vor
Erstaunen, dastand, nicht wissend, was sich eigent-
lich hier begeben. Als ihn aber dic edle Fürstin
selbst über Allcs aufgeklärt, da zog auch er das
licbliche Mädchen an scine Brust und bcdeckte ihrc
Stirne und Wangen mit freudigcn Vaterküffcn.
Dann sprach cr, zu seiner Gattin sich wcndend,
mit feierlicher Stimmc:

„Nun, «ie dic gcliebte Tochter wieder gcfnnden,
wtrd es uns auch nicht schwer werden, unseren Erst-
geborrnen auf gleiche Wcise wieder an das Vater-
herz drückcn zu kvnnen, dcnn derjenige, dcr um
Aureltcns Herkommen wustte, der sich so frech für
thren Vater ausgegeben, muß auch «iffen, wo ihr
Bruder hingekommcn tst. Der Gauner, Räuber
und Mörder, der uns auf der Landstraße so schänd-
lich angefallen hat, kann kein Anderer, als mein
ehemaliger Diener, Jaanes Dirmont, sein, der scht
wieder wohl verwahrt hier im Zuchthause sitzt. Er s

für Süddeutschland zu gründen und demuächst
einen Vereinstag auszuschreiben. Als Be-
weggründe werden geltcnd gemacht: der all-
gemeine deutsche Kongreß ist mit Stoff schon
so überhäust, daß er das bcreits Uebernom-
mene kaum bcwältigen, namentlich sich mit
den Sonderinteressen Süddeutschlands nicht
befaffen kann. Ferncr liegen brcnnenve Fra-
gen vor, für welche die Stimme wirthschaft-
licher Notabilitäten und Zntercffenten von
wvhlthätigem Einfluffe sein kann.

Der „Süddeutschen Zeitung" wird berich-
tet: Bei der Dcbatte über das v. Vincke'sche
Amendement in derdcutsch.Frage erwähnte der
Minister des Auswärtigen, Hr. v. Schleinitz,
eines Votums des preußischen großen Gcnc-
ralstabs übcr die militärische und strategische
Bedcutung Venetiens für das gesammteDeutsch-
land. Jch bin in der Lage, etwas Nähercs
über den Jnhalt dieses Votums mittheilen zu
können. Es wird darin unter Andcrem be-
hanptet: die Wichtigkeit ber österrcichischen
Ausstellung am Mincio liege vorzüglich da-
rin, daß von einem einzigen Puncke aus alle
Straßen vertheidigt werben können, welche
aus dem venetianischen Tieflande ourch bie
Alpeukette nach Ost- und Süddeutschland füh-
ren. Diesclben 100,000 Mann, welche am
Minciv nicht nur zur Abwehr genügten, son-
dern auch noch zu kräsligen Offensivstützen
befahigt seien, würden mit Ausgebung der
Minciolinie an fünf bis sechs Puncte zer-
strcut werden müffen und ohne Verbindung
mit cinander cine sehr schwache Defensive
bilden, während die Angreifer mit aller Macht
gegen die zerstreuten Truppen würden vor-
gchen können. Wollte man neue Festungen
erbanen, so würoe man, vorausgesetzl, daß
man Zeit und Mittel dazu hättc, ieine Kräste
aus 50 Meilen zersplittern müffen, während
man am Mincio nur 5 Meilen besetzt zu
halten hätte. Ginge Vcnetien verlvrcn, so
würden die Entscheidungöschlachten nicht mehr
südlich, sondern nördlich der Alpen gcschla-
gen werden. Der Verlust des Festungsvier-
ccks in Ztalien würde eine reale Schwächung
der Vertheivigungsfähigkeit von ganz Deutsch-
land sein.

Berlin- Zn der Sitzung. des Herren-
hauses am 23. wurde dcr Gesetzentwurf wcgen
Ermäßigung vcr Rheinzölle unverändert ange-
nommen.

Breslau, 20. Febr. Das hiesige k. Kreis-
gericht hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft
gegcn dreihundert und einundachtzig jungc
Männer, weil sie die preußischen Lande ohne Er-
laubniß verlaffen haben, um sich dem Eintritt
in den Dicnst des stehenden Heeres zu ent-
ziehcn, in Gemäßheit des Gesetzes vom 10.
März 1856 und ves 8. 110 des Strafgesetz-
bucheö die gerichtliche Untersuchung crbffner.

