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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Juni
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R 12«


Samstag, 1. Zani


L8«1.

Auf die »Hetdelberger
Zeitung" kann man sich
noch für dcn Monnt
Juni mtt 18 Kreuzcrn abonnntren bei den
Lrägern, sowte bet der Erpedition (Heugaffe
Rr. 2).

o Die 4S SiHung des preuß Ab-
geordnetenhauseö am 11. Mai 1881.

Es gcstattet der Raum nicht, hter dte steno-
graphtichen Bertchle, dte bei Getegenhett der
Besprechung Sber Z9 Pettttonen, welche um
Erlaß etnes lln terrtch isge setz es an das
hohe Haus gelangt sind, zur Bkrvffentltchung
kamcn, mttzulheilen, obwohl dte>elben sür
das größere Publtkum von Znlereffe unv deß-
wegen, wetl dte Berhandlungen etne rtefe
Etnschau gewähren, wie man auf dem Gc-
btete bes Bchullebens noch bemüht tst, dte Ar-
bett der Neactton recht nachhaltig zu befesti-
gen. Wtr haben bei verschtedenen Gelegeu-
heilen unsere Mitbürger auf das Berhältntß ui
den badtschcn Schulen ausmerksam gemacht, wir
haben nachgewiesen, wte b,e Neacnon, vcr Ul-
tramonlantsmuS und PtctismuS die Schulen
zu erobern und zu erhalten von jeher bemüht
war, wie diese mtt setn berechneten Kuiift-
griffen den Regterungen die Gewalt und Ein-
sichl darüber aus ihrem Bereich zu ziehen be-
müht war, weil damit ein Erfolg bei der
Maffe eher als mil den Büjonneten zü er-
zieleii unv erringcn ist. Man läuschr sich ntcht
tn dieser Sache, glaube auch ntche, daß wir
dtese Berhältniffe zu beleuchreN versuchten, um
den Lehrerstand frei zu inachrn vöü jeder Aüf-
sicht unv ihm eine höhere Besolduug zu ver-
schaffcn, dic ihm gebuhrt und welche wir thui
von Herzen gönnen; im Gegentheil, es be-
stimmten uns ganz attdere Gründe und das
ist einzig unb aüein etne bessere Bolks-
btldung, eine Bilbung, dtc dcn Bürger frll
macht vvn Unwiffenhcit und Dummheit, von"
Aberglauben und bltndem ganaitsmus, eine
Bildung, dte ihn befähigi, mitzuredeii m den
sein etgcnes Zntereffe beruhrenden Aragen, dte
iyn in ven Stand setzt, die Zortschrilte m Zn-
vustrie, Hanvel und anberen Zwetgen des Cul-
turledens sich zu NuHen machcn zu können.
Diese kann nur crreicht werden, wenn die
Schulen beffer gebtldete Lehrer erhalten und
srei gemacht werden von der getstlichen oder
beffer noch hierarchischen Bevvrmundung.

Zn dicser desagten Sitzung xrhielt der Ab-
geordnete Diesterweg zuersi das Wore, der
ln etngeyendem Vortrage die Mtßstande deS

preußischen Schulwesens schilderte und nach-
wies, wie die Häuptcr der Reaction sich dcr
Schnlen bemächtigten. Er sagt unter Andcrm:
„Zuerst kam dic politische Reaction übcr uns,
einc Reaction, deren Geschichte noch nicht gc-
schrieben ist und nicht geschrieben werden kann,
weil sie nach ganz sichern Anzeichen noch nichr
abgclaufcn ist . . Ein Absolutismus hat
eine Anziehung zu jedem andern Absolutismus,
und wer geneigt ist, die Menschen durch Au-
toritäl zu regieren in einem Gebiete, der sucht
die Autorität in jedcm andern zu verstärken,
und so ist es gekommen, daß dic politische
Neaction sofort dic kirchliche Rcaction zum
Gcfolge hatte, die zu gleicher Zeit, da sie Per-
sonen betraf, eine klerikale wurde."

