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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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wir nun ernstlich z» fürchten anfanqen, bit-
ter qetäuscht, denn das gestern publicirte
Wahlgksetz, obwohl dasselbe kcinen vollkoi».
men stchein Rückschluß auf den Jnhalt ver
neuen zu erwartenden kandesstatute gestattet,
bekundet Ikider »icht, daß in der That die
Grundsätze ganz und gar aufgegebcn wordeu
sind, welche in den Goluchvwski'schen Statn-
ten vorherrschktt. Was abcr »och betrüben-
der ist, das Schmerliiig'schc Wahlgesrtz ersüllt
nicht einmal dic Versprechungen, welche der
neue Staatsminister j„ scinem Programm
vor kaum 14 Tagen gemacht hat-, und es be-
darf wahillch fast eines Uebermaßes von
Verirauen, um auch jctzt noch der Weiterent-
wickelung in der neu begonnenen verfaffungs-
mäßigcn Organisation ohne die Besorgniß
entgcgensehen zu köiineu, dieselbe werde, wie
scit dem Diplom schon eknmal, abermals nach
el'ncm inißlnngcnen Erpcrimentc unterbrochen,
und wiedcr von vvrne angefangen wcrdcn
müffen." — Die Ostd. P. ist ebenfalls mit
dcm zu weit gehenden Beschränken dcs acti-
ven WahlrcchteS unzufricden. Dcsto günsti-
ger lautet das Urthcil dessclben Blattes über
die Ausdehnung dcs passiven Wahlrechtes;
„Wir erkcnnen ferner an, heißt es wörtlich,
daß die Normen, wclchc das Schmerling'sche
Wahlgesctz in Bezug auf die Wählbar-
keit aufstellt, zu den frcisinnigsten gehören,
die in den konstitutivnellen Staaten Europas
gang und gäbe sind. Selbst das belgische
Wahlgesctz, bekanntlich das liberalste auf dem
ganzen Kontinent, untcrscheidet sich in Bezug
auf das Rccht der Wählbarkeit nur darin
von dem österreichischcn, daß schvn ein Alter
von 25 Jahren bei dcm Wahlkandidaten ge-
nügt, ein Untcrschicd, drr eine lokale Ursachc
hat. Jn Oesterreich soll der Abgeordnete
zum kandtag 30 Iahre alt scin und in dcm
Kronlande, in welchkin er gewählt wird, das
aktive Wahlrecht, glcichviel in wclcher Ge-
meinde, besitzen. DaS stnb dic einzigcn Be
dingungen, wclche das Gesetz vorschrcibt.
Kein Siand, kein Gewerbe, keine Konfcssion
schließt irgend eincn österrcichcn Staatsbür-
ger von dem Recht, gcwählt zu werdcn, aus,
und waS speziell hervorzuhcbcn ist, er braucht
kcineswegs in dcm Bezirk Wähler zu srin,
in wclchem er gewählt wird, sondern die Wäh«
ler haben das Recht, sich den Mann ihrcS
Vertrauens im ganzcn Lande auszusuchen.
Es würde uns schlccht anstehen, wolltcn wir
dieser glänzenden Seite vcs Gcsetzes nicht
die wärmffe Aiicrkeniiung zollen."

Wien, 8. Zan. Ucber das Leichenbe-
gräbniß Richtcr's schrcibt die „Morgenpost":
„Kaum bei irgend einer Letchenfcicr noch dürfte
die Hospfarrkirche zu St. Michael in dcr
Weisc überfülltgcwescn sein, wie gestern Nach-
mittagbkiderfeierlich»nElnsegiiungd«rirdischkN
Hülle des gewesenen Dirckiors der Creditanstalt.
Alle Klaffen der Levölkcrung waren da in dichten
Scharen veriretcn; neben dcr gewvhnlichen
Menge der Schauluftigen drängten sich her-
vorragenbe Persönlichkciten der verschiedcnsten
Kreise in die Kirche und besetzen die Ränme
derselben. Männer aus der großen Finanz-

Hcrr Doctor cincs Morgens, --- cS «ar Montag,
nein, es «ar Sonntag, es läutcte gerade zur An-
dacht — sie «ar ctwas ruhiger; also dcr Herr
Doctor trat in'S Zimmer, drückte dem Grafcn die
Hand und sagtc — ich konnts vor Schluchzen fast
nicht hörcn: — „Habcn Sie kciuc Angst, die Gefahr
ist überwundeil! Und denk'sich der Hcrr, «on T.age
zu Tage ging's beffcr.

