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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0398

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Offenburg bi's Villmgen, welche bei dieser
Lebensfrage für die gewerb- und industrierciche
Gegcnd interesfirt sind, haben Bertreter nach
Haslach abgesendct, wo fie gestern tagten
und über dic Mittel und Wege fich beriethen,
welche unter den gegenwärtigen Verhältniffen
mit Ausficht auf eknen Erfolg einzuschlagen
find. Angefichts der Bestrebungen für die
Herstellung einer Höllenthalbahn oder ciner
Elzthalbahn, welche ohne Zweifel dieselben
oder ungleich größere Schwierigkeiten in ih-
rer Ausführung, als die Kinzigthalbahn dar-
bieten, und dieser als Concurrenten entge-
gentreten, herrschtc in der zahlreichen Ver-
saminlung ein gehobener Ernst und die ein-
stimmige Ueberzeugung, daß es jetzt mehr als
je an der Zeit sei, für die endliche Äusfüh-
rung des schon zwanzlg Jahrc alten Projects
der Herstellung einer Kinzigthal - Schwarz-
waldbahn mit allem Nachdruck hinzuwirken.
Daß man gcrade jetzt mit Erfolg operiren
werde, gehc aus dem Schrciben eines Eng-
länders hervor, w'elchcr der großh. Regierung
das Anerbieten zum Bau der Kinzigthalbahn
gemacht, bis jetzt aber noch keine Resolution
crhalten habe. Da die Möglichkeit der Aus-
führung durch Tcchniker schon längst barge-
than sei und dcr Nealisirung des Projects
stets der Geldpunct als Hinderniß entgegen-
stand, so falle fortan anch dicses letzte Be-
denkcn hinweg, iusofern die großh. Regieruug
das gemachte Anerbieten anzunehmen in der
Lagx scin werde. Befriedigt von dieser Mitthei-
lnng wählte die Versammlung ein Comite von 9
Personen, wclches mit dcr unverzüglichen
Einleitung und Ausführung der gebotenen
Schritte betraut ward.

Darmstadt, 23. April. Seit gestern
verlautct in höheren Cirkeln, daß von Sei-
ten der obersten Militärs — es svllen sogar
die eigenen Adjutanten des Großherzogs da-
bei sein — der Entschluß gefaßt worden sei,
mit Hrn. v. Dalwigk nicht mehr bei Hof zu
erscheinen»

Der Herzog vvn Cvburg hat unter seinem
Osfizierkorps die Sammluiig vM Beiträgen
zu dem Ehrenschild für Franz von Bourbon
als politische Demonstration untcrsagt.

Berlin. Jm Abgcordnelenhausc wurde
am 22. d. der Bericht der Geschäftsordnungö-
commission über dcn Antrag bes Abgeordne-
ten Dr. v. Niegolewski wegen der Rechte
der Polen, Anerkcnnung ihrcr Nationalität
als ein zusammengehörendes nationales Gan-
zes in dem Gebiete des ehemaligen König-
reichs Polen vom Jahre 1772, auf Grund
dcr Wiener Verträge vom Jahre 1815, be-
rathen. Der Antrag ist zur Prüfung, ob er
zuläsfig und.nicht verfaffungswidrig sei, der
Geschäftsordnungscommisfion übersviesen wor-
den. Dieselbe beantragte den Uebergang zur
einfachen Tagesordnung und wurde diesc
auch mit großer Majorität augenommen.

Berlin, 22. April. Graf Schlippenbach
ist von der Gesandtschaft am römischen Hofe
abberufcn fer war also doch dort angesteüt?);
cr soü bei seiner Schwadron einrücken.