Jnnsbruck, 20. Febr. Heute ging ein
Schreiben, welches viele Bürger aus allen
Ständen untcrzeichnet hatten, an einen Tp-
roler nach Wien ab, damit er sich zu Hrn.
v. Schmerling verfüge und auf Grund deS-
sclben ihm auseinandersctze, auf welche, zum
Theil niedcrträchtige Art für die bereits er-

svll ünd muß mir AuSkunft geben, wo mein Sohn
hingckommen ist!" (Forts. f.)

Part s; 22. Fehruar.

.Seit cinigen Tagen hatten sich dic Wet-

terwolken über dcm Haupte dcs Herrn Mirbs ver-
dichtct. Hicr und da ließ cin Wort, eine bekannt
gewordcne Thatsachc das Publikum bemerkcn, daß
von einem Momcnt zum andcrn die pulvcrgefüllte
Mine crplödiren könne. Man wußte, daß Hcrr
Mires cincn Bricf unmittelbar an dcn Kaiscr ge-
richtet, daß scin Schwiegersohn, dcr Prinz Polignac,
umsonst cine Audienz m den Tuilcricn nachgcsucht
hattc, daß ihm gcantwvrtet wordcn war, «ic die
Dingc stünden, >ei cS unmöglich, ihn zu cmpfan-
gen; er soll das, was er vorzubringcn habe, dem
dicnstthucndcn Adjutanten zur Meldung übergcbcn,
wenn er es thunlich findc. Auch wußtc man von
ciner Vcrhandlung in dcn Burcaus dcr Kammcr
übcr gewiffc Wahrnehmungen, welche Zules Favre
zur Discussion.zu bringen beabsichtigtc und daß
ein Mitglicd des Gouvcrncments geäußert hattc:
„Jst die Sachc anhängig, so wird die Justiz ihren
Verlauf haben."

Der Sonntag war ein prachtvoller VorfrühlingS-
tag, ganz ParrS ging in und IIM Paris spazicrcn.
Auch Herr Mirös wurdc auf der Promenade im
Bois dc Boulogne in sciner prachtvollcn Eguipagc

wähnte Petitkon um Sti'ulmenglekchheit Un-
terschriften geworben wurden, und ihm zu
versichern, daß viese Petition, deren sich jeder
wahre Freunb des VaterlanbeS schämen muß,
das gerade Gegentheil von Dem begehre,
was dle bei weitcm überwiegende Mehrzahl
des Volkes verlangt. Bcrelts traf ein Te-
- legramm zu Znnsbruck ein, das besagt: Hr.
v. Schmerling werde sich durch jene Petition
in scineii bereits eingeleiteten Verfügungen
nicht beeirren laffen und für Tprol kcine
Auönahme machen. Uebrigens. ist die Nach-
richt einiger Blätter, daß vic Prävenlivzen-
sur für Büchcr unb auswärtige Journale
abgeschafft sei, wie ich aufdas bestimmtestc ver-
sicheru kann, irrig.

Wiea, 20. Febr. Die Repräsentanz der
Stadt Pesth har wegen ves Belagerungs-
zustandes, der übcr Fiume verhängt wurdc,
eine Adreffe an Se. Majestät gerichtet. Dir-
selbe schließt mit ber Bitte:

Se. Maj. möge geruhen, „Len über Fiume und dessen
Krcts verhangten Belagerungszustand, welcher unter den
obwaltenden Verhältntffen dte Würde der ungarischen Krone
und dte Constttutton des Landes gletchmäßig verletzt, welcher
gletchsam gegen die Anhänglichkett an den Rechten des
ganzen ungarischen VolkeS etne Drohuug auSdrückt, und
welcher auf dte Fiumaner Mttbürger gerade wegen ihrer
Treue zur ungartschen Krone daher uugerccht angeweudet
wurde, gnädtgst aufzuheben und zugletch zu geruhen, Se.
Erc. den BanuS von Croatten und Slavonten setner Würd.e
als Gouverneur FiumeS und deS Fiumaner DistriktS zu
enthebcn, an dessen Stclle aber etnen der ungartschen Ge-
treuen Eurer Majestät, set eS nun tn der Eigenschaft etnes
Gouverncurs oder eines provisorischen Kön. Commtssärs,
abzusenden, und cben Lort dte Wtederetnsetzung der von
der ungarischen Constitution gebotenen Ordnung gnädig st
anzubefehlen."

