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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Kirchbach, Wolfgang: Der Wein, [2]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0340

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MODERNE KUNST

249

ePPen abwärts steigen. Sie trugen ihre Werkzeuge und Geräthe nach
cien

'Dnzerhäusern, und die Ruhe und Stille des Feierabends legte sich

(|W .

aie weiten Gärten.

I . ‘^ Uch Martha liatte ihr Arbeitszeug zusammengelegt, und mit einer
^üchen Erregung ihres Uerzens über das Erlebniss der letzten Stunde

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Schw,

s - Sle nach denr unteren Weinbergspförtchen hinab, um dort nach ihrer

On'

k. ester auszuspähen, die doch nun bald mit ihrer Weinkruke und einer
llnahnre aus der Stadt heimkehren musste. Wie seltsam war ihr doch
^iuthe geworden beim Thun des raschen Gesellen, das sie Niemandem
athen mochte und verrathen durfte, und das nun ein gemeinsames Ge-
lrnniss zwischen ihr und Horst blieb. Ein leises Zittern ging ihr durch's
Wenn sie an den Gesellen dachte; diese Leidenschaft gefiel ihr wolil
‘hm, wje jj,,- e;n scidenes Kleid gefallen haben würde, das Jemand ihr
Schenkt hätte.

Martha unten an das Pförtchen trat und ihren Arm besah, waren
^ ale schon vergangen. Sie strich mit dcr Hand unwillkürlich dariiber

wei

a(s wollte sie auch die Erinnerung verwischen. Sie blickte dann ein

f(ihrte


'* chen den Pfad hinab, der hier zwischen Weinbergsmauern herauf-
denn de.r untere Theil des Berges und das ebene Weinland zu
nen Füssen gehörte anderen Weinbauern und zum Theil auch der
^’fiiann’schen Grosshandlung.

^artha athmete tiefer und erröthete leicht, als sie nach einem Weilchen

' lcn Mann heraufkommen sah, der eine grosse Lederschürze an hatte

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^ uie Aerrnel einer blauen Blouse mit den Händen unter dem ledernen
j lsl:latz verborgen hielt. Der Mann kam ruhig dahergegangen und wiegte
k 1 hinter seiner Schürze, als verberge er etwas, was ihm selbst gefiel.
nahm seine Miitze ab und grüsste.-

<j. »Guten Abend, Fräulein Martha, ich dachte es mir schon, dass ich
. ller treffen würde, und da habe ich meine Böttcherei stehen lassen,
11 Wschen eher Feierabend gemacht und bin ein wenig heraufgegangen.“

1 nWas haben Sie denn da, dass Sie ihre Hände so unter dem Brust-
,. Verstecken?!“ frug Martha neugierig. „Sie können mir ja nicht einmal

"L T »

"ld,

'fand geben.“

»Ich friere vielleicht an den Fingern!“ sprach der Mann schelmisch,

c 111 er die 1 Iände tiefer hinter den Lederlatz steckte. Der Böttcher
llrieberg, der unten in dem Marktflecken am Strome wohnte und dort


llc Böttcherarbeit für die umwohnenden Weinbauern betrieb, war ein


Er

|. Ser Mann mit einem braunen Bart und grossen braunen Augen
. 111 schon seit einiger Zeit hier herauf, bald unter dem Vorwande, Rüdig s

(li 1 ' 6

j esuchen, bald, weil er irgend ein Geschäft in der Nähe haben wollte,
,. ^ lrklichkeit aber, um bei dieser Gelegenheit mit der schönen Martha
Paar trauliche Worte zu wechseln.

warum frieren Sie denn an den Fingern?!“ frug Martha, indem
*^ en Saum ihrer Schürze strich.

’iDarum!“ sprach Henneberg schmunzelnd. Er zog unter dem Brustlatz
iiit 1 eingepackten Gegenstand hervor. „Wenn Fräulein Martha es nicht für


"'Hen

'Knt

üehmen wiirden —! Ich wollte Ihnen auch einmal etwas mitbringen.“

v f' r wickelte sein Päckchen aus und brachte ein seidenes Busentuch
"Hi V

I . v°rschein, das er sorgfältig mit seinen dicken Fingern auseinander-
- Und dem Mädchen etwas zagliaft anbot.

;il)i ^ artfla erröthete tief und wollte das Geschenk ablehnen. Es fiel ihr
l!! eitl> dass sie sich doch sehr hübsch miteinem solchen seidenen Tüchlein
c' le Schultern ausnehmen müsse; die Versuchung war stark; sie sagte:
f «ßehalten werde ich's wohl nicht können. Aber wenn Sie es nicht
aUslegen würden, so könnte man's ja wohl einmal probiren. Viel-
haufe jch mj,- einmal ein ähnliches.“

V**, ja, wenn Sie's wenigstens einmal probiren wollten,“ sagtc der
„\y er verlegen, da er giaubte, sich zu viel herausgenommen zu haben.
11,1 Sie’s wenigstens nur einmal umnähmen.“

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ii, ” J°tt, ich bin gar nicht danach angezogen!“ sagte nun wieder Martha
Scj,!; ° Sserer Verlegenheit, indem sie ihren Arbeitsrock ansah, der ver-

‘UsS,

Sje

ei1 und unscheinbar war und alle Spuren der Landarbeit zeigte.

