Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

DOI Heft:
Zick-Zack
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0281

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
192

MODERNE KUNST.

auf Capri bei bewegtem Meere.
Es soll noch zur kommenden
Ausstellung vollendet werden.

•X- *

*

Ein Liebesbrief Napoleons I. in Porto Alegre
— das sieht wie eine Erfindung aus, ist indessen
Thatsaehe. Vor einigen Tagen starb Madame
Bonchanips im Alter von 101 Jahren, arm und ver-
gessen, nur unterstützt von einer mildthätigen Familie,
welche die alte Dame vor etwa 15 Jahren aus Rio
de Janeiro mitbrachte. Dieselbe hiess Amelie und
hat sich nie tiber ihr Vorleben ausgesprochen. Um
den Hals trug sie beständig eine Art Amulet; als
man das Säckchen nach ihrem Tode öfFnete, fand man —
einen Brief Napoleon’sl. darin! Der Brief lautet in
der Uebersetzung folgendermaassen:

„Leb wohl Amelie! Wer weiss, vielleicht ist
es für immer. Du hast mich nur ein einziges Mal
inmitten meines Falles gesehen, in diesem Augen-

blick, da meine Armee in den Eisfeldern Russlands den ewigen Schlaf d es
Todes schläft. Du hast Dich meines Unglflcks erbarmt und mir in einem
Augenblick der Liebe Vergessen geschenkt, Dein eigenes Glück opfernd, n®
meine Verzweiflung zu lindern. Wenn es mir gelingt, meinen Thron zu
retten, werde ich mich Deiner erinnern, die mit dem besiegten Cäsar Mitleid
gehabt hat. Einen Kuss auf Deine Stirn und Lebewohl.

1812. Napoleon."

Aus diesem Schriftstück geht hervor, dass Napoleon auf der Flucht aus
Russland ein flüchtiges Verhältniss mit einem jungen Mädchen angeknüpft hat,
welches dieser Tage als steinalte Dame in Porto Alegre verstorben ist. Ameli e
Bonchamps hat dies Geheimniss ihres Lebens nie enthüllt. Den Personen
des Hauses hat sie nur erzählt, dass sie während des russischen Feldzuges
Napoleon’s bei ihren Eltern in Russland gelebt habe, und dass dieselben von
den Russen hingeschlachtet worden seien, während sie selbst wie durch etn
Wunder einem gleichen Schicksal entging.

Das Postgebäude auf Helgoland nach der Sturmfluth. (S. Beilage.)

In dem Augenblick, wo
das allgemeine Interesse sich
derFelseninselin der Nord-
see zuwendet, die dem frühe-
ren oder späteren Untergange
geweiht sein soll, ist es an der
Zeit, originelle Typen, die sich
dort erhalten haben, der Nach-
welt aufzubewahren. Der
Ausruferauf Helgoland mit
seiner Klingel ist eine populäre
Figur, an der sicher keiner
der Badegäste achtlos vorüber-
geht. Verlorene und gefundene
Gegenstände, Lustbarkeiten und
Theatervorstellungen, Bekannt-
machungen des Gemeinderathes
und der hohen Commandantur
werden da Männiglich mit-
getheilt. In der Person des
Ausrufers concentrirt sich die Zeitgeschichte, so weit diese auf der Insel einen
Wiederhall findet. Wie ein Herold oder Rhapsode sieht er gerade nicht aus,
aber Organ und Klingel wissen sich Gehör zu verschaffen, wenn auch auf
Kosten des musikalischen Wohlklanges.

Ausrufer auf Helgoland.

