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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Mai
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gung zu ziehen und darüber zu beschließen;
fie wotlm also die Rechtsdefiändigkeil dcr Ge-
setze von 18L3 im Priueip zugeben und nur
deren Abänderungsbedürftigkeie constatiren.
Behuss Fefifiellung diescr AbänderungSvor-
schläge söüen, nach dem Wunsch der ungari-
schen Minister, die Führer der gemäßigten
Parteien von der Regieruug zur Berathung
herbeigezogen und gleichzeitig Berhandlungen
zwffchen dem ungarischen Landtag und dem
Rcichsrath über cinigc nochwendige Abände-
ruugen der Februarversaffung cingeleitet wer-
den. Auf diesem milderen Weg, indem näm-
lich einerseits die 1848r Gesetze, andererseits
die Februarversaffung modificirt werben, hof-
fen dic ungarischea Minister zu einer Verstän-
digung zu gelangen. Gegen die AuSschreibung
von directen Wahlen erklären sie sich mit gro-
ßcr Entschiebenheit. Der Kaiscr wird nur
zwischen diescn beiden Wcgen, die ihm gestern
vorgeschlagen worden sind, zu wählcn haben
und Viele meinen, er werkc fich für den zwci-
ten, der den Ungarn möglichst weit entgegen-
kvmmt, entscheiben.

Wien, 23. Mai. Das Resultät des ge-
stern abgehaltencn Ministerrathes ist, daß
Baron Vap heuke nach Pesth abreist, um ei-
nerseits auS persönlicher Anschauung oen Stand
dcr Dinge kcnnen zu lernen, andererseits Ver-
handlungey mit den Führern dcs Landtags
bezüglich der Adreffe unb ihrer Ueberreichung
eiuzulciten.

Wien, 23. Mai. Selbst der „Tprolcr
Bote", daS Organ der dortigen Ultramonta-
nen, bringt eine ziemlich ausführliche Schil-
derung des festlichen EuipfaugS, der dem Dr.
Pfretschner, dem Führer ber Freisinnigcii und
Verthcidiger der Protestanlen auf kem Fnns-
brucker Landtage, bei seiner Ankunft in Ieu-
bach zu Theil geworden. Mit Recht fragt
die „Preffe", wie man Liesen fesllichen Em-
pfang in Uebereinstimmung bringen woüe mit
der behaupteten ultramoutanen Einstimmigkeit
des ganzen Landes.

Oesterretchtsche Monarchie.

Pesth, 22. Mai. Die Sleuereintreibiin-
gen beginnen dem Landtag arge Verlegenhei-
ten zu bereiten; übrigens ist er cigentlich sclbst
Schuld daran, benn er hat die Beraihungen
so lange verzögert, bis das Unheil ihm über
den Kopf gewachsen ist. Die in die Enge
getricbeneil Comitate wendcn fich in ihrer Ver-
zweifliing an ben Prästventcn des Landtags
um Rath und Hülfe, und diesei befindet sich
in der Lage, weder zu rathen noch zu hclfcn.
SoU er ben Eomitaten rathen, gutwiilig zu
bezahlen, so verläßt er den Bvden der Ge-
setzlichkeit, soü er sie zum Wiberstanb ermun-
tern, sp kvmmt der Lanbtag soforl in Colli-
sion mit ber Regierung unb schneibet sich je-
des Mittel zur ohnehin so prekären Versöh-
nung ab. Dieser inncre Kawpf ist den Mit-
gliedern des Parlaments auch sehr gut anzu-
sehen, sie fsthlen insgesammt die llnbehaglich-
kcit deffen, der weder vor - nvch rückwärts
kann. — Deßhalb blcibt den Comitaten nur
einMittel.übrig, welches sie auch anwendcn;

in düsterer Reihe mit ihreri aufmarksamen Wär-
tern vorüberwandeln.