(Schluß folgt.)

Bei Erwähnung beS DahinscheidenS deS alten
Scehclden Sir Eharles Napier erzählt das „Jour-
nal dcs Debats" folgcnde Anckdote: „Man weiß,
daß dcr Admiral in der Ostfee die entscheidenden
Ergebniffe, die rr erwartete, nicht erzicltc. Kron-
stadt, das er zu nehmcn sich vcrmeffen hattc, ward
nicht gcnommen, und dic russische Flotte blicb unter
dem Schutze dcr Kanonen dicser Festung unver-
sehrt. Admiral Naprer hatte wcnigstcns Gelegen-
heit, sich für dieses Mißgeschick durch einen guten
Witz zu rächen. Nach dem Kricge kam er nach
St. Petcrsburg, und da fragte ihn Großfürst Kon-
stantin, um ihn rccht in Verlegenheit zu-setzen:
„Warum sind Sie denn nicht nach Kronstadt hinein-
gegangen?" —„Warnm sind Sie denn nicht heraus-
gekommen?" war die sosortige Vrwiderung Napier's.

wclt, aus dcr Diplomattc, aus dem hohcn
Beamtea- nnd Militärstande, Reichsräthe
warcn erschienen, dem Todten den letzten
Zoll der Achtung und der Freundschaft zu be-
zeugen. Dte Emsegnung des Letchnams fand
mit aller kirchlichen Feierllchkelt statt. Acht-
zehn Gel'stliche celebrl'rtcn bet der Trauer
functi'vn, der ganze Chor mlt Orgel- und
Orchesterbeglettung stimmtc vor und nach dcr
Einsegung Trauergesänge an und Arbeiter
aus Richter's Fabrik warcn cs, welche den
Sarg in die Kirche trugen.

Wien, 8. Jan. Die heutige Preffe spricht
sich über den Antrag von Heffen - Darm-
stadt bei der Bundesversammlung, den Na-
tionalverein zu verbieten, folgendermaßen
aus: „Wir haben niemals cin Hehl daraus
gemacht, daß wlr mit dem Streben des Na-
tionalvereins, der Zerrci'ßung des Vaterlan-
dcs durch Begründling eines Kleindeutschlands
nlcht einverstanden sind. Abcr der Nativnal-
vereln verfolgt im Ganzcn patriotischc Tcn-
dcnzen, und dcr Umstand, daß er in Hanno-
ver, Schwerin, und Darmstadt nicht gcfällt,
ist für uns keii?Grund, deffen wirklich deutsche
Zielpunkte in Bausch und Bogen zu verdam-
mcn. Die Erklärung des Bundes, daß der
Nationalvercin unter Art. 1 des Bundesver-
cinsgesetzcs fällt, wäre eine Verdammung des
Strebens des deutschen Volkes nach größerer
Einheit, ein Protcst des Bundes gcgen jcde
Rcform sciner Organisalion, eine Herausfor-
derung des Liberalismus, ein Schläg. in das
Angesicht dcs nationalcn Bewußtseins. Ein
solcher Bundcsbcschluß wäre aber noch mehr
als ricses, er wärc die größte Unklughcit.
Der Hcrr von Borries und Dalwigk irre»,
wenn sie glauben, daß ihr Vorgehen gcgen
den Nationalverelii cin in ihrem Sinne er-
folgreiches gewesen sei. Jhr polizeillchcs Zu-
tappen war der größte Dienst, dcr dem Na-
üonalvcrein erwicscn wcrden konnte; er
eristirt cigcntlich erst seil dem Tage, als ste
sich ihr Müthchen an ihm zu kühlcn began-
nen. Sie verriethcn seine Tendenzcn dcm
deutschen Volke, sie verlichen ihm- eine Be-
deutung, die cr nicht hatte, und verschafftc»
ihm in dem Augknbllcke Anhänger, als cs
durch ihr Verfahren vffenkiindig wurde, daß
die Theilnehmerschaft am Natronalvcrein die
bcquemste Art sei, gegcn Kleinstaaterel und
Reaktton Piotest zu crhcben. Bis jetzt war
der Nalionalverein eine politisch jehr unschäd-
liche und ziemlich schwach verzweigte Gesell-
schaft. Wollte aber der deutsche Bund dcn
Standpunkt der Borries und Dalwigk zu
dem seinigcn machen, sv würde ber National-
verein im Nu der ganzcn Bedeutung seines
Namens entsprechen. Dcr patriotischc Verein
würde sich in eine unternehmcndc politische Par-
tei vcrwandeln; die öffcntliche Meinung in
'ganz Dcutschland würde sich gegen diese er-
neute Auslage der Karlsbader Beschlüffe er-
hcben, und dcrjenige deutsche Fürst, der den
versolgtcn Nationaiverein in Schutz nähme
gegcn ihn unterdrückcnde Bundesbeschlüffe,
würde zugleich der Führer der beginncnden
deutschen Bewcgung sem. Obgleich die Darm-