4>,, ^* 6 nahm das Tuch behutsam und legte es auf ihren Nacken, dass
S [^ 3' tze Zipfel zwischen den Schultern herabhing. Vorn hielt sie es
"H- 1111111611 und Zeigefinger vor dem Halse zusammen; sie nahm mit der
^ 11 Hand das Tuchende auf und betrachtete sicli das Muster, indem
rauf herabschielte.

IX.

16. III.

„Ach, das sind ja Weinblätter und Trauben!“ meinte Martha glücklich,
indem sie die Stickerei des Tuches besah. Weinblätter und Trauben
waren wirklich in regelmässiger Wiederholung in das Fürtuch gedruckt,
und das war ein hübscher Anblick auf dem Nacken einer Winzerin.

„Weil Sie doch von Klein auf unter den Trauben aufgewachsen sind!“
setzte der Böttcher hirizu. „Und wenn Sie es behalten wollen, weil es
ihnen so gut steht —! Es soll nur ein kleines Andenken an mich sein,
damit Sie mich nicht gar zu schnell wieder vergessen, Fräulein Martha!“

Martha schwankte ein Weilchen, indem sie bald auf ihre linke, bald
auf ihre rechte Schulter verstohlen herabschielte. In ihrem Inneren zitterte
etwas wie Scheu, dass sie ein Geschenk annehmen sollte von Henneberg,
wo ihr soeben noch der tolle Horst durch den Kopf gegangen war. Nun
sah sie aber wieder den Böttcher an und wusste, dass es ein guter, ernster
und würdiger Mann war, dem man heimlich gut sein, wie man mit eben
solcher Heimlichkeit an die feurigen Augen des Horst denken musste.
Sie wusste in ihrem Herzen einen Augenblick weder ein noch aus; dann
aber sagte sie rasch, indem sie Henneberg zögernd die Hand reichte:

„Ich danke auch schön, Herr Henneberg, für das feine Tuch; ich
würde Sie ja beleidigen, wenn ich es nicht behielte und es ist ja so ein
schönes Tuch!“

„Ach, das freut mich aber ausserordentlich, dass Sie von mir etwas
nehmen!“ erwiderte Henneberg, indem er die dargebotene Hand fasste
und leise festhielt und in der seinen ruhen liess. „Und ich will Ihnen
auch gleich sagen, Fräulein, dass ich darauf ausgehe, Ihnen, wenn Sie es
später einmal gestatten werden, einen Heirathsantrag zu machen, denn
ich könnte mir ja nichts Schöneres denken, als wenn Sie zu mir in meine
Böttcherei herunterzögen und als Frau Meisterin über meine Gesellen
walteten. Entschuldigen Sie meine Grobheit, dass ich mir so etwas heraus-
nehme, aber es ist nur, damit Sie gleich wissen, woran Sie sind.“

Martha war leise zusammengeschrocken, als sie das Wort Heirath
vernahm. Sie fühlte wohl, dass sie dem Manne gut war und mit ihm
glücklich werden musste; aber unerklärliche und unergründliche Gefühle
quollen in ihrem Herzen durcheinander; sie rnusste auf einmal an all' ihre
Weinstöcke denken, die sie heute geschnitten hatte, während Horst drüben
beirn Nachbarn das Frevelhafte that. Sie sah im Geiste alle diese Reben
weinen von der Ueberftille des Saftes; und auf einmal traten ihr selbst
die Thränen in die Augen und sie sagte ängstlich und traurig:

„Heirathen, Herr Henneberg. Da müsste ich ja von meinen Wein-
stöcken und von meinem Berge weg. Ach, ich glaube, ich könnte das
nicht überleben!“

Sie hielt die Hand vor die Augen und schluchzte still hinein. Henneberg
war betroffen, glaubte aber zu fühlen, dass sie ihn doch lieben miisse und
dass die Zeit gewiss die Erfüllung seiner schönsten Hoffnung bringen würde.

„Es giebt sich schon, Fräulein Martha!“ sagte er einfach.

„Nun, Herr Henneberg, es soll noch nichts verredet sein!“ sprach das
Mädchen, indem es unter seinen Thränen ihm leise zulächelte.

Henneberg glaubte aus ihrem Blicke etwas wie stille Verheissung zu
lesen. „Es muss aber ