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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Gurlitt, Cornelius: Zur Eröffnung des Parlaments-Gebäudes, [2], Des Reichshauses Baugeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0209

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MODERNE KUNST.

f'rei wurde, es war zum 90. Geburtstag Kaiser Wilhelm I., hiess es gleich
im Parlament sie sei zu klein und stehe zu wackelig; wie die Eckthürme
herausschauten, hiess es, sie seien zu stark verziert; wie die Säulen hervor-
kamen, sie seien zu schwer; das Innere sei zu reich, sagten die Einen. Es
ist eine Kunstbarbarei, es so ärmlich zu gestalten, die andern. Zur
Kuppel hat das Geld nicht gelangt, sie konnte nicht so hoch gebaut
werden, wie Wallot wünschte — munkelt man hier und dort. Dass ein
Bau von der Grösse des Reichshauses ein Ganzes ist, dessen Beurtheilung
man im Ganzen vornehmen müsste, und dass man daher ein paar Jährchen
warten müsse, das sagten die Wenigsten.

Nun ist er fertig der gewaltige Bau! Und es ist gut, sich einmal der
Arbeit klar zu werden, die er in sich birgt, der Leistung, welche Meister
Wallot und seine Leute innerhalb mehr als 12 Jahre vollbrachten, sich ein-
mal die Geschichte des Werdens dieser Riesenanlage vorzuhalten.

Zwei Wettbewerbe sind ausgeschrieben worden, welche beide Male
die besten Architekten auf den Kampfplatz riefen. Gewaltig ist schon
die geistige Vorarbeit. Nachdem von den Ministerien und der Reichshaus-
Baucommission festgestellt wörden war, welches die Bedürfnisse seien,
denen das Haus dienen sollte, an der Hand der Pläne älterer Parlaments-
häuser Raum für Raum in den für ihn zu fordernden Abmessungen an-
gegeben, der Bauplatz bestimmt war, galt es nun, all dies in einen Grund-
riss bequem und künstlerisch zu vereinen, der eine Gestaltung des Baues
zum würdigen Denkmal ermöglichte. Hundert geschulte Baumeister plagten
sich Monate lang, das Rechte zu finden. Ihre Werke wurden neben einander
gestellt, die Oeffentlichkeit, Laien wie Fachleute, prüften die Pläne, laut
war das Geschrei hin und wieder, bis endlich die Preisrichter sich für den
Wallot'schen Plan erklärten. Dieser ist dann von allen möglichen Be-
hörden geprüft und begutachtet worden, zweimal musste ihn Wallot ganz
umgestalten, bis er endlich die Genehmigung fand. Am 9. Juni 1884, also
vor 10 Jahren, wurde der Grundstein von Kaiser Wilhelm I. gelegt.

Nun erst begann die eigentliche Durchbildung der Pläne. Auf riesigen
Brettern entstehen die Baurisse unter den Händen einer stattlichen Anzahl

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von Gehilfen, deren Arbeit der Meister überwacht. Jeder, auch dei '
Mauervorsprung wird genau eingezeichnet, viele Wochen dauert n ul

Dann werden die Q ue
hnet, 111

Einschreiben der Maasse aller Winkel und Ecken
schnitte und die Faqaden in ihrem grössten Maassstab aufgezeic

Blättern, welche Mannshöhe haben. Dann kommt ein Fachmann,

Tragfähigkeit der Pfeiler und Säulen berechnet, der die Abmessung eU

. . . . . t üftu° g

Eisenconstructionen prüft. Ein anderer, der die für die Heizung, ^

und Beleuchtung nöthigen Kanäle und Schlote in die Mauermassen ^ ^

zeichnet. Hundertfach kommen die Fachleute in Widerstreit: „Sie sch.wä c
mir die Mauern zu sehr mit Ihren Luftabzügen! Den Schlot wrrI"^ e. teI-
Gewölbe eindrücken! Die Mauer ist nicht genug gestützt!“ Der
muss entscheiden, vermitteln, er muss stets sich der Wirkung des
bewusst bleiben, im Geiste das fertige Werk vor sich anschauen un

Bezug auf dieses die Anordnungen treffen.

