Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

DOI Artikel:
Dincklage-Campe, Friedrich von: Eingelappt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0238

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
148

MODERNE KUNST.

Da, — plötzlich, — lässt sich ein Nusshäher unmittelbar neben dem
Schtitzen in einer Eberesche nieder und flieht dann, den Feind gewahrend,
mit rauhem, heiserem Warnungsschrei. Der Zwölfender stutzt, reckt den
Kopf hoch in die Höhe und macht dann eine rasche Wendung, um z u
Holze zu fliehen. Eine Secunde nur steht er bereit — schussgerecht.

Die Zeit

genügt dem getibten Pürschjäger. Der scharte
Knall hallt noch in tausendfältigem Echo am
Waldrande entlang, während der Schtitze mit
gespannten Blicken das Resultat seines Schus-
ses beobachtet. Er hat die Kugel deutlieh
schlagen gehört. Der getroffene Hirsch hat
sich zu mächtigem Satze vorn gehoben
und eilt nun flüchtig demWalde zu. Doch
nur etwa hundert Schritte weit geht seine
Flucht —■ dann bricht er zusammen.

„Blattschuss“ murmelte der Schütze,
ladet seine Büchse, wischt den perlenden
Schweiss von der Stirn und geht, — die
Waffe immer schussfertig —• urn den
Fang zu geben! Doch nicht mühelos
soll er zum Ziele gelangen. In dichter,
beinahe undurchdringlicher Schonung
verliert sich die Fährte. Vorsichtig
verbricht der Schütze die Stelle affl
Waldrande, an der er sie zuletzt ge-
wahrte. Langsam — tief gebeugt —
mit mächtig schlagendem Herzen
sucht er im dürren Laube, auf den
trockenen Kiefernadeln, auf den
grünen Blättern der am Boden

Das Verlappen.

Fehltritt vorwärts. Sein Blick sucht die Dunkelheit zu durchdringen, die
noch über den Waldwiesen lagert. — Nach und nach graut es im Osten.
Dichter Nebel steigt über dem Thale empor. Die ersten Frühsänger be-
ginnen schüchtern ihren Morgenchoral. Der Jäger beachtet es kaum —
er schreitet langsam, — gesichert. — Er hat einen Vorsprung des Waldes
erreicht, vor ihm liegt eine breitere Wiesenfläche. — Jetzt hemrnt er
plötzlich den Schritt. Täuschen ihn Morgenlicht und Nebel? Dunkele
Gestalten scheinen aus dem tiefen Grau hervorzutreten. Er
hebt sein scharfes Doppelglas vorsichtig
an die Augen. Nein, — es
kann kein

Irrthum sein! Es ist Rothwild! Noch kann er
nicht ansprechen, was er vor sich hat, aber —
der Wind ist günstig und vielleicht ist das
Schicksal ihm gewogen. Er sucht Deckung
hinter einer alten Eiche, dicht am Wiesenrande.

Kein Knacken von Zweigen, kein Rauschen des
Laubes haben ihn verrathen, er ist ein geübter
Pürschjäger. ... .

Nach und nach beginnt die Morgendämme-
rung — die Nebel zertheilen sich.

Längst erkannte der Jäger, der „Jägdherr“
einen capitalen Zwölfer, der etwäS seitab vom
Rudel auf ihn zu zu äsen scheint. Noch ist’s
zu weit — aber näher und näher zieht er. Es
ist inzwischen völlig „büchsen licht“ geworden.

Ja, das ist der „zurückgesetzte“ Capitalhirsch!

Im vorigen Jahre trug er „ungerade Vierzehn“!

— Schon glaubt er die dunkele „Perlung“ auf
den mächtigen Stangen zu erkennen, sieht die
Kronenbildung am Ende der „Hauptstange“,
beobachtet die mächtigen „Augsprossen“, weiss

vereckt, und darüber die fast eben so starken „Eissprossen“. Der Jäger
beobachtet das alles genau — um sein Blut ruhig zu machen. Ungeduld
bringt dem Jäger die meisten Misserfolge.

Langsam lässt er jetzt die Hand mit dem Glase niedergleiten. Die
Büchse, längst gestochen, hebt sich vorsichtig. Noch wenige Schritte —
dann — — ja nun ist er nahe genug, achtzig Schritte mögen’s sein, —
aber fast spitz von vorn komrnt er dem Jäger, das ist ein schlechter
Schuss und wenn er ihn zu Holze schösse — den Capitalen —? Nein —
warten! — Die Büchse liegt im Anschlage.

Wachtfeuer an den Lappen

rankenden Brombeerstauden nach den mitunter winzigen rubinrothen
Punkten, die ihm die Richtung angeben, die der kranke Hirsch einschlug-
Er theilt das dichte Gezweig mit starker Hand —- dann — auf einer
Blösse — der Ilirsch — niedergethan, aber das gekrönte Haupt noch ge-
hoben. Rasch entschlossen greift er zum Couteau und von rückwärts
nahend senkt er den scharfen Stahl dicht hinter dem Schulterblatt in
das Herz der todeskranken Beute. Ein lautes „Tohop“, ein Signal des
Jagdhornes ruft die Jägerei herbei.

Ja — nichts über die Pürsch! — Waldesgrün! Jägerlust! — — "
 
Annotationen