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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0296

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gegenqetreten nnd haben sehr wehl zwi'schen
weltlicher und kirchlicher Stellunq des Papst-
thmns zu unterscheiden pcwußt.

Schließlich tritt Jules Favre denjenigen ent-
geqen, welchc aus pvliiischcn Eründen eine
itälienische Einheit a!s nachtheilig sür die
französischen Zntercsscn ansehe». „Wir, rutt
er aus, wir sehen eine Nation, 'die sich ent-
wickelt, die nichts mehr verlangk, a!s zu er-
stchen und frei-zn werdcn, sie will einig sein;
und wir solltcn diese erstchendc Nalionalität
erstitken ! wir sellten sagcn: Wir sind die Stär-
keren, wir verurtheilen Euch zur Trennung,
zur Schwäche, zur Ausregung, zu Ausständcn
auf immer! Ein solcher Entschluß wäre nicht
allcin ein Vcrbrcchcn, sonkern auch eine Thor-
heit. Als der Krieg 18ö9 ausbrach, sagtet
Jhr: Die Jtalienci! cin clendcs, lraurigeS
Volk, höchstens gut sür Beltclci und schöne
Künstc. Und man hak diese frivolen, leicht-
sinnigcn Geschöpse gesehcn, wie sie an der
Scite unserer kapferkii Svldaken starben; sie
habcn nvch mchr gethan; sie haben im Sicgc
die Mäßigung bcwahrt und alle ihre alten
Eifcrsüchtclcicn schwiegcn vvr der Fahne Frank-
reichs und unier der Führuug des nationalen
Geistes. Florenz, Bolvgna, Tnrin und Nca-
pel habcn vergeffen, daß sie Hauptstädte siud,
um sich nur daran zn eriilncin, daß sic ita-
lieniich stnd! Und was in der Vcrgangenheit
gcschah, soll nicht in der Znkunft geschchen
können?" Der Redncr erinnert, wie von
Giobcrti und Karl Albert bis zu Pcträrca
imd Macchiavcll ziirnck alle grvßen Geistcr
der Nakivn steks das Work der Einhcit ver-
kündet habcn, verliest eine Stclle aus kcni
„Fürsten" dcs letztercn, wvrin er ssorenzo von
Medici auffordert, drr Erlöscr Ztalicns zn
werden, imd ichließt init den Wortcn: Wohlan,
mciiie Herreu, dicser Erlöscr ist gkkouiiiicn;
Frankreich reichte ihm die Hand. Es hat ihn
niit scincr Starke gckrönt, cs hat scinen Sinn
crlcuchtct, es hat ihn zuin Sieqe gefuhrt und
ihn auf dkin Schlachtfeld inii dcm Blntc sci-
ncr Kiiider gctaust, cs hat ihn strahlcnd iin
Rathe dcr Völker niedcrsitzen hcißcn, damit er
Jtalien vertrete und die Jntercsscn dcr la-
Ikiiiischen Race verkhcidige, welchk die Zntc-
rcffcii der Civilisation uiid der Freihcit sind.
Wohlan, man verlangk vvn Zhnen, dicscs
Werk zu zerstören, ich »erlangc, daß man cs
unterstutze und kräftige. Dcshalb rufe ich
nicht dcn Dcgen, svndern die Gerechiigkeit
Frankrcichs an; ich verlangc nicht, daß es
handle, sondern daß es von einer Handlung
abstehc, welche eine Unierdrückung des naiio-
nalen Willens von Jtalien ist. — Rach dic-
ser Redc untcrnahin es Herr Granier von
Caffagnac, in einein aussührlichen Vorträge
dik Politik dcs Abwartcns und ves Zusehens
in Rom zn verthcivigen. Er erklärtc schr
leidend zu scin, waS aus der schr inangelhaf-
ten, unzusamliicnhängcnden Argumcntation und
der stcllenweise sehr gcschraubtcn Darstellung
deutlich hervorgicng. Man wünsche, bics
ist so zicmlich der langen Nede kurzer Sinn,
abzuwarten, ob und bis stch Jtalien mit dem
Papstlhuiil verständigen und vertragen werde.

