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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [11]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0270

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MODERNE KUNST.

1S1

SX'dreht und das Zimmer verlassen. Und die Leute hatte er aus der
^eheune und die Kochfrau aus der Küche gejagt und Alles verschlossen.
h’nd dann hatte der alte Panske, der Nachtwächtcr, den Gästen eine Flasche
^ordhäuser in's gute Zimmer gebracht. Die waren natürlich sofort ab-
gefahren und hatten sich seitdem auf dem Rochollshof nicht wieder
hlicken lassen.

So war's vor siebenzehn Jahren gewesen. Und nun heute?

„Oh, Winand,“ sagte Frau Amalie mit ängstlichen Augen zu ilnn aui-
hlickend, „hast Du sie wirklich eingeladen?“

Er schien ihre Gedanken nun wieder .lesen zu können; er verstand
s'e sofort und lächelte ihr beruhigend zu.

„Wirklich, Malchen, richtig eingeladen! Und sie werden auch kommen,
Alle. Niemand liat abgesagt.

Na ja, sie werden wohl höllisch neugierig sein, was bei uns eigentlich
ios ist. Haha, sie werden es sclion erfahren!“

Er lachte geräuschlos in sich hinein, wie früher stets, wenn.er für
Malchen eine recht hübsche Ueberraschung ausgeheckt hatte. Aus Frau
Amaliens Herzen wollte die Sorge weichen, aber der Zweifel regte sich
doch noch ein wenig. Sie stand zögernd auf und wurde roth, wie ein
ganz junges Mädchen, und lehnte sich an ihn.

„Oh, Winand, möchtest Du es mir nicht sagen?“

Er sah ihr zärtlich in die bittenden Augen.

„Was denn, Maus?“

Sie stockte.

„Nun das, . . . das, . . . was eigentlich bei uns los ist!“

Er lachte wieder, wie vorhin.

„Glaub’s schon, dass Du's wissen möchtest! Icli sag's aber nicht.
Nicht eher, als nachher bei meiner Rede. Denn ich werde eine Rede

halten; beim Sect. Und ■— Herrgott, ich muss sie ja noch auswendig
lernen. Na, ängstige Dich nur nicht, Närrchen. Es ist was Schönes, wäs
Gutes, oh, ganz was Herrliches!“

Er küsste ihr die Stirn und mächte sich sanft von ihr los. Sie sah
ihm nach, bis er an der Thüre war, und wie Sonnenschein lag's auf
ihrem Gesicht.

„Und, Winand!“ rief sie, auf den Tisch deutend. „Darf ich das Alles
wirklich behalten?“

Er warf ihr eine Kusshand zu und lächelte wie mitleidig.

„Aber Kind; hätt’ ich Dir’s sonst geSchenkt?“

Er öffnete die Thür. Da sank Frau Amalie plötzlich auf einen Stuhl
und brach in Schluchzen aus.

„Oh, Winand,“ stammelte sie, „Du bist so gut zu mir, so gut! Und
ich . : . ich . . .“

Er war sclion wieder bei ihr und löste ihr bestürzt die I lände vom Gesicht

„Aber Malchen, ich bitte Dich: was ist Dir denn?“

Sie sah durch ihre Thränen flchend zu ihm auf.

„Ich bin schlecht gewesen gegen Dich, oh schlecht, so schlecht!
Wundertest Du Dich nicht immer darüber, dass das Gernüse und die Eier
und die Krebse' und das Geflügel so wenig einbrachten? Sie konnten ja
nieht mehr einbringen! Denn ich hatte vörher immer einen Theil bei
Seite geschafft und Brechtling hat's heimlich verkauft und

Sie hielt erschreckt inne. Winänd war.jäh in die Höhe gefahren.

„Brechtling?“ rief.er, und in seinen Augen blitzte es auf. „Hat er
Dir dieselben Preise angerechnet, wie hei den anderen?“

Sie seufzte.

„Ja! Sie waren immer sehr niedrig!“

Er lachte.

G. R. Boulanger. Römischer Sklavenmarkt.

IX. 12. II.
 
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