Das von protestantischen Frauen geschenkte, für die Kaiserin-Wittwe von
China bestimmte Neue Testament wurde am 12. November in den Palast ge-
sandt. Dieses „Jesus-Religions-Buch" wurde in Empfang genommen und sofort
Ihrer Majestät zugestellt, welche keine Zeit verlor, sich mit dem Inhalte bekannt
zu machen. Auch der Kaiser wünschte, sobald er von dem Buche gehört hatte,
es zu sehen; als er fand, dass die Kaiserin zu eifrig mit der Lectüre des Buches
beschäftigt war, wurde er ungeduldig und befahl sofort seinem Kammerdiener,
in die Stadt zu gehen und ein zweites Exemplar zu kaufen. Alsbald lief der
Kammerdiener in seiner Amtstracht in die amerikanische Bibelniederlage. Er
hatte einen Zettel bei sich, auf dem auf Chinesisch stand: „Ein altes Testament,
ein neues Testament.“ Dem in der Niederlage angestellten gebildeten Gehülfen
fielen die ungewöhnlichen Züge der Buchstaben auf; aus Neugier fragte er des-
halb, wer die Bestellung geschrieben habe. Der Kammerdiener antwortete: „Der
Kaiser! Heute haben die Frauen der christlichen Religion der Kaiserin-Wittwe ein
Exemplar von dem Neuen Testament geschenkt. Der Kaiser hat es gesehen und
wünscht auch die Bücher der „Jesus-Religion“ zu erhalten.“ Die Bücher wurden
eingepackt und bezahlt; der Gehülfe schenkte dem Kammerdiener einen
Katechismus und die Sprichwörter Salomonis zum Gebrauch. Darüber war
dieser höchlich erfreut und versprach, dass auch seine
Collegen im Palast sie lesen sollten. Nach Mittag am
selbigen Tage kehrte der Bote wieder mit dem neuen
Testament liach der Bibelniederlage zurück! Viele
Blätter des Buches waren umgebogen; der Kammer-
diener erzählte, der Kaiser habe das Buch durchgesehen
und viele Druckfehler gefunden. Der Gehülfe gab
ihm darauf eine richtige Ausgabe; während dessen
aber kam schon wieder ein neuer Diener vom Palaste
und bestellte eine Ausgabe des neuen Testaments
mit grossen Buchstaben. Seitdem studiren der
Kaiser, die Kaiserin-Wittwe und andere Mitglieder der
kaiserlichen Familie emsig in der heiligen Schrift.


Franz II., Exkönig von Neapel, ist gestorben. Mit ihm ging ein des
verkommenen Bourbonengeschlechtes würdiger Sprosse als Privatmann a us

Neapel zu Grabe. Für
schon seit lange ge-
1860, in welchem ihn
paar Tausend Ragazzi
der Sicilien verjagte,
so klägliche Rolle ge-
sich bekanntlich mit
der Maccaroni wegen
den Volturno zurück-
in die Festung Gaeta
auch die Truppen
bedrohten. Erst am
sten Jahres capitulirte
seiner Gattin, der er
dieser Einschliessung

Franz II, Exkönig von Neapel *f\

die Mitwelt war er
storben, seit dem Jahre
Garibaldi mit seinen
von dem Throne bet-
auf welchem er eine
spielt. F r a n z II. hatte
den Truppen, die ihm
treu geblieben, hinter
gezogen und sich dann
geworfen, als ih u
Victor Emanuel’s
13. Februar des näch-
er und begab sich mh
all den noch während
gezeigten Muth ver-

dankte, zunächst nach Rom. Seine Proteste gegen die Annexion seines Landes
waren vergeblich und schliesslich verlor ihn, als eine Null, die Weltgeschichte
ganz aus den Augen.

* *

*

Die erste telegraphische Depesche wurde in Deutschland vor hundert
Jahren befördert. Wie die Hanauer Europäische Zeitung am 13. December 1794
meldete, war dies ein Glückwunschgedicht zum Geburtstage des Markgrafen von
Baden durch den Mechanikus Böckmann mittels des optischen Telegraphen
aus einer Entfernung von anderthalb Stunden nach Karlsruhe signalisirt, das
folgenden Wortlaut hatte:

„Gross ist das Fest und schön! Triumph! Der Gute lebt,

Um dessen Fürstenthum der Vorsicht Auge schwebt,

Heil ihm! So tönt es fern und nah;

O Fürst, sieh hier, was Deutschland noch nicht sah,

Wie Dir der Telegraph heut’ Segenswünsche schicket. “
 
Annotationen