„Sie wrrd in's Schlafgemach gctretcn sein", flüstcrte
ich, mich beruhigend — und war mit eincm Satze
dort. — Das Fenstcr stand auf. — Jm Nu über
die Brüstung, stand ich im Zimmer — aber auch
hier nichts — lecr, alles leer! — Jch stürme zur
Thüre — verschloffen. — Jetzt erst fällt es-mir cin,
daß ich ja den Schlüffel rn dcr Taschc trage. —
Jch ziche ihn hcrvor, um hinaus zu kommcn — dic
zitterndc Hand kann am hellen Tage daS Schlüffel-
loch nicht trcffen. — Wie cin Blitz Kehrt und wieder
zum Fcnstcr hinaus. — Ein Gtück, daß mich Nie-
mand bcobachtete, man würde mich für närrisch ge-
halten habcn — und ich war wirklich nahe daran,
es zu wcrdcn. — Des MLdchcns V'eriust — rie
Unmvglichkeit, das Abenteuer zu enthnllen — be-
raubicn mich fast der Sinne. —

Ueber die.Treppc hcrab — durch den Hausflur
flicgcnd — unbewußi, was ich eigentlich will — höre
ich mich bci Namcn rufen. — Es ist der Haus-
mcister.

„Hoai ebe a jung's Madel den Bricf für Sie
abgeb'n." Er streckt di- Hand mit dem Bricfc durch
das kleinc Fenster, «elches scincm.flcischigcn Kopfe
de» Durchgang nichi mchr gcstatieie.

Bor Allem aber dürse di'e vermi'ttelnde Auto-
rität Frankreichs nicht geschwächt wcrden. Hr.
Granier schloß mit der pathetischen Phrase:
„Ja, höre auf die Stimme Frankreichs, und
nm fortan l'm Fri'eden dahin zu fahrcn, o hoch-
verehrte Barke Petri, entfalke als Segel den
Bi'eneiimantel und laffe am Vordertheil das
Schwert Frankreichs in der Hand Napo-
leons III." Die Rede des Herrn Granier
machte cinen so üblen Eindruck auf das.Haus,
daß Hcrr Schneidcr im Namen der Adreß-
eoniiniffion erklärte, dicsclbe könne nicht alle
Ansichtcn des Vorredners thcilen (der bekannt-
lich Redacteur des Adreßentwurfks ist).

Deutschlan-

Mannheim, 24. März. Heutc Morgen
starb A. Schüßler, vorinals OberhosgerichtS-
Erpeditor, dcr Begründer des bekannten Ver-
eins zur Förderung der Tonkunst durch Preis-
ausschreibcn, dentsche Tonhalle genannt.

