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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [1]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0104

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MODERNE KUNST.

5

ütid reite nur zehn Schritte weit. Such’ Dir aber um Gotteswillen einen
rischgepflügten Acker aus, damit Du Dir nicht die Füsschen brichst, mein
^üppchen! — Na ja!“ unterbrach sie sich lachend. „Nun sind wir kaum
ftinf Minuten beisammen; da musste ja die Zankerei wieder losgehen!
^nd dabei haben wir uns tiber ein Vierteljahr nicht gesehen. Es lag nicht
atl mir, Otti, auch nicht an Mama und Mia! Auf Ehre nicht! Aber — er
*ollte es nicht! Er hat uns sogar streng verboten, an Eurem Hause vor-
^berzugehen!“

Sie presste die Lippen zusammen und schleuderte zornig den Zopf
dem Strohbande in den Nacken. Otti war ganz blass geworden.

„Ja, der Papa!“ seufzte sie. „Oh, Leo, konnte ich anders? Konnte
lch von Erich gehen, nachdem er sein Vermögen verloren hatte? Nach-
dem wir kaum zwei Monate verheirathet waren? Sage selbst, Leo, war
?s recht von Papa, das zu verlangen? Würdest Du es gethan haben?
' Venn Du Deinen Mann so recht, recht lieb hättest?“

Leo schleuderte nun auch den anderen Zopf in den Nacken.

„Ich?“ stiess sie grimmig heraus. „Kann mir gar nicht passiren! —
^iebe? Damit ist’s gerade, wie mit Euren feinen Kleidern: nur gut für
S eheizte Salons! Wenn sie alt geworden sind, kriegt
Sle der Trödler! Ich danke! Aber trotzdem, ob das
recht war von Papa? Ich sage, es war . . .“

Sie sagte nicht, was es war. Sie riss ihre beiden
latlgen, braunen Zöpfe wieder nach vorn, klemmte
Slch das Ende des einen zwischen die Zähne und
^ckelte sich den anderen um den Hals, bis sie ganz
r°th im Gesicht geworden war. Wie jedesmal, wenn
Sle eines ihrer Kraftworte zurückdrängen wollte.

Dann sah sie Otti an und bemerkte nun erst, wie
Schrnal das geliebte Gesichtchen da in der langen Zeit
(ler Trennung geworden und welch’ ein fremder Aus-
<lruck herber Sorge in die grossen blauen Augen ge-
^cunmen war. Und diese Augen . . .

„Raff Dein Kleid auf, Mädel!“ brummte sie plötz-
' lch wie wüthend und zog die Willenlose im Sturm-
Schritt mit sich fort zum Hühnerhause, das neben dem
^Ohstall lag. „Ich soll zwar nicht hineingehen“, fuhr
Sle in einer seltsam polternden Hast fort, „weil er zu
Domäne gehört und die Hühner meine Stimme
^icht sympathisch finden. Da! Randaliren sie nicht,

als wenn der Fuchs unter ihnen wäre? Auf Mia’s
F"

^erconto wird heut’ Abend ein halbes Dutzend fehlen,

^ as Papa ihr natürlich vom Lohn abziehen wird. Na,
lch werde ’s ihr bezahlen! Denn es ist der einzige
hier, wo wir ungestört sind, —- ruhig, ihr Wasch-
"’eiber! — und darum — genire Dich nicht, Mädel!
ller sieht’s Niemand und ..."

Und Otti genirte sich nicht und weinte. Und Leo
^ndte sich schroff von ihr ab zur Wand und nahm
^chanisch ein Ei aus dem nächsten Neste.

„Noch ganz warm!“ sagte sie mit merkwürdig
r^uher Stimme. „Sie sind höllisch gross in diesem
,lahre — die Eier! Ja und . . . trinkst Du sie noch so
® ern roh, Otti? Soll ich Dir . . eins . . aufschlagen?“

„Oh Leo!“ schluchzte Otti vorwurfsvoll. „Glaubst
wirklich, dass ich jetzt an . . an Eier denken
Unte?“

Leo erwiderte nichts. Aber das Ei klatschte plötz-

“ch

e>Hi

%

gegen die Wand. Und dann standen die Beiden
e lange Zeit Rücken an Rücken und weinten . .
ei«ten . .

Bis Leo ärgerlich lachend auffuhr.

4h

„Unsir

Weshalb heulen wir eigentlich? Keine

Lhr

UUng! Und deshalb — hinaus!“ Sie öflfnete die

soll

Ur und stiess Otti mit einem Pufif in’s Freie. „Mia

uns einen echten deutschen Kafifee brauen und ich

vv^rl .

Ue die Sahne dazu spendiren. Mehr, als sie be-
allleu, kann ich ja nicht! Also ...”

Otti sträubte sich noch. Ihre verweinten Augen flogen se’neu zu dem
alten Herrenhause der Rocholl hinüber.

,,Ist er da?“ fragte sie ängstlich.

Leo verzog spöttisch die Lippen.

„Papa? Er ist nach Templin hinübergefahren, Hasenfuss! Komm’ nur
unbesorgt mit. Mama ist auch drüben. Der Ameisenlöwe ist heute
Morgen mit dem Gemüse auf dem Markte gewesen und soll ihnen nun
Rechnung legen!“

Otti sah erstaunt auf.

„Der Ameisenlöwe?“

Leo’s Gesicht hatte sich plötzlich verfinstert.

„Ah richtig, Du kennst den Namen noch nicht. Ich habe ihn neulich
beim Pilzesuchen gefunden. Weisst Du, was ein Ameisenlöwe ist? Eine
faule, gemeine Bestie! Gräbt sich an einer recht behaglichen, sonnigen
Stelle ein Loch in den Sand und legt sich darin auf die Lauer. Sobald
nun eine fleissige, arglose, niedliche Ameise herankommt, schmeisst er ihr
Sand in die Augen, dass sie blind wird und in das Loch herabrutscht.
Nachher, wenn sie sich dann bis zur Erschöpfung abgekrabbelt hat, um

„eine Rathertheilung — fünf Mark: aut praktische Weise erspart:“
Zu dem Artikel „Unsere Rechtsanwälte.“

IX. 1. II.
 
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