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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Klitscher, Gustav: Alma mater Ruperto-Carola: Bilder aus dem Heidelberger Studentenleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0117

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MODERNE KUNST.

19

Ung ein. Die Neckarstadt ist so recht seine Hochburg. Ausser den

ax°-Borussen, die wie die Bonner Preussen auch in Philisterkreisen be-

ivaiinf

^ c ZU sein pflegen, blühen in Heidelberg noch die Corps Vandalia,

Guestphalia und Rhenania, eine stattliche Anzahl mit meist zahl-

^ ' chen Activen. Die Luft der feuchtfröhlichen Bergstadt ist dem Activ-

eiden überhaupt günstig. In all’ den Schönheiten der Landschaft sucht

junge Herz gleichgestimmte Cameraden, mit denen es freudiges Ge-

. SSen theilen kann. Gelegenheit, Anschluss zu suchen und zu finden,
Ist r_. .

^eichlich vorhanden. Turner im V. C., wie Burschenschafter im D. C.

Und L

undsmannschafter im L. C. sind neben den Corps vorhanden, ferner

f ^" ai'ze Verbindungen, wissenschaftliche Vereine, die zur Satisfactions-
a§e keine Stellung nehmen und solche, die jede Genugthuung mit der
a^ e ablehnen. Det' Fuchs, welcher unkundig der Verhältnisse nach
j. e,^ elberg kommt, hat die Qual der Wahl. Glücklicher der, dem väter-
^hes Mahnwort schon die Richtung wies und väterliche Empfehlung' die
eS e ebnete.

Auf dem Bahnhof werden die beiden ankommenden Füchse mit er-
nei' Höflichkeit begriisst und ehe sie sichs versehen, sitzen sie mit

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en neuen Freunden in einer Droschke und bald darauf beim Früh-

°Ppen im Garten des Corpshauses. Die Corps haben alle ihr eigenes
eim. Zum Theil sind alte Philisterhäuser zu dem studentischen Zweck
InS erichtet worden, wie der allbekannte Riesenstein der Saxo-Borussen,
^ Utn Theil hat man neue Gebäude aufgeführt, wie die schöne Renaissance-
a der Westphalen an der Fahrstrasse zum Schloss. Auch beirn Früh-
°Ppen werden die neuen Ankömmlinge ausgesucht freundlichst be-
a,1delt. Es ist alte Regel, den „Keilfüchsen“ zart entgegen zu kommen,
es der Dichter den Frauen gegenüber verlangt. Man will ihnen den

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ei'tritt aus der schrankenlosen Freiheit des „Finken“ in den goldenen
S des Corps möglichst leicht machen. Die beiden jungen Leute, die
vor wenigen Wochen die Schulbank drückten, sind zwar auf die

-ütversität gezogen, den ganzen Himmel voller Geigen und den ganzen
V°PI voller rosiger Erwartungen: die bunte Mütze, der blanke Hieber,
lc Wanderungen durch die schöne Stadt und das herrliche Land, — und
^ a,ln die kleinen Mädchen! Dass es ihnen aber so gut gehen, dass man
le so mit offenen Armen aufnehmen würde, dass sie so wichtige Glieder
akademischcn Gesellschaft wären, wie es jetzt den Anschein hatte,
,' as hatten sie doch nicht erwartet. Sie ahnen ja nicht, dass sie nur so
§ e höheren Werth haben, als sie noch nicht zur Fahne schworen,

‘ an

Wäter sind sie auch weiter nichts als — ein paar krumme Füchse unter
* e* en andern.

h'achmittags geht’s hinaus, den Fremden die Schönheiten der Neckar-
zu zeigen. Das erste Ziel ist natürlich des schmucken Oertchens

stadt

'’^htigste Perle, die alte wunderbare Schlossruine. Ein langerWagen-

^ S bewegt sich als imponirender Droschkenbummel den Berg hinan.

e,llester und Monat beginnen soeben, und die Taschen sind wohlgeftillt

,° ni frischen Wechsel. Doch kann

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der

man am Ende auch ohne Geld
°schke fahren, denn Heidelberg ist die idealste Pumpstation

Welt. Nicht nur Kaufmann und Handwerker, Budenwirthin
11 nd F(

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' echtmeister, sondern auch Droschkenkutscher und Dienst-

, nner pumpen in infinitum, ja man munkelt, selbst der Hunde-
8er liesse den gefangenen Renommirköter auf Credit auslösen.
Die gewaltigen Reste vergangener Herrlichkeit auf dem Schloss-
, 8 Werden besichtigt, das grosse weltberühmte Fass und des

S en Narren Perkeo lustiges Bildniss. Kotzebue, der nicht
en auch gute Gedanken hatte, schrieb 1803 als er das eigen-

an

selt,

ai'ti

8 e Gesicht von „des Churfürsten Clementel“ gesehen hatte:
, . la has ist eine wahre Hofnarrenphysiognomie! In diesem In'di-
lUrn erkennt man auf den ersten Blick die Gattung. Nicht so-

freundlicher Blick und manch freundlich Wort getauscht. Doch den alten
Leuten in höheren Semestern kann dies minnigliche Thun auf die Dauer
nicht behagen.