Arme Marie! Sie fühlte ein erstickcndes und
erdrückendcs Gefühl deS Schmerzes in dcm Halse,
als ob die Luft, die sie einathmete, Gift wärc, und
in ihrcr Uufregung war sie in Gcfahr, das zu wer-
den, für was man sic hiclt. Auf alle ihre eifrigen
Fragen erhielt sic nur auswcichende Antworten;
oder es «urde von dem Gegcnstand ihrer Frage
abgegangen und ein andcrcr zur Sprache gebracht,
für welchen sie kein Intcreffe hattc.

Der kleinc Doktor Van Brun fühlte täglich ihrcn
Puls und sprach die Hoffnung aus, daß sie auf dcr
Befferung sei, odcr wenn dem nicht so wärc, vcr-
langte setn Vortheil, es in Anssicht zu stellcn und
jcde Gescllschaft war der Patientin als aufregend
und nachthcilig verboten-

So verfloß langsam Tag um Tag. Und mit
der Niederträchtigkeit eincs rachsüchtigcn Geistes
wüuschte Perch die Zeit herbei, «o die Strafe so
gewirkt habe, daß cr ihre Zurückbernfung wagen
kpnntc. Während er ruhig has Gclingen seines
Planes crwartete, kam der Freund der Lebensmüden
Mane» zu Hilfe.

die Einwohner werdcn gepfändet und die Co-
mitate protcstircn. Auf diese Weil'e laufen
hier täglich Proteste ein, die zu den Aeken
gelegt werben müffen, um bei Gelegenheit
wieder hervorgezogen zu werden.

Pesth, 23. Mai. Ueber dic Unterhaus-
debattc vom 24. wird aus Pesth telegraphisch
gemeldet: Zokai: „Es gibt keinc österrci-
chische Verfaffung, denu es gibt keine östcr-
reichische Nation, keincn österreichischcn Pa-
triotismuS. Was wird erfolgcn, wenn wir
den „Beschluß" faffen? Die Auflösung des
Lanbtages. Das ist ganz gut, denn auch der
Wiener Reichsrath muß aufgelöst werben.
Geschieht dies nicht durch die Regierung, so
wird er sich von selbst auflösen. Wir können
nicht nach Wien gchen und dort unsere czechi-
schen Brüder, die Föderalisten, unterstützein

Pesth, 24. Mai. Jn Gran soll, nach den
Berichten ungarischer Blätter, die Militär-
Mannschaft bei der Steuer - Erecution sehr
hart vorgehen. Mit offenbarer Uebertreibung
wird bcrichtet: wer 5 Fl. Stcuer schuldet,
dem wird für 500 Fl. Schaden verursacht.
Die Soldaten quartieren sich in bie schönsten
Zimmer, zerreißen die Seiden - Divans mit
kothigcn Sporenstiefeln, zerhackcn Claviere
mit bem Säbel, sprengeu kostbarc Schränke
mit hölzerncn Keilen, schlagen Holznägel in
bie Tapcten, um ihr Pferdegeschirr daran
aufzuhängen, reißen dic Fcnstervorhänge her-
unter, um die Flinten damit zu pntzen, und
schleudern die Schüffcln, wenn ihnen die da-
rauf liegenden Speiscn nicht behagen, in dic
Spiegel.

Für Komvrn, das jetzt stark vcrproviantirt
wiro, sind, wic wir im „P. Naplo" lescn,
72,000 Ccntner Heu bestcllt worden.

Aqram, 24. Mal. Die Nachricht von
Baiiernunruheu in Croatien reducirt sich auf
einen thätlichen Constict ber Bauern aus der
Umgebung des Schloffes Ozail in der Nähe
von Karlstadt mit mehrcrcn Mitgliedern des
Sängervereins der lctzter» Stadt, wclche mit
Fahncn und untcr Gesang einen Ausstug nach
Ozail gemacht hatten. Die gerichtliche Unter-
suchung dcs Vorfalls wurde eingeleitet.

Frankretch.