Wien, 22. April. Jn den kaiserlichen
Handschrciben, welche die Ernennungen der
Herrenhaus-Mitglieder begleitcten, wird der
Standpunct dcs Einheitsstaates, insofern die-
ser durch eine Gesammtvertrctung repräsentirt
wird, in einer sehr klaren Form gewahrt.
Dcr Kaiser behält es sich nämlich vor, nach-
trägliche Mitglieder dcs Herrenhauses aus
Ungarn, Croatien, Slavonien und Siebenbür-
gen zu crnennen, wenn einmal mit den be-
treffenden Landtagen und Hofkanzleien die
Art und Weise, wie aus den gcdachten Län-
dern Abgeordnete zur Reichsvertretung zu
entsenden wären, definitiv geregelt sein wird.

Wien, 23. April. Die Ernennungen zum
Herrenhause weisen beinahe ausschließlich dic
Namen der Vollblut - Arifiokraten auf. Für
die erblichen Reichsräthe gilt diesc Regcl,
wie kaum andcrs zu crwarten stand, ohne
Ausnahme; aber auch die wenigen Ausnah-
men, welchen wir in der Liste der lcbensläng-
lichen Pairs begcgnen, sind zum bei weitcm
überwiegcnden Theilc svlche, die nur zur Be-
stätigiing der Regel diencn — wie Frhr. von

Pipitz, der Bankgouverneur; Frhr. v. Roth-
schild und der GroßhSnrle? Frhr. v. Reper.
Wirkliche AusnahMen, vom Gefichtspunct der
politischcn Parteistellung, bilden hicr vielleicht
nur: Graf Auersperg (Anast. Grün), Frhr.
v. Münch - Bellinghausen (Friedrich Halm)
und Graf Hartig, denen man, trotz ihrer
hohen Peburt, nach ihren Antecedenticn keinc
hochtorystischen Gesinnungen beimeffen kann,
der Hifioriker Palazkp und der greise Dich-
ter Grillparzer. Aüe übrigen lebenslängli-
chen Reichsräthe gehören ebmfalls entweder
dem hohen Adel — auch in der politischen
Bedeutung des Wortes — oder Spitzen der
Civil- und Militärbehördcn an. Als Vertre-
ter der evangelischen Kirche figurirt Super-
intendent Haase unter den auf Lebenszcit er-
nannten Reichsräthen. Ferncr ist zu bemer-
ken, daß wir den Grafen Holugovskp unter
den erblichen, den Grafen Thun untcr dcn
lebenslänglichen Reichsräthen finden, während
diejenigen Erminister, selbfi dcr jüngsten
Vergangenheit, welche flch als weniger pro-
noncirte Gegner, over als halbe Anhäng^r
des Constitutionalismus und der religiösgn
Gleichberechtigung erwiesen haben, sorgfältig
ferngehalten sind. Vergebens suchen wir
nichl nur nach dem Frhrn. v. Pillersdorf, des-
sen Ernennung noch vor Kurzcm als ausge-
machte Sache erschien, sondern auch den Frhrn.
v. Hübncr und v. Thierrp.

Man schreibt uns aus Hermannstadt
vom 18. d. M.: Die neu ernanntcn Ober-
gespäne für Siebenbürgen hielten vor Kur-
zem ein Conferenz, die nun zum Schluffc ge-
langt ist. Es verlauter mit Bestimmtheit,
dicselben hätten stch darin gceinigt, daß we-
der fle selbst anf einem fiebenbürgischen Lanv-
tage erscheinen, nvch behufs eines solchen,
selbst wenn sie von der Rcgierung dazu Auf-
trag erhalten sollten, die Wahlen ausschreiben
werden. Sie wollen viclmehr en ineisns fich zum
ungar. Landtage nach Pesth verfügen, den fid als
ihre legalc Autorität ansehen. Sie betrach-
ten die Union Ungarns mit Siebcnbürgen
als zu Recht bestehend. Hinwicder trcffen die
Rumänen ihre Gegenvorkehrungcn. Dieser
drei Millionen Seclen starke Volksstamm steht
entschiedcn auf Oesterreichs Seite.

Z t a l i e n.