Freibur^, 2t. März. (Schwurgericht
des Oberrheinkrci'ses.) Heute stand der 39
Zahre alte Landwirth Gcvrg Bnhlcr vo»
Zhrinqen vor den Geschworenen, angeklagt
dcr Tödtung scines eiqenen, ehclichen Kinkes.
Dersclbe hatte sich i'in Frühjahr 1859, nachdem
er ctwa 8 Monatc Wittwer mik 4 Kinderii
qewescn, mit Rvstna Kiß verheirather, die
ihm sotann im Dezember 1859 einen Kna-
ben, Christia», qebar. Die Ehe war jedoch
qlcich von Ansang kcine glückliche und dic
.Zerwürfniffe steiqerten sich so rasch, daß schon
die Gcbnit des Kindes nichk mehr im Hause
dcs Vaters, sondcrn ün eltcrlichcn Hauie
dcr Mutter crsolqie. Auch der Taufe seines
Kindcs wvhiüe Bühler nicht bei imd äußeric
sich oflinals vffen, daß er sein Kinv nicht
liebc, indcm er demselben stets nur dic schmäh-
lichstcn Namcn, wie Bankert, Engerich und
dcrglcichen gab. Uebcr das Schrcicn des
Kindes aber konnte er in wahre Wuth gera-
then, wobei er sich dann die rohestcn Miß-
handlungen deS arme» Geschöpfes zu Schul-
dcn koinincn ließ. Zn eincm ähnlichen Wulh-
anfalle hatle er das Kind ain 28. Dezcmber
v. Z. an der Brust gepackt und an dte stei'-
iicrne Osenplatke gcstoßen, woranf alsbald
Erbrcchen uuv die sonstigen Zeichen heftiger
Gehiriierschütteriing eintraten. Am I. Zan.
d. Z. starb das Opfer di'eser Brutalitäi nnd
bei dcr Leichenöffiiung zeigte stch eüie mehr-
fache Zcrtrüininciuiig des Schädelgewölbes.
Bühler ist der Tödtnng scines Kindes im
Affect mit unbcstiinintcin Vorsatz, zu tödten
odcr zu veiletzen, beschuldigt und als Mvttv
die Unzufriedenheit mit der Frau und mü
ber Geburt eines Sohues, auf ben nun die
Vvrtheilsgercchtigkeit übergehe» und dem
Sohn crster Ehe entzogcn wcrdcn svllte, be-
zeichnek. Die Vertheidigung suchte vom psp-
chologischen Standpunkte aus darzuthun, baß
AUes, was Bühlcr gegen sein Kind unter-
nahm, eigentlich der verhaßten Muttcr des-
selbcn galk und daß die töoiliche That nur
einc unüberlegte Rohheit, nicht aber bie Fvlge
eincs gegen däs Leben dcs Kindes gefaßten

„Eine junge Dame? für rnich?" fragte ich, den
Bricf ergrcifend.

„Stellen's Zhn'n nur nii unschuldi", lachie dumm-
pfisfig dcr Hausmcister. „s' Madci kenncn's nit?
. — Koam's doch von Ahrem Zimmer oabi — zum
Haus hinaus — noa un noachher broachi's den
Brief. — Koan mir's denkc, doa's ihn'n völlifremd
is." Er lachte fort.

Jch hatte indeß den Bricf zu erbrechen vcrsucht,
es «ollte den zitterndcn Händen kaum gelingen —
des Hausmcislers höhnisches Lächeln bemerkend, cilte
ich zum Hausc hinaus.

„Woan's ctwa a Schecren brauchen — de Fingcr
thuet's nit — i koan dine", hörte ich ihn mir la-
chend nachrufen.

Ach wendetc mich gegen die lutherische Kirche. —
Hier war cs einsam. — Mcinc Rnhe kehrte ctwas
zurück. — Ach besah nun daS Sicgel dcs Bricfcs.
Mein Petschaft war darauf abgedrückt. — Dcr Bries
war also in mcincm Zimmcr geschrieben — konnie
nur von ihr kommcn.

(Forisetzung foigt.)

PkaneS sei'. Bühker wi'rd allgemekn aks ekn
rohcr, geizigcr uuo bem Trnnk eigebener
Mensch geschildert, der seine Frau »nd dcren
Kind gleich lieblos bchandelte und »ft Aen-
ßerungen that, die den Willcn bekundeten, sich
der Verhaßten zu entievigen, ja er wollte
seine Frau sogar mi't 300 fl. schmähli'cher
Weise abstiiden und veranlaffen, sich freiwil-
lig von ihm zu treniien. Dcr Wahrspruch
der Gcschworenen lantete schr qünstig für
dcn Angeklagten, indem sie nur fahrlässtge,
durch im Affcct verübte Körpervekletzung
verursachte Tödtnng annahin, worauf Georg
Bühler z» 10 Jahrcn Zuchthaus verurtheilt
wurbe- (B. L.)