Paris, 22. Mai. (A. Z.) Dcr aus 21
Mitgliebern bestehende, jedoch nicht vollzäh-
lige Ralh deS großen Oricnts von Frankreich
hatte schon vor einigen Tagen Staatsstreich«
gelüste des Großmeisters Murat als bedaucr-
lich uud erbärmltch bezeichnet. Zn dem Ver-
tagungserlaß der Wahlen bis Freitag hatte
der Premierminister des Murat, ein Herr
Rercs, den Fehler begangen, die Fortsetzung
finqnzicger Erörterungen in bcn Bureaur zu
gestatlen. Die Burcaur beschäftigten sich jc-
boch weit weniger mit den Finanzen, alS mit
bcr Absetzung des Großmeisters. Ge-
gen Abend konnte Murat nicht bezweifeln,
daß er in einer kläglichen Minderheil blcibc.
Eincs erhabenen BeisPiels cingedenk, bcschlvß
er, einen 2. Decbr. in der Straße Cadet in
Scene zu setzen. Nach 9 Uhr Abcnds erschien
vor dem Großmeisterhaufe des großen Orients

„Haben Sie hie Gütc, niich zn vcrlaffen", sagte
Marie zu der Wärtcrin, indem sie ihren Kopf auf
das Kiffen lcgte, wie ein Kind: ,,Jch wünsche al-
lein zu sein." Dje Frau nahm ihre Nähcrci und
setzte sich vor die Thürc, in dcr Meinung, .Maric
wolle schlafcn. Nach einigen Minuten blickte sic
vorsichtig durch dte vffene Thür. Mrs. Percy lag
noch gcrade so da,'ibreWange warin derHöhlung
ihrcr kleinen Hand verborgen.

„Sie schläft sanft", murmektc sic, indem sic ihre
Arbeit «ieder aufnahm.

Ia, Fra« Urfula, fie schläst, aber den„Schlaf",
aus welchex nur die Posaune sie erwccken wird!

Marien's Gehcimniß starb mit ihr und die Ge-
wiffensbiffe Pcrcy's kcnnt nur sein Schöpfcr.

Das „Salut Pubkie" von Lyon erMM, ein Marquis
de Aiont Morillon sei- diescr Tage in ein Eouye erster
Clasic d-r Wseubahu vou St. Etieune gctreten uud habe
dort cinen Reisenden gesnndeu, der ihm gqr keinen Platz
habe machen wollen, um ihn vorbei zu laffen. Darüber
ausgebracht, habe sich der Marquis. ohne anzuftagcn, cine
Cigarre angebranM. Ani «enig häfliche Weise habe ihn
der Reisende ausgefordcrt, die Cigarre qnszulöschen, und,
da er der Aussvrderung nicht Folge geleisiet, ihm die
Cigarre aus der Hand gcWagen. Ohne viele Woüe

von Frankrekch der Prcmkermkrklster Hr. Reres
an der Spitze einer auserlcsenen Schaar von
Poltzciagenten unv Sergents de Ville. Mit
dieser Macht drang cr bis in den ssllo ckes
pas peränn vor. Es besanden sich daselbst
viele Maurer, welche nicht Wähler sinb. Sie
wurden ohne Weiteres aus dem Hause hin-
ausgeschafft. Die 50 anwesenden Bureau-
mitglieder und Wähler hingegen verweigcrten
den Gehorsam. Sie bedcckten sich mit aüen
ihren Zcichkli und erwartelen in feierlicher
Sitzung, daß Hand an ste gelegt werbe. Da-
vor schauderte die Polizei zurück. Sie drohte,
mit Milttärmacht wiedcr zu kvmmen, ließ stch
jedoch nichk mehr sehen. Gegen 11 Uhr Abends
unterzeichneten bie 50 Wähler einen Protest
gegen die versuchte und zum Theil verübte
Gcwaltthat und dann ln Form eines Wahl-
acts oder Protvcvlls dle Berkündigung ves
Prinzen Napoleon zum neuerwählten Groß-
meister. Einige Ausreißer hatteii sich unter-
deffen an einem andein Ort zusammen gesun-
den unv die Wiedererwahlung des Prlnzen
Mürat verkündi'gt. Hr. Preml'crmlnister Reres
brachte diesc Nachricht noch in dcr Nacht in
die Druckerei des Constitutiviinel, wclcher heute
Morgcn halb Parls dami't zum Narren hielk.
Hr. Reres hat vie rcbellischen, fakliöscn Mau-
rer außer Gesetz erklärt, den Tempcl unb das
Haus zugeschloffen uild cs mit Pvlizeiwacht-
posten umstellt. Die Bureaumitgliever Nnd
Wähler mußten sich daher hcute ln clnem
Kaffeehaussaale verelnigen, ganz wie dic ver-
sprengten Abgeordneten am 2. Dezember im
Original. Die Zahl allet Wähler übersicigt
nicht 135. Es war sehr lcicht, noch 18 oder
mehr Stimmen zu den 50 zu sinben, welche die
Erwählung und Allsrufung des .Prinzcn Ra-
polcon zum Großmeister beieits in ber Nacht
unterzeichnet hatlen. Die Mchiheit war letz-
terem voükommen gcsichert uni> er wurde in
der That mit grsßer Mchrheit gewählt. Die
Murat'sche Nachahmung des 2. Dezcmbers ist
sehr unglücklich uiid lächerlich ausgesallen.
Murat mit scinem klcinen Anhang bcstreitct
die Legitimität ber hcutigcn revolutionärcii
Wahl. Bis zum Freitag, wo Mnrat die hen-
tigc Wahl uiiistoßen will, haben wir zwci
Großmeister: einen Icgitimtsttschen, welcher in
einem Staatsstreich verunglückte, unv clncn
Gegengroßmeister, der Alles der Revolution
vervanken will.

Paris, 22. Mai. Jn der gestrigen Si-
tzung deS gcsctzgebenden Körpcrs wolltc der
Prästdent etn ihm vom Staatsuiinistcr zuge-
fertigtes kaiserliches Dekrct verlesen, aber
fchon bei ven Eingangsworten „Napoleon
von Gottes Gnadcn rc." wurbe es so laul
im Saale, daß Ruhe,geboten werben inußte.
Das Dekrct betras die Zurückzlehung des am
21. März p. I. eingebrachten Gesetzentwurss
über Aenderungen in, Personalbestande ver-
schicdener GcrichtShöse. Aus mchrcren Bän-
ken crscholl nach Vorlesung des crstcn Arti-
kels lautes Gelächtcr, und Emlle Ollivier
verlangte, öaß dteser Ausbruch von Hetteikelt
zu Protokoll genommcn werce, woraus ihm
der Präsident einfach bemerklich inachte, vie

zu machen, habe der Maignis seinen groben Gefiihrten
beim Halse gesaßt rmd ihn mir nichtS, dir nichts zum
Fenster dcs WaggonS hinausgeworftn. Trotzdem, daß
der Zug in voltcr Eile, habe der Hinausspedirte keinen
Schaden genvmmen. Zm Fluge habe d-r Marquis ihm
seinen Mantel nachgewvrsen und ihn zum Abschiede mit
der Hand gcgrüßt.

Auf der Metz-Thjonviller Eisenbahn zwiich-n Devantles-
Ponts und Dtezieres, stürzte am zweiten Pfinastsesttagc,
alswer Avg mit voller Kräft dähinsauste, ein fünfjäh-
riges Mädchen durch die fich plötzlich öffnende Wagen-
thür aus dem Coupe. Der Schrecken und die Berzweif-
iung der Eltern wqr unbeschreiblich. Auf der Gtation
Mezieres aber,,wo der Zug endlich hielt, war bereits
ein Telegramm dcs Bahnwärters eingetroffeu, däß das
Kind — keinen Schaden genommen habe!

Ein Wiencr Ktsiderhändler kündet seine Waaren in
cinem öfsentlichen Blatte also an: »Schreien hilft nichts,
Thatsachcn beweisen! Alles verkauftbillig — ViekwoUen
noch billiger verkaufcn — aber ich verkaufe am biliigstcn,
ich habe keine Spiegelscheiben, ich habe keme Machagony-
Einrichtung, ich zahle keinc ungeheure Miethe, ich halte
keine Equixage, ich branche keine Dutzend Commis und
Buchhalter. Allcs das kommt meinen KLufern zu gut!"

Auflösung ver 3sikbigen Charade in Nr. 12l.
(Richard) Löwenherz.
 
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