Zn dcn Verhandlungcn des Turiner Par-
laments, die der Abstimmung und Annahme
der von Ricasoli beantragten Tagesordnung
vorangingen, warcn die bedeutendsten Redncr,
namentlich Conforti, Cavour und Ricasoli,
bxmüht, eine Bersöhnung und Ausgleichung
der fich von vornherein so schroff gegenüber
stellenden Ansichten über die Südarmee her-
bcizuführen. Am Schluß der Debatten wandtc
sich Garibaldi nochmals an den Grafen Ca-
vour. Jch will, sprach er, eine Frage an den
Miiiisterpräsidenten richten. Um seine Politik
kümmere ich mich nicht, das ist seine Sache.
Zch will nur wiffen, ob Ztalien so gerüfict
ist, wie es gerüfiet sein soll. Das ist die
Hauptsache. Dcr Ministerpräsident hat zur
Eintracht aufgefordert. Jn politischer Bc-
ziehung bin ich bereit, in Uebcreinstinimung
mit ihm zu gehen (Bravo!). Jch frage nur,
was cr in Betreff der Südarmee auf dem
Altar der Versöhnung geopfert hat, und ich
erwarte einc Antwort. Graf Cavour: Zch
tiehme mit ganzem Herzen dcn Gcbanken ei-
ner Aussöhnung an. Man fragt mich, was
wir für Bewaffnung des Landes gethan ha-
ben. Was die reguläre Armec anbelangt, ha-
ben wir Allcs, was uns nur möglich war,
gethan. Zn den Nordprovinzen haben wir
alle gesetzlichen Mittel crschöpft und im Sü-
den aufgcboten, was nur mit den Gebräuchen
dieses Landes vereinbar war. Jn Umbrien
und in den Marken wurden zwci Claffen aus-
gehoben; das ist viel für diese Gegend. Jn
Bezug auf Neapel haben wir ein Gesctz vor-
gelcgt; für Sicilien berciten wir gleichfalls
eines vor. Dies in Bezug auf die Mann-
schaft. Was das Material betrifft, so hat
man alles Nothwendige sür einen großen Krieg
vorbercitet. Wir haben 100 Batterien; das
ist schon etwas. Wir habcn aüe in den

Feuerwaffen eingeführten Verbefferungen be-
nützt. Man sollte stch die Schwierigkeilen
käum vorstellen, welche die Anschaffung einer
großen Maffe von Gewehren, d. h. solchcn
Gewehren, die den Feinden gefährlich werden,
darbietct. Wir sind aber im Stande, eine
große Armee damit zu vcrschen. Wir wollen
das Jnstitut der mobilen Nationalgarde ver-
vollkommnen, die unserc Hoffnungen übertrof-
fen hat, und wir find bereit, das von Gene-
ral Garibaldi vorgelegte Gesetz zu prüfen.
Was die Freiwilligen angeht, so wollen wir
für den Moment organistrte Cadres haben,
wo die allgemeine Politik uns gestattet, sie in
Thätigkeit zu setzcn, und dann wird das Mi-
nisterium den General Garibaldi bittcn, den
Oberbefehl über dieselben zu übernehmen. Zur
Zeit des Kricges in den Marken bat ich Ga-
ribaldi, mir zum Kampfe an dcm Mincio und
dem Po drei Divisionen zu schicken. — Als
Marineminister werde ich 52 Millionen aus-
geben und ich hoffc, daß wir bald nicht mehr
die letztc der secundären Marine-Mächte scin
werdcn. — Jch bin bereit, weiterc Aufklä-
rungen zu geben. Garibaldi: Jch danke dem
Ministerpräfidenten, allein ich bin nicht zu-
frieden gestcllt. Was mich sehr interesstrt,
das ist die Südarmee, und darüber hat man
mir Nichls gesagt. Zch habe, aus Rücksicht
auf mieine Freunde, meine Tagesordnung in
gcmäßigtem Sinne abgefaßt. Die Majori-
tät dcr Kammer wirb. entscheidcn, ich un-
terwerfe mich. Aber ich werde sagen, daß
das, was man thut, nicht italienisch, nicht
der Nation würdig ist. Die Zahl der Oe-
sterreicher nimmt immer zu; die Reaktion
erhebt das Haupt, und ich begreife nicht,
wie, wenn ganz Europa rüstet, wir die Her-
ausforberer sein sollen, wenn wir glcichfalls
rüsten. Es sind 30,000 Mann mit Offiziercn
vorhanden, welche den Offizieren der ersten
Armeen der Welt gleichkommen; eS sind
Männer, die neben den Engländern und den
Franzosen gefochten haben. Wenn ich von
meitien Offizieren rede, glaube ich eben so
kompetent zu sein, als General Fanti, und
ich schmeichle mir, der Tapferkeit meiner
Offiziere hinlängliche Gelegenheit, sie an den
Tag zu legen, geboten zu haben. Wenn der
Ministerpräsident aufrichtige Versöhnung will,
so mache er von einer Wehrkraft Gebrauch,
die er bci ver Hand hat, und die Niemanden
provozirt. Zch werde mich bcm Urtheil der
Kammer unterwerfen und für keine der andern
Tageöordnungen fiimmen.