Dann kommen die Werkrisse. Jeder Stein hat seine Numm er

Std 11

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besonders für den Steinbruch gezeichneten Blättern, denn j ed er
muss besonders im Steinbruche bestellt werden. Und zwar ist eS
Dutzend Steinbrüche, welche anliefern, da einer allein die gewak 1»
Massen nicht zu beschaffen vermag. Und mit iedem muss ein Vertra»

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schlossen werden, dass der Stein zur rechten Stunde da sei. D enn

wenn auch nur eines der KeiD tu

wenn die Zahl der Trommel n nl

kann einen Bogen nicht schliessen,
fehlt. und eine Säule nicht aufstellen
voll ist.

Die Steinmetzen klopfen und klippern auf dem Werkplatz: Jed er
eine Zeichnung seiner Arbeit, seines Gesimsprofiles in natürlicher Q r°'
Und das Hauptgesims hat die Höhe wohl von 3 x/2 Meter, ist so hoch ^
ein bürgerliches Zimmer, ein Säulenknauf hat Manneshöhe. Da g eU
die Zeichnung nicht: Es muss erst in Gyps ein Modell gemacht w eI ^
das dann zur Prüfung der Wirkung am Gerüst in rechter Höhe aufgeh 1111^ ,
wird. Zu fein! lautet heute das Urtheil. Aenderungen folgen! Zu sch"

)SS e'

wi e

Zu fein! lautet heute das Urtheil.
lautet es morgen. Weniger ausladend!

Bis endlich die rechte Form

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funden ist. Zeichner, Modelleur und Bildhauer arbeiten Monate lang 111

. füllt

des Meisters Leitung bis die Entscheidung

a n V er'

Und so mit ieder Einzelheit, von den

i her a&

Ideidungen der Eisentheile der Kuppel
bis zum letzten Profil einer Treppenstufe- ^
will erst gezeichnet sein, ehe es in der
werker Hand gelangt, vieles muss erst mod e
werden. Hunderte von Händen regen sich-
Zusammengreifen zu regeln, all die unter
widerstrebenden Geister zu einem Zi e-
führen, ist die Sorge des Meisters. . , (

Ein ganzer Stab von Mitarbeitern umg 1
ihn. Da ist der Leiter des Technischen
rath Häger, der auch die Finanzen des

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Ba ueS

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regelt. 30 Millionen wollen ausgegeben s el >
gehört schon keine kleine Uebersicht

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stets das noch zu Leistende an den noch

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handenen Mitteln zu überschauen, das . ^

zusammenzuhalten zum eigentlich Wich 11^

fiir ^

Dann aber trifft ihn die Verantwortung ,,

•fft naC ’

tüchtige Ausführung der Bautheile, er p rU1

dieser Richtung Wallot’s Entwürfe, ehe sie

Ausführung gelangen. Daneben wirk en

künstlerischen Kräfte. Es hat sich in

10 Jahren der Bauausführung eine Schnl e

Wallot gebildet: Der städtische Oberb aUr

. , Wit £lgl

Münchens, Rettig, die Architekten Rieth, v . u
Pfann, Halmhuber, Fischer, Graef habeh
als Träger einer neuen Richtung schon ^

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den Fachleuten und über diese hina us

Namen gemacht. Unter den Bildhauern
in erster Linie Otto Lessing, der Schöpf er
meisten Ornamentalen am Bau, neben ih 111

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Präsident von Levetzovv und Geheimrath Knack im Präsidial-Bureau.

grosse Reihe von Künstlern in allen deut^ c
Ivunststädten, die am Figürlichen mitsc

Jeder erhielt seine Zeichnung aus Wallot

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