Arankfurt, 25. März. Unter den bei
der Biiiidesversaininliing eingelaufenen Ein-
gabcn befindet sich ein Gesuch dks Buchhänv-
lers Christian Korn in Nürnberq iim Ver-
leihnnq dcs Vcrlagsrechts für aÜe deutschen
Bimdcsstaaten für das von der Eoinmission
zu Nürnberg ausgcarbeüete Handelsgesctzbiich,
resp. deffen Entwurs. (Fr. Z.)

Frankfurt, 26. März. Nach eincr uns
soeben ziiqehkiid'e» Mittheilung hat dcr Senat
in scincr heutigcn Sitzung die von ber Poli-
zei verhängten Aiiswcisuiigen gegcn Or. Lö-
wenthal und gegen den jmigeii Mann, der
im Thcaier gepsiffen, ziirückgenvminen. Durch
diesen Beschluß cntspricht dcr Scnat der all-
geineinen Erwartung. (N. Fr. Z.)

Jena, 25. März. Dcr alte Stolz Zena's,
sein freies studentisches Lcbcii, scheint jetzt
absvlnt vernichket werden zu sollen, liidem
die Universitätsbehördcn glanben, cine stren-
gere Disciplin und Controle nber bie aka-
demischc Zugend üben zu müffcn. Die Stu-
dentenwelt gibt dic neucn Beschränkungcn
namentlich einem sonst bcrühmten Univer-
sikätslehrer, dem Philosophen Kunv Fi-
scher, schuld, der hicdurch viei an seiner Po-
pulariläk hier verloren und auch aus vie stu-
dirende Juqend des 'Auslandcs bald nicht
inehr dic früherc Anziehungskraft ausüben
dürftc. (N. F. Z.)

Berlin, 22. März. Di'e bav. L. Z.
schreibt: Sie wcrdcn die Ncuigkciten aus
Dänemark durch den Telcgraphen bereits er-
halten haben. Die Berwegenheit des Dänen-
königs, einen deutschcn Fürstcn aufrührcrlscher
Gcstnnuiigcn zu beschnldigcii uttd mit dcr Los-
trkllnung vom Bunde zu diohcn, muß von
vornhcreiii auf dcn Gedauken brüigcn, daß
bcrselbe eincn Rückhall chat. Dies ist in der
That der Fall. Wie ich aus ^laubwürdigcr
Qiielle vernehme, besteht, als Frncht der
schon frühcr lii der Preffe crwähnten Unter-
handlungen, ctn geheüncs Schiitz- unb Trutz-
bündniß zwischen Däncmark und Frankreich.
Ucber di; Tragweite ctiies solcheu BündniffcS
will ich bei den drohencen Gewitterwolkcn,
di'e allenkhaiben den polttischen Horizönt ver-
sinstern, heute kein Worl verlieren.

Unter Len Flüchtlingcn, welchr von der jüngst
rrtheiltcn Amncstie Gebrauch gcmacht haben
und ins Vatcrland zurückgekchrt stnd, befindet
sich auch der Dr. Carl Marr.

^ Lwrisilbige Charade.

Den Kricgcr soll die Sribe nennen,

Dcn stciS die Nachwclt wird erkennen
Als Kührer einer kühnen Schaar.

FLr Frcihcit, Recht und Vaterland
Hieß das Panier, das ihn vcrband
Mit dcr Gcnoffcn Hcldenmuth.

Als Sicger nicht, doch nur bezwungen,

Ais ihm daS Schwcri ins Herz gcdruugen,
Gmg er zum ewigen'Fricden ein.

Und fügst du eine Silbe noch
Zeigt sich ein Dichter dir, so hoch
Geehri in Dcutschtand's weiten Gauen.

Ein Geistesfürst! Sein flammcnd Wori
Schon vsi dcr Dcutschcn Stolz und Hort,
Ein Mahnruf für die Gegenwart.

Bei seincs Festcs hohcr Feier
Wic war Er allen Hcrzen theuer
S o mögi ihr stcts geeinigt sein.

A. D.
 
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