R u ß l a n -.

Warschau, 17. April. Während gestern
der ,,Czas" die Zahl der Vermißten zu 850
angab, ist dieselbe nach heutigen Mittheilun-
gen bereits auf 1000 gesttegen. Die Ver-
hafteten kommen theils nach Modlin, theils
nach Demblin, theils in dic Citadelle von
Warschau.

Landrvirthschastliches.

0 Dom badischen Oberrhein, 17. April. D°ß
lanbwinyichastüche Vcrrine nützlich und sbmit nothwenbig
s-icn, wtid jeder Einßchtsvolle, set er Bauer odcr »tcht,
anerkennen müssen. Htcr aber, wie anderswo, mnß dcm
Iortschrtll g-hnldtgt werdcn, diesen aber zu sördern, tst
vor Allcm Sache d-r V-rclne. Sollcn diese aber crsprteß-
ltch wtrken, so müflen dtc Vorsiändc au« Männern zusam-
mengcsetzt setn, wclchc tn den verschiedencn Zwetgen der
L-ndwtrlhschast -tw»S zu l-isr-n tm Etandc und mtt den
Bodenverhaltntffen und dem Anbau gehortg bekannt find;
ntcht wentger müflen fie prakttsche llebung befihen und fchon
mtt gutcm Betspkeie vorangegangen setn. Besrcmden muß
es aber und Mtßtraucn tn diescm llnd jenem Verctn er-
wccke», wenn man fi-ht, daß dic Vorständc, prakttsche,
kenntntßretche Landwtrthe, thre Stellen niederlegen und bei
deren Wtedcrbesehung man fich gezwungen fieht, Männer
zu wählen, dtc zwar den b-stcn Wwcn haben mögen, den
Landbau' zu hehen und zu sördern, dcnen abcr dte prak-
ttschen K-nntntfle abgehcn, so daß fie ohnc wirkltchen
wohlthättgcn Einfluß dte V-rcinSangel-gcnhetten leitcn, wctl
fie cbc» nnr tn Formcn fich bewegcn. Etne gcdcihltchc Ent-
wtcklung unseres landwtrthschastltchen Lebens hängt haupt-
sächltch von den Veretnen ab, daß dt-se aber Dasjentge
wtrkltch l-isten, wa« Zctt und Berhältntfle g-bietertsch «er-
langcn, so müffen dicfelbcn eine innere belebende Blldung
neu erhalten nnd auch etner Umgestallung tn dcr äußeren
Etnrtchtung ntcht entbehren, waS wohl ntcht umsonst ge-
wünscht und crhojst «ird!

Redacttvn, Druck und Verlag von Adolph Hmmerliiig, VerlagS-Buchhandlung und Buchdruckerei in Heidelberg.
 
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