Ein Bcrlincr Schncidermeister, wclcher eincm
ntcht unbemttteltcn, abcr saumseltgen Kaufmanne
verschicdcnc Kleidungsstücke gclicfert hättc, mahnte
scinen Schuldner seit gcraumer Zcit, ohne etwas
Andcres mit scincn Styl-llcbungen zu crreichen,
als anfänglich höfliche Antworten und später ach-
tungsvolles Schweigen. Klagbar werden mochte er
nicht, da er keirr Freund »on Proccffen ist, vcrfiel
aber endlich auf folgendes Mittel. Er vcrfaßte
einen Mahnbrief, setzte oben auf dic Adreffe mit
rother Dinte und dreimal unterstrichen dic Wortc:
„Siebenter Mahnbrief des Schneidcrmeisters R.",
rccommandirte das Schrciben und schickte es so seinem
Schuldner zu. Dcr Brief ging natürlich vorschrifts-
mäßig durch alle Postbureaur, erregte überall große
Heiterkeit und «urde schließlich von dem Briefträgcr
dcm Adreffaten schmunzelnd überrcicht. Der Kauf-
mann, Repräsentant einer zicmlich bckannten Firma,
war wüthcnd, als cr das Schreiben cmpfing, aber
waS half's! cr mußte ordnungsmäßig über den
Empfang des origincllcn Brandbricfes quittiren,
setzte fich aber sofort hin und übersandte sctnem
Gläubiger die geforderte Summe in Bcgleitung
eincr Antwort, welchc dcm Schneider nur durch die
Gcld-Einlage gcnießbar gemacht werben konnte.
krobstuw ost.

s Bekanntlich ist vor Kurzem einfränzösisches Provin-
zialdlatt, „La France centrale", auf einen einfachen
Beseh! des Mmisters des Znnern unterdrückt wor-

