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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Schnitzer, Manuel: Ein chinesisches Fest: Capriccio
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0284

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MODERNE KUNST.


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c*°rt oben auf der Galerie der Pagode lächelt 'sehr befriedigt. Er besitzt
eine ausgesprochene Vorliebe für Tricots, und wenn er jetzt dem wackeren
^ aP-Tschi nicht freundschaftlich auf die Schulter klopft, so mag das
^rauf zurüekzuführen sein, dass Pank-Pank, der lächelnde Mondschein
'hn durchaus nicht lächelnd anblickt.

Die Tänzerinnen sind im Nu verschwunden, um einer Unzahl von
^krobaten Platz zu machen, die sich sofort zu allerlei Pyramiden formiren,
' vclche jedoch — und dies scheint eine feine Andeutung Hap-Tschi’s zu
Sein — niemals eine Höhe erreichen, von der sie etwa auf Pink-Pink her-
absehen könnten. Ihnen schliessen sich Springer an und Spassmacher,
^runter ein ganz winziger, dem es eine Kleinigkeit ist, die stärksten
^änner durch Verabreichung einer Backpfeife niederzuschlagen, was jedes-
^al Pink-Pink’s Heiterkeit erregt und selbst Pank-Pank’s Lächeln her-
| v°rzaubert.

Aber auf die Dauer wird es dem Herrscher langweilig, die Sache
j v°n oben herab anzusehen. Wahrscheinlich ahnt er, dass jetzt das Aller-
^übscheste kommt, denn er begiebt sich mit seinem Gefolge in den Hof
' lerab, um daselbst wiederum in der Sänfte Platz zu nehmen. Man sieht
Vs ihm förmlich an, dem Göttlichen, dass es ihn freut, den reizenden
^änzerinnen, die rasch herbeihüpfen, näher zu sein. Sie haben andere
k-ostüme angelegt, noch glänzendere und buntere,
aber keineswegs längere. Ihnen aber gesellen
Slch andere zu, um deren Taillen Schellenschnüre
I s*ch winden. Ein höchst würdevoller Musik-
^eister nimmt vor ihnen Platz und nach dem
’ '-eichen seines Stäbchens bewegen sich nun die
j derlichen Gestalten in der Weise, dass ein wun-
, ^erliches Spiel ertönt. Erst klingen einige tiefe
'Hd volle Accorde, dann trippelt das Schellen-
s v°lk durcheinander im Tanze und nun läutet es
Wmonisch: Pink-Pink, der Allesumfassende, ist
I Jetzt ganz Musikfreund und erklärt seiner Ge-
| 'äahlin, dass er die berühmten chinesischen Volks-
'' eder: „Anna Marie, mein Engel, ich verehr’
tlich“ und „Weine nicht, weine nicht!“ niemals
lri so vollendeter Weise gehört hätte wie von
^ em luftigen Schellencorps, das selbst einen der
^ünst der Töne unholden Pudel mit der Musik
j vcrsöhnen könnte.

Und damit hat er wahrlich einen Beweis seiner
ahnungsvollen Klugheit gegeben, denn in dem-
: sHben Augenblicke hüpfen eine Anzahl allerlieb-
: sterj weisser Pudel unter die Schellentänzerinnen,

^chweifwedelnd und lustig bellend, reizende Hünd-
cken, so wunderbar gezähmt und dressirt, dass
sogar Sect trinken und ein Souper bei Dressel
l^dem anderem Nahrungsmittel vorziehen. So
^üstert wenigstens der diplomatisch lächelnde
^ap-Tschi seinem gnädigen Herrn zu, der dem
^ reiben mit einem Lächeln der Verklärung z’u-
s*eht. Und auch Ihrer chinesischen Majestät
Seheinen die Hündchen nicht zu missfallen. Mit
eiUer gewissen Neugier betrachtet sie die lieben
^Öter mit den langen, baumelnden Ohren, dem
Schneeweissen Fell und dem zierlichen Schwänz-
eben, das im Tanze auf- und niederwippt nach

Tacte der Schellen, die jetzt eine hübsche

^eise aus dem „Obersteiger“ ertönen lassen.

0

Qd siehe da, ein Wunderliches geschieht, das
ernsten Pink-Pink und den gesammten Hof-
St;aat ungemein erheitert: Pank-Pank, die Perle
^ er Frauen, beginnt selbst mit dem Köpfchen
11 nicken, genau so wie mit ihren drolligen
ehwänzchen die Pudel. Diese hüpfen, springen,
^ eben die Pfote nach dem Commando ihrer
^rt'ischen Dresseure, die beinahe die Einzigen
^Qd, welche daran erinnern, dass das Fest im

Reiche der Mitte abgehalten wird. Aber sofort ändert sich das Bild.
Denn nun strömt Alles auf den Hof, was bisher sichtbar geworden an
Festgästen, Künstlern und Gauklern. Der weite Raum wimmelt von
bezopften Chinesen, Ballerinen, Pudeln und Schellentänzerinnen. Selbst
Hap-Tschi und das Gefolge des Kaisers mischt sich unter das Volk, so
dass er, der Erhaben - Prächtige, nunmehr allein Zuschauer bleibt. Noch
einmal loht die Festesfreude auf, die Reihen der Gäste verwirren und
lösen sich in kunstvollster Weise, die Pudel reihen sich zu einem
berückenden Tanze, magisches I.icht überfluthet die Scene, bis die
Menschenmasse zu schönen Gruppen erstarrt, als eine Schaar von Geistern
erscheint, die den Einzug des grossen Drachen ankündigen.

Das groteske Unthier, aus dessen Augen elektrische Lichter blitzen
und aus dessen Nüstern Feuerflammen emporzucken, erscheint, umschreitet,
von zweihundert Kinderfüssen getragen, mit den Bewegungen einer Schlange
die Gruppen, durch deren Mitte es dann den Hof verlässt, gefolgt von
den Anwesenden, die noch einmal an dem Kaiser vorüberziehen, der dann
plötzlich aufspringt und den Davonziehenden ein wenig allzuhastig nacheilt.

Will er Hap-Tschi die gelbe Jacke überreichen oder folgt er, höld
erröthend, den Spuren einer Schellendame, clie es ihm angethan? Wer
kann das wissen?

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- M

Einzug durch den Koloss von China.
 
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