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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Kirchbach, Wolfgang: Der Wein, [2]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0339

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248

MODERNE KUNST.

und starr
vorsichhin-
sah. Sie
trinken zu
viel; man
sollte Ihnen
keinenWein
geben; Sie
vertragen
nichts.“

„Oho!
Nichts ver-
tragen! Das
will ich
Ihnengleich
beweisen ! “
sagte Horst,
indem seine
Augenüber-
müthigblitz-
ten und ein
weinseliges
Lächeln um
seinenMund
ging. Er
sprang mit
cinem Satz
von der

Mauer zu-
rtick und
schlich ein
Stück arn
Berge hin-
auf. Dort
war in der

Terrassenmauerung eine Thtire, welche in ein kellerartiges Gelass fiihrte,
bestimmt, um Winzergeräthe zu bewahren und als Wachtschlupfwinkel in
der Zeit des Weinhütens zu dienen.

Martha sah, wie der schmucke Mann hineinging und gleich darauf
mit einern Kruge voll Wein heraustrat. Er kam ebenso schnell. an der
Mauer zu ihr wieder herabgeschlichen und sagte:

„Das ist mein Tagtrunk, und ich trinke hier den ganzen Ivrug vor Ihren
Augen aus, wenn Sie mir nicht einen Kuss geben oder selber mit daraus
trinken. Da werden Sie gleieh sehen, ob ich etwas vertrage oder nicht.“

Er schaute mit feurigen Augen zu ihr hinauf. Er sah wie ein Be-
rauschter aus und hatte doch sicher keinen Wein getrunken. „Ich werde
erst nüchtern, wenn ich das auf einmal aussaufe!“ sprach er. „Der Wein
macht mir nichts, aber die Liebe, das ist mein Rausch, süsse Martha!“

Er setzte den Krug an den Mund, als wollte er ihn auf einmal hin-
unterstürzen.

„Ach, thun Sie doch so Etwas nicht! Da kann Sie ja gleich der
Schlag treffen!“ sagte Martha leise.

„„Wenn Sie mir über die Mauer einen Kuss geben!“ flüsterte Horst
ungeduldig.

„Da würde ich eine schöne Nachrede davon haben!“ versetzte Martha
schnippisch, indem sie mit den Achseln zuckte. Ausserdem ist die Mauer
zu hoch und heirathen würde ich Sie doch nicht!“

„Dann trinke ich darauf los und jeden Tag mehr, bis ich am Delirium
sterbe!“ erwiderte der Winzer. Er setzte den Krug an den Muncl und
that einen hastigen Schluck. Martha sah ängstlich zu; dann siegte ein
gewisses Mitleid; sie sprach rasch:

„Ich will lieber mittrinken, wie Sie gesagt haben!“

„Martha, ist es wahr?! Ach, das ist doch Etwas!“ rief der Winzer
schnell. „Dann kann ich auch noch mit dem Küssen ein wenig warten.
Hier ist der Krug!“

Er reichte das thönerne Gefäss dem Mädchen nach der Mauer hinauf.
Martha bückte sich über den Mauerrand und nahrn den Krug mit beiden

Ilans Dahl. Studie.

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Händen auf. Sie hob ihn an den Mund und bog den Kopf zurucü,
einen Schluck zu trinken. Horst schaute ihr mit siegessicherem Bli ci' c

zu-

„So, nun habe ich Ihren Willen gethan und nun lassen Sie mich
frieden!“ sprach Martha, indem sie den Krug wieder hinabreichte

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that. Martha that einen lelchten Schreckensruf, riss ihren Arm zm u

selben Augenblicke, während er mit der einen Hand den Krug

packte er mit der anderen kräftig in ihren Arm hinein und küsste

Arm wiederholt stumm und heftig, bis er zuletzt einen festen Biss hm e’

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beschaute ihn unwillig und sah deutlich den Eindruck der Zähne ^

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wilden Gesellen in ihrem Fleisch. Sie sagte kein Wort, während H 0’

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einen Jubelruf ausstiess, den Krug von neuem an den Mund setzte
mit einem Zuge vollends leer trank. Dann schwang er ihn hoch u

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seinem Kopfe und schleuderte ihn mit Macht an den Fuss der Mauer, u‘
er in Scherben auseinandersplitterte.

Martha huschte, erschrocken tiber die wilde Leidenschaft des Mensc


hinter ihrer Mauer herab und schlich betroffen nach ihren Weinstoc
zurück. Sie beschaute wiederholt ihren Arm mit dem Abdruck der
und sie wunderte sich, dass sie gar keinen Abscheu dagegen emP u‘ ^
sondern diese weisslichen Male mit einem neugierigen Interesse und c” 1

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gewissen Genugthuung betrachtete. Sehr weh gethan hatte es ja a ‘

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nicht; sie schielte scheu, indem sie sich halb verschämt nach ihrer ' r
geworfenen Gartenscheere bückte, nach der Mauer. Sie sah den ' vV’^ Cf
Burschen nicht mehr. Er mochte es für gut halten, erst den Erfolg se”\

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stürmischen Werbungen im Herzen des Mädchens abzuwarten uno
ihren Gefühlen zu überlassen. Die war ihm ja doch mal sicher; das

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die Erste nicht und würde vielleicht auch nicht die Letzte sein, denn 0

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halbe Weinberg, den sie besass, war keine Mitgift, die verlocken koi” 1
zur Heirath.

der rothe Boden;
die Fenster des Rii-
dig’schen Hauses
oben auf dem Berge,
mit dem rothen,
spitzenZiegcldache
darüber, flimmer-
ten wie fluthendes
Gold, der breite
Strom unten im
weiten Thale, wo
die Segelschiffe mit
gespanntem Segel
dahintrieben, wand
sich, in bunten Far-
ben schimmernd, in
die nebelige Ferne
hinein. Der gothi-
sche Domthurm der
alten Bergstadt in
der Ferne hob sich
ungewiss aus den
röthlichen Nebeln
hervor; das Felsen-
schloss, das über
dem Strome heraus-
ragt, verdämmerte
in unbestimmten
Umrissen. Auf den
benachbartenWein-
bergen sah man die
Winzer und Win-
zerinnen von ver-
schiedenen Seiten
über die Hügelrun-
dungenherabgchen
und auf den steilen

Die Abendröthe brach über den Berg herein; purpurfarbiger, üpP 1“
wärmer erschien ^

Ilans Dahl. Studie.
 
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