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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Dincklage-Campe, Friedrich von: Eingelappt
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0237

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146

MODERNE KUNST.

seine Wechsel nicht hat. Eine geringe Zahl von
Büchsen genügt dann, um die Wechsel zu be-
setzen.

Die Lappen werden vom Wilde besonders
respectirt, wenn sie durch „Verwitterung“ mit
stark riechenden Substanzen nicht nur auf das Auge, sondern auch
auf die Geruchsorgane wirken. Das Hochwild „windet“ bereits auf
weite Entfernungen — wie alle Wiederkäuer des Waldes.

Soll ein Waldrevier zu einem „bestätigten Jagen“ eingelappt
werden, so beginnt die Thätigkeit der „Jägerei“, d. h. der Jagd-
beamten bereits Tage lang vor dem eigentlichen Jagdtage.

Das in diesem Falle ganz vom Jagdzeuge einzuschliessende
Wild muss zuerst festgemacht, d. h. sein Aufenthalt, Stärke, Stück-
zahl u. s. w. müssen genau erforscht werden.

Wenn auch der Förster oder Jäger des in Frage kommenden
Revieres von vorn herein darüber orientirt sein muss, wie stark
seine Wildbahn bestanden ist, so ist doch durch sorgfältige Be-
obachtung festzustellen, wie viele Fährten zu Holze stehen im Ver-
hältniss zur Zahl der Ausgänge.

Der geübte Jäger wird dabei die Fährten seiner Capitalhirsche
oder guten Hirsche genau kennen. Ein gut abgeführter Leithund
ist ihm beim Abspüren behülflich und wird durch sein ganzes
Gehabe ihn nicht im Zweifel lassen, ob etwa die einführende oder
ausführende Fährte die frischere ist. Handelt es sich um ein grösseres
oder stark bestandenes Revier, so werden sich zwei oder mehrere „Besuch-
jäger“ in diese Arbeit theilen, die mitunter mehrere Tage in Anspruch
nimmt.

Erst nachdem auf diese Weise der Aufenthalt des Wildes genau
constatirt wurde, beginnt die Arbeit des „Verlappens“ selbst.

Es iwird damit — und zwar unter möglichster Vermeidung von auf-
fälligem Geräusch — an der Seite des Reviers begonnen, an welcher sich
grössere Waldungen anschliessen, um zu verhindern, dass das Wild tiefer
zu Holze ziehe. Die Lappen werden — etwa in Manneshöhe von Baum
zu Baum geführt oder, wenn Bäume fehlen, an einzuschlagenden Pfählen
(Stellstangen) befestigt. Erst wenn das Jagen völlig mit Lappen zuge-
stellt xst, wird mit dem Stellen der „Tücher“ begonnen, jener starken
Leinengewebe, die aus Längen von 160 Schritten zusammengesetzt, an
„Stellstangen“ verknebelt werden. Aus der nur auf der Furcht beruhenden
Einschliessung des Wildes wird nun eine thatsächliche, denn nur selten

gelingt es dem
Wilde, die Tü-
cher zu durch-
brechen, deren
Höhe zwischen
zehn und sechs
Fuss schwankt.
(Hohe Tücher bis
Halbtücher.)

Nachdem die
Stellung der Tü-
cher im Weiten
beendet ist, wird

der eingespannte
Raum nach und
nach verengt und
das Wild in die
für das Abjagen

bestimmte Waldtheile gedrückt und dann bis zum Jagdtage in einen
völlig verschlossenen, durch Tücher oder Latten eingegrenzten Raum
— die Kammer —• getrieben. Die Pforten dieser Kammern öffnen sich
auf eine abgegrenzte Bahn, an welcher die Schützen, ihrem Range
nach, durch Schirme gedeckt oder auf Kanzeln, angestellt werden, um
dem der Freiheit zueilenden Wilde die sicher treffende Kugel auf das
„Blatt“ zu setzen.

Selbstverständlich werden diese künstlichen Vorrichtungen von der
Jägerei durch Verblendung mit Reisern oder durch deren Anbringung 1°
geeigneter Deckung dem Auge nach Möglichkeit entzogen.

Dass dieser Art des Jagens die verschiedensten Formen gegeben
werden, dass z. B. das unbeschossen durchkommende Wild durch g e"
eignete Absperrungen von Neuem vorgetrieben und zu Schuss gebracht
werden kann, sei hier nur beiläufig erwähnt.

So lange das Edelwild nicht zu scharf von Treibern oder Hunden
verfolgt wird, flieht es an den Tüchern, ja sogar an den blossen Lapp erl

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entlang und erst in der höchsten Angst
sucht es mit Gewalt die Hindernisse zu
durchbrechen. Die der Wildkammer
zunächst angestellten Schützen haben
den Vortheil, aus dem anstürmenden,
eben befreiten Rudel, die stärksten Hir-
sche auswählen zu können, die ihnen
zudem ja auf geeignete Schussweite
kommen müssen. Dadurch wird es er-
klärlich, dass bei. derartigen Jagden —

Jedem Schützen ist beim Jagen im Zeuge, um Gefahren vorzubeugen,
ein bestimmtes Schussfeld abgegrenzt, meist durch Anhau der Borke an
Bäumen bezeichnet. Nach rückwärts, d. h. in das Treiben hinein, darf
natürlich niemals geschossen werden, da ja dort, wie erwähnt, die Treiber
gehen. Es kommt nicht selten vor, dass ein Schütze den capitalen Hirsch
schussgerecht dastehen sieht — ohne die Büchse anlegen zu dürfen und
vergebens hofft, die edele Beute möge in den Kreissector von vielleicht
30 Grad treten, der ihm „angehauen“ wurde.