Wie«, 25. Fedruar. Wle dle „Preffe"
hervorhebt, sollen außer den Reichsrath- und
Landtagsstatuten die.Elnberufungsorbres für
die Landtage auf den 2., für den Rclchsrath
auf den 20. Aprll, serncr unmittelbar barnach
das Protestanlengesetz, das Unterrichtsstatur,
die Organlsiruagöstatuten des Handelsministe-
riums publicirt werdcn. Gerüchtweise ver-
laute sogar von Republicalloii ber Grund-
rechtc.

B e l g i e n.

A«s Belgien, 21. Febr. Während die
französischc Prcffe aus leichl begreifllchkn
Grünbeii bezüglich der Affaire MireS dte
größtc Zurückhaltung beobachtet, beschäftigt
stch die unserige um so mehr mit derselbcn
und berichtet bis in's Detail über deffen Ver-
hastnahme und was derselben Vvranging.
„Etoilc" zählt bie Unternehmungen aus, bel
denen Mirös vorzugsweise betheiligt war,
nnd rechnet nach, daß bas babei enga-
girte Capital sich auf mmdestens 600"
Millionen Frcs. belief. Ein solchcr Schwindel
habe denn doch elnmal zuin Fall sühren müffen.
Daß Richmont, Verwalter der Cvmpagnie
Mirss, gerade jetzt plötzlich starb, gibt natur-
lich zu allerlei Muthmaßungen Anlaß; all-
gcmem hetßt es, er habe stch crschoffen. Anch
von Mirös wollte man schon wiffen, daß cr
wahnnsinig gcworben, und zwar weil er üi
der ersten Nacht in eincr ganz natürlichcn
Aufregniig mchrere Male heskrg schric. Er

bemerkt. Sic war zurückgeschlagen und dte war-
mcn Sonnenstrahlen lagcn «ohlthuend auf dem
bckannten, bewundcrtcn und bencidcten Mann, wcl-
cher solchcrmaßen dre letzte Stundc der Frcihett ge-
noß, oiclleicht ohne zu ahncn, daß es die lctzte sei.

Am Abend war Empfang in seinen SalonS. Dic
Straße Ncuvc-bes-MathurinS, der Platz Wadclainc
stand voll Equipagen, der Hof unb die Stadt dräng-
ten sich in den von Gold und Llchtcrn strahlenden
Appartements, crst spät in dcr Nacht rollten die
Wagen dcr lctzten Gäste auS dem Hotcl. tlcberall
herrschte nun dic tieffte Nachtruhe. Da suhr plvtz-
üch ein alter Galawagcn in langsamcm Trabc vor
die Pforte dcs Hotcls. ,

Man kann sich dic herzzerrcißcnde Familicnscene
denkcn, welche folgte, als Herrn Mires angekün-
digt wurde, daß cr im Namen dcs GcsetzeS vcr-
hastet sci! Dcr Prinz und dic Prinzessin Pokignac
warcn herbcigecilt, um ihrem Vater und Schwicgcr-
»ater zur Scitc zu stchen. Herr Mires durchlief
all dic qualvollen Gemüthscrschütterungen vom
stumpfen Erstarren bis zur tobenden Rascrei. „Gut
— rief cr plötztich — man will eincn Scandal,
man soll ihn haben! Man will einc Katastrophc,
man soll sie haben! Dienstag lege ich meinc Bi-
lanz vor, abcr dabci handelt es sich nicht etwa um
einen klcinen Bankcrott, sondcrn um 4vli MrUioncn!"

Bald nachher rollte der verhängnißoollc Gala-
wagcn nach dem Gcfängniß Mazas.
 
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