städter Regierung auftritt, als ob sie au-
eigenem Antriebe und auf eigene Faust han-
dclte, liegen leider nur zu viele Anzei'chen
vor, daß hintcr ihr cin anderer, mächtiger
Einstiiß steht, und wir fürchten eben deßhalb,
daß der Antrag des großh. hessischen Vertre-
ters am Bunve in der Eschenheimer Gaffe
mehr Anklang findet als zu wünschen ist.
Wir erkennen in dem Schrilte Heffen-Darm-
stadtS das unselige Walten jener bekannten
freiheitfeindlichcn Politik, welchc in jedcr Re-
gung des nationalcn Bewußtseins der Deut-
schcn ein staatsgefährliches Verbrechen erblickt,
und Deutschlands gegenwärtige Organisalion
zu stärken, dic ihm drohcndeu Gefahren zu
beschwören vermeint, wenn sie dic bcrüchtig-
ten Verfvlgungen der Restauralionszeit wie-
dcr aufnimmt, zur Demagogenriecherei zu-
rückkehrl und die Kasematten ber Festungcn
mit Patrioten ansüllt. Aber jene die da glau-
ben, daß derlei hcute noch möglich und cr-
sprießlich sei, irren sich in der Siunde. Die
Kunde von dem Antrage, den Heffcn-Darm-
stadt einbrachte, ist in diesem Augenblicke von
einem Ende Deutschlands biö zum andern ge«
drungen und wirb überall dieselben Kundge-
bungen hcrvorrufcn, denen dieHeffen, Naffaucr
und Franksurter anf ben Bürgerversammlun-
gen zu Eltville und Frankfurt so kräfti'gen
Ausdruck verüehen. Unb cs ist auch noth-
wendig, daß sich ein lauter Schrei der Enk-
rüstung übcrall in Deutschland erhebt; dcnn
wäre es möglich, daß derlei heute ohne Pro-
lest hingcnvmmni wird, so würde man bald
beim Nationalverein nicht stehen bleiben, uno
was die einzelncn deutschen Staaten sich im
Laufe der letztcn dreißig Zahre an Freihcit
mühsam errungen, wäre balo wiever einge-
sargt in dcn Proiokollen ves BundestagS. Wir
in Oesterreich haben namentlich ein ganz be-
svnderes Jnlereffe daran, daß der heffen-
darmstädtische Antrag von der öffenilichen
Meinung DcutschlandS rückhaltlos verworscn
wirb, noch bevor er in Frankfurt zur Abstim-
mung gelangt, venn schon heute tönl aus dic
Franksurter Kunde vom beutschcn Nordc» her
dcr schadenfrvhe Ruf: „„Nicht Heffcn-Daim-
stadt, sondern Orstcrreich, oer Fcind aller
Freiheit hat's gelhan.""

Prug, 6. Jan. Richters Begräbniß hat
auch hier alle anbern Tagesfragen in dc»
Hiiltergrund gedrängt. Bereits gegen 9 Uhr
Morgens halte sich eine ungeheure Menschen-
menge l'm Bahnhos eingefunven, die Geschäsls-
welt war voüständig vertrelen. Bis zum
Gebäude ver Crebitanstalt wurde ber Sarg
von den Beamten der letziern getragen. An
tausend Mitglicder des Handclsstandes solgten
demselben mit drennenden Kcrzen in eincm
langen Zuge, den an hnndert Wage» schlvffen,
biö zur Fabrik des Verblichcnen am Smichow,
wo der Sarg noch einmal geöffnet wuede.
Dle Beisetzung auf bem Klei'nseitener Kirch-
hof fand um 4 Uhr Nachmiitags statt.

Prag, 8. Zan. Dieser Tage haitcn die
HH. Dr. Rieger, Dr. Brauncr, P. Tomek
unv F. Palackp mit den Grasen Elam-Mar-
tinitz, Salm, Hildedrand und noch einigcii

den. Der Redacteur, Hr. Walsh, hattc sich an den
Minister gewendct, um Aufschluß übcr dieft Maß-
rcgcl zu erhaltcn, da »as Blatt sich mit großer
Sorgfalt vor jedcr Verlctzung des Gefttzes gchütet
dabe. Der Minister erwiderte mit kaltem Blute:
„Abct mein Bcster, Ihr Blatt langweilt uns. Wenn
dcr Kaiftr einc Rcift machte, zcigten Sie es in zwci
Zcilen an; wenn ver Graf von Chambord nur
eincn Spazicrgang macht, haben Sie cine Spalte
dafür bcrcit. Eine solche systematische Opposition
könncn wir nicht dulden." Hr. Wrlsh erzahlt dicft
Worte Zedem, der sic hören lvill.

Ein gedrmktcr Münchener NeujrhrSwunsch von
1781 lautet folgendcrmaßen:

Gut bririsch Bier, gros bairisch Brod,

Ein Herz voll alter Ehrlichkeit,

Laß wcrdcn uns, o Herre Gott!

Genädig, dift Zahreszeit!

Laut Jnftrat in Wiener Blättcrn wird in Ober-
östcrreich ein Kanzlist für eine k. k. Notariatskanzlei
gesucht, der zugletch alö Baßsänger verwcndbar ftin
muß. Wenn nun ein brauchbarer Kanzlist zufäliig
Tenor tst?
 
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