Wo das eigentliche Jagdzeug, d. h. die Tücher, Netze und alle die
dazu gehörenden sehr kostspieligen Nebenapparate, als Zeugwagen etc.
fehlen, verwendet man doppelte Reihen von Lappen. Das ganze Ver-
fahren wird dabei ausserordentlich vereinfacht.

Erst wenn das Jagen mit der ersten Lappenreihe völlig zugestellt ist,
wird mit Befestigung der zweiten Reihe begonnen. In diesem Falle sind
Tuchlappen den Federlappen vorzuziehen. Die völlig aufgehängten Lappen
sind bis zum Beginne der Jagd durch die Jägerei oder zuverlässige Holz-
arbeiter fleissig abzupatrouilliren, besonders auch während der Nacht.
Nähert sich das Wild den Lappen, so sind die Leinen zu bewegen, damit
es sich nicht etwa an den unerwarteten Anblick gewöhne.

Ebenso, wie vor dem Jagen im Zeug, brennen während der Nacht
Wachfeuer auf den grösseren Bahnen, schon um die Wachsamkeit der
Arbeiter rege zu erhalten. Dem eingestellten Wilde wird bis zur Jagd
möglichste Ruhe gelassen.

Wie am Jagdtage selbst das geängstete Rudel Rothwild sich endlich
dennoch den Weg zur Freiheit gewaltsam öffnet, das zeigt uns Meister
Otto auf seinem Bilde, „durch die Lappen“. Es ist diesmal nicht das
Leitthier, — gewöhnlich ein Altthier, — welches dem
Rudel den Ausschlupf durchbrach, sondern ein guter
Achter. Schon flatterten die bunten Lappcn hinter
ihm, schon floh er der schutzbringenden Dickung
zu, als ihn die tödtliche Kugel dennoch erreichte.
Ein Blattschuss links ist’s, der ihn niederstreckte.
Ir düchtigem Laufe stürzt er auf den Einschuss, im
Ucberschlagen richten sich die scharfen Schalen der

die übrigens nur in ausgedehnten Forsten
und bei weitgehender Wild- und Jagd-
pflege zur Anwendung kommen können,
der Löwenantheil der Strecke so oft auf
den vornehmsten der Schützen fällt. Ohne
sicheres Auge und ruhige Hand geht’s
freilich auch hier nicht, denn nur das
Wild, das vor dem Stande des Schützen
liegt, zählt für diesen — es gilt in diesem
Falle nicht, wie sonst auf Hochwild, das
Recht der ersten Kugel.

Beim einfachen „Jagen im Zeug“ wird Durch die Lappen.

das eingeschlossene Wild nicht erst in originalzeichmmg von Ernst Otto.
Kammern gedrückt, sondern durch Treiber,
die in der Mitte des Jagens langsam auf und

ab treiben, auf die Flucht gebracht. An den Tüchern, oder wenn solche
nicht zur Anwendung kommen, an den Lappen (in dem Falle doppelt ge-
hängten), flüchtig entlang eilend, wird es dann von den Schützen, die,
selbstverständlich die Front nach aussen, innerhalb des Treibens und auf
etwa 60 Schritte vom Zeuge angestellt wurden, erlegt. Es kommt vor, dass
solch' ein verängsteter Hirsch an acht bis zehn Schützen vorüber flieht, ehe
ihn das tödtliche Blei findet, denn nicht alle Schützen, die vielleicht gute
Pürschjäger sind, behalten beim Treiben die Ruhe, die zum Schiessen oder
besser zum Treffen in der Flucht und in den Stangen (im Stangenholze)
erforderlich ist. Nicht selten benimmt die Eifersucht, die Sorge, das vor-
kommende Stück Wild möge vor dem eigenen Schusse schon vom Nach-
bar erlegt werden, dem Schützen die Ruhe zum sicheren Abkommen.

Hinterläufe aufwärts. Weit wird er nicht mehr fliehen, wenn er sich auch
noch einmal aufthut und der Jäger genöthigt sein sollte, den Schweisshund
auf die Fährte zu setzen. Dem sicheren Schützen aber wird es vielleicht
gelingen, noch einen zweiten Hirsch aus dem starken Rudel heraus zu
holen. Das Herz mag ihm höher schlagen, wie es jedem Waidmanne
höher schlägt, wenn die Büchse gespannt in seiner Hand liegt und der
Augenblick naht, sie an die Backe zu ziehen.

Aber was ist so ein Treiben, ein Niederstrecken gehetzten oder gar
vorher eingeschlossenen Wildes im Vergleich zur Pürsch? Früh Morgens
im Walde! — Noch dunkelt es! Noch vermag das Auge den schmalen
Pürschpfad, der durch das Dickicht, am Wiesenrande entlang führt, nicht
zu erkennen. Dennoch schreitet des Jägers Fuss, unhörbar fast, ohne
 
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