„Die ewige Poussirerei von den Füchsen wird mir zu stumpfsinnig“
grollt ein bemoostes Haupt. „Ich setze ’ne Bowle an, wer macht mit?“
Genossen zum löblichen Thun sind bald gefunden. Unter allerhand
Scherzen steigt die kleine Gesellschaft durch den grünen Wald, wo der
Specht hämmert und der Fink schlägt, zurMolkenkur empor. Einstmals
hat hier die älteste Heidelberger Burg gestanden. Jetzt ist’s ein Gast-
haus. Von der Terrasse sieht man in’s Thal hinab, das von der Abend-
sonne goldig durchleuchtet wird. Unter dem Schloss am silbernen Fluss
ziehen sich in langen Reihen die Häuschen mit den rothen Ziegeldächern
hin. Blauer Rauch steigt aus den Schornsteinen und schwebt um die
Thürme der Kirchen empor. Vom jenseitigen Ufer grüssen die grünen
Berge des Odenwaldes herüber, die sich in der weiten Rheinebene, in der
man Mannheim und den Park von Schwetzingen noch undeutlich erblickt,
allmählich verheren. Endlich ist der Bowle köstlicher Stoflf fertig und von
den Würdigen als gut befunden worden.

„Silentium, das erste Glas unserer schönen Alma rnater, silentium für
den ersten Vers:

Alt Heidelberg Du feine,

Du Stadt an Ehren reich,

Am Neckar und am Rhcine,

Kein’ and're kommt Dir gleich ..."

Aus jugendfrischen Kehlen rauscht das Lied zu den- Baumwipfeln
empor, die fremden Reisenden, die dort oben sind, hören gern zu, singen
äuch wohl kräftig mit. Trunkhaft ist die akademische Jugend am Neckar-
strand. Allmählich glänzen die Augen und glühen die Wangen. Ein
alter Herr spricht verständige Worte: „Nicht Couleur und Renommiren,
nicht frohes Kneipen und fröhliches Fechten ist schliesslich das Wesent-
liche unseres Verbindungslebens. Das ist alles mehr oder minder schöner
Brauch, der sich aus der historischen Entwicklung erklärt. Aber dass
wir alle, jung und alt, uns mit Hintenansetzung unseres eigenen Wünschens
und Wollens für eine gemeinsame Sache opfern, furchtlos und treu für
Ehre und Ansehen unserer Farben einstehen, das ist’s. Die Freundschaften,
die über dieser hingebenden Treue geschlossen sind, haben sich gar oft
als fest bis zum Grabe bewährt.“

Als der Mond aufgeht, schaut er auf zwei jugendfrische Gesichter,
die unter den ungewohnten bunten Mützen hervorlachen. Die Keilfüchse
haben aufgehört, Keilfüchse zu sein. —

Am nächsten Tage ist erstes „Schlachtfest“ des Semesters, Mensuren
draussen auf der Hirschengasse. Die neugebackenen Füchse holen
den Fuchsmajor ab, dass er ihnen den richtigen Weg weise. Sie treffen
ihn eifrig mit Schreiben beschäftigt. „Arbeitest Du schon so früh?“ „Nein
Kleiner,“ antwortet der Herrscher der Füchse mit feierlicher Miene, „ich
that wichtieeres — ich habe meinen Onkel darauf aufmerksam gemacht,

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itz (dem man keine Wahrheit- verzeiht) als Jovialität (der

^ n>chts übel nimmt) lebt und spricht aus diesem Gesicht. In

^ 11 Munde dieses Wohlgenährten wird Alles zum Scherz, wohl

treftenden aber nicht zum bitteren Scherz. ja wahrlich ich
XiOcht, •

all einen solchen Narren um mich haben und ich verdenke es

j. 11 § ekrönten Häuptern, dass sie diese nützliche Mode haben ab-

len lassen.“ — Den Kaft'ee nimmt man auf der Schlossterrasse,
"0 ,)• _ ’

r,. ^ e Stadtkapelle concertirt und der jungen Damen blüthen-

01 Kranz unter mütterlichem Schutze prangt. Da wird manch
 
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