„So hattcn wir auf der einen Seite die
politische Rcaction, auf der andern Seite, mit
ihr verbündet, die kirchliche. Zch resumire
einige bekännte Thalsachen: Beschränkung der
Dessidenten, politische Beration derselben, im
Widerspruch mit dem Art. 12 dcr Verfaffuüg,
Zurücksetzung derjenigen, dte zu ihnen gehör-
ten, Bevorzugung kirchlich-consessioneü-ortho-
dorer Geistltcher und Zurücksctzung frci gc-
sinnter Männcr, Bekämpfung, oder wenn auch
nicht gerade dirccle Bekämpfung, so doch we-
nigstens Behinderung der Univn, wclche in
der evangelischen Kirche doch eigentlich Gesetz
war. Berufung streng orth odorcr Geist-
lichen an die Spitze der Schullchrcrsemina--
ricn u. s. w., dieses sind einzelne Beispielc
der kirchlichen Rcaction. Damit, meine Hcr-
rcn, war cigentlich die Sache sür rie Gegen-
wart geschloffen, abcr noch nicht für die Zu-
kunft. Dtcses mußtc dic Reaction einsehen,
bcgreifcn, daß sie, um bleibcnden Fuß zu
sasscn, sich auch dcr Zukunst bemächkigcn müffe,
und in diescr Beziehung hat ver mir gegen-
überstehcnde Herr Ministerial-CommiffariuS
(Riehl) im Zahrc 1849 von dieser Stclle prv-
clamirt, daß derjenige, — das sind seine ci-
genen Wortc — welcher dic Schule habc, auch
die Zukunft besitze. Demnach, um die Zu-
kunft in gleicher Weise, wie die Gcgenwart
in die Feffeln der Reactivn zu schiagen, mußte
man in ganz consequenter Wcise Verfügungen
treffen, daß dic Zugend des Bolkes, welcher
die Zukunft angehört, in reactivnärem Sinne
erzogen werde, — so, in vieser Tendenz ent-
stand die Drillingsgeburk des Zahres 1854,
welche in der Taufe den Namen Regula-
tion erhielt. Meine Herren! Dic Lebens-
kraft unb Lcbensdauer von Drillingen ift sonst
nicht sehr zähe; namentlich, wenn sie mil ei-
ner schwachen Constilution begabt sind und

gleich in den ersten JahreN ihres Lebens An-
fcchtungen zu erleiden habeü, so pflegen sie
es nicht zu einem hohen Alter zu bringeN.
Deßhalb ist es merkwürdig, düß ste fich bts
jetzt erhalten haben und berrits ii?s achte
Zahr hineingehen." . . . (Heittrkeil.)

Er tadelt mit scharfen Worten das Verbvt
dcr „frcien Lehrerconfcrenzen", die Theilnahule
am „deutschen Lehrervercin", die strenge Un-
terordnung der Lehrer unter die Geistlichen,
die Local- und Krnsschulinspectoren Und glaubt,
daß diesc Einrichtung, dic ungefähr 6 Zahrc
bcstehe, voüständig „Fiasco" gcmachl habk.
Ferner tadelt er, daß Mtnister Eichhorn den
Gchulinspectoren den Austrag erthrilt habe,
die Privatlectüre der Lehrer zu überwachen
und ihre Büchersammlungcn zü inspirircn und
wcnn cs noth thäte, zu purificircn. Mis-
sions- und anderc frommc Biätler wurdcn
cmpfohle» unv die Schullrhrerseminare zu
wahren Dreffuranstalten hcrabgrwürdigt. Von
einem geregelten rationelleN oder geistbildeN-
den Unterrichte war keinc Spur urehr zu fiü-
dcn. Die sog, „classischc bcutschc Litrratür»
wurde verboten; Präparantenanstalten zumtist
wurdeu untersagl, nur Schullehrer durften
Zöglinge vorbereiten, d. h. brcssiren. Dcr
hochverehrltche Redner schildert in cingehender
Weise, wie man überall die liebe Zugend mit
dem religiösen Memorirstoff quält und dadurch
den Religionsunterricht zu dem verhaßtcsten
Gegenstanb in der Schule macht, unv wie in-
kelligente Geistliche, Beamie, die frcie Preffe
gegcn dieses vcrhaßte Spstem das Wvrt re-
den. Er sagt am Schluffe: „Auf bem Stanb-
punkt war vie Pädagogik angrkommeN, daß
sie Siiniiltaiischulen (Communalfchnlen) wvllte
und mit ihnen Zusainmcngchörigkeit allcr Kin-
der deisclben Gemeindc u. s. w." Dic Rede
wurde mit Bravvruf geschloffen. Wir be-
dauern sehr, diesrlbe nicht dem ganzen Znhalte
nach mittheilen zu könncn; begnügen wir uns
deßwegen vorläufig mii diesem Bruchstücke ünd
fügen wir nur noch cinigr Worte bei, bir der
verehrlichc Abgeorbncte Techow gesprochen:
„Endlich hvffe ich, daß durch dies Gcsetz dcn
lang gehegten, gercchtcn Wünschen der Lehrer
nach Berbefferung threr außeren Lage, uach
Sicherstellung ihrcs Alters, ihrer Wittwen uud
Waisen, endlich die Erfüllung gewährt werden
wird. Zch weiß wohl, baß dabei die Ge-
meinden in erster Linie werden eintreten müs-
sen, aber ber Staat wirb sich ver Mttwirküng
und Aushtlfe nicht cntziehen können; alsdann
wird es nvthwendig sein, nicht zu vergeffen,
daß dic Größe und Sichcrheit etnes Bolkes

Zu spät.

Elne diinlsche Criminalgeschichte.

(Fortsetzung).

Der Richtcr war einer der Erstcn, dem dieses
Gerücht zu Ohren kam. Er eilte unvcrzüglich in
dic Wohnung dcS Pfarrers, und hicr erzähltc ihm
dicser sclbst ungefähr FvlgendcS: „Er habe dcn
Niels im Garten faullenzend angetroffen, dcnscl-
ben znr Arbcit aufgesordert, sei aber, anstatt Gc-
horsam zu findcn, von dem Knechtc aüf einc niedrige
Wcisc verhöhnt worden. Hiefür habe cr ihn denn
derb gezüchtigt, und als jener sich ernftlich «idcr-
sctzt und gcmeine Schimpfwortc gcgcn ihn ausge-
stoßcn habc, sei er vom Zornc übermannt wordcn
und habc dcm Nicls mit cinem Rcchcn einen tüch-
tigen Schlag verfetzt. Da sei dcr Bürsche wie todt
hingefallen; währcnd er aber sich bestürzt übcr ihn
hingebeugt hätte, habe jencr sich plötzlich aufge-
rafft, sci lachcnd über dcn Zaun gcsprungen und
in den nahen Wald hineingelausen. Bis jctzt habc
cr sich nicht wieder sehen lassen."

Diescs Alles erzähltc dcr Pfarrer dem Richtcr
mit aller Ruhe, aber Mlt den Zcichen der bitterften

Reüe über seine unüberlegte Leidenschaftlichkcit. Dcr
Richter ging deruhigt nach Hausc und dachtc nicht
ivsiter über daS Vorgefallene nach.

Aber schön am folgenden Tagc, bald nach Son-
nenaufgang, erschicn Mortens BrunS mit dcm Söld-
ner Aens Lorscn von Weilby und der dortigen
Hirtenwittwe ncbst dcrcn Tochter in der Wohnung
des Amtsvogts Söfrensen uüd gab an: daß er den
Pfarrer Quist in starkem Verbachte habe, scineN
Bruder Nicls crschlagen zuhaben. Aenercrwidcrte
dem Klägcr, daß er sclbcr schon das nämlichc Gc-
rede vernommen, allein eö für nichts Andereö, als
cine alberne und boöhafte Erdichtung haltc, «eil
ihn dcr Pfarrer versichcrt HLttc, datz dcr Burschc
unter Lachen und Spott davongelaüfcn sci.

„Wenn es so gewesen, daß Ntelö das Land mei-
den wollte" — cntgegnete Motten — „so wäre er
doch wohl erst zu mir gckommen und hättc mich
von seinem Vorhabcn in Kenntniß gcsetzt; allein
daß cs fich ganz andcrS verhält, können diese Leute
bezeugcn, und ich muß Euch daher ersuchen, sic, ivie
es Euer Amt -rhcischt, zu verhören."

„Bedenkt Euch wohl" — sagte dcr Richter —
„mein lieber Morten, und ebenfalls auch Ihr An-

dern, bevor Jhr eincn geehrten und unbescholtcnen
Seelforger eincs so schwcrcn Vcrbrechcns anklagt.
Könnt Zhr nichts bcweiscn, und ich bezweistc dicfcS
sehr,' so kann es Euch theuer zu stehen kommen."

„Pfarrer obcr nicht Pfarrer!" — rief nun Mor-
ten Bkuns — „es stchtcinmal gcschrieben: du sollst
Nicht tödten; und es steht fcrncr geschriebcn: di«
Obrigkcit trägt das Schwcrt nicht umsonst. Wir
haben ja Gesetz und Gericht im Lande , und ein
Mörder darf dcr Strafe nicht entgehen und wäre
der Landcsregcnt selber sein Schwicgcrsohn!"

Dcr Richtcr stcllte sich zucrst, alS mcrkc er die
Finte nicht, und sagte: „Es sei! eS gcschehe, wie
Ahr verlangt!" und dann zu der Hirtin gcwendei
fragtc er diese: „was wißt Jhr, Krau, von dcr
That, dcrcn Mortcn Bruns Euern Pfavrer beschul-
digt? Sagt die reinc Wahrheit, wie Ihr si« vor
dem Richterstuhle dcs Allwiffcnden verantwortcn
könnt, und wic Jhr sie nachher «it cincm körper-
iichcn Eidc zu bekräftigen habcn werdct!"

Auf dicses gab das Weib folgcndi Erklarung ab.
An dem Tage, wo es hieß, daß Niels aus dcm
Pfarrhofe fortgciaufcn scin sollc, sei fie kurj nach
Mittag unt ihrer Tochter Elsc an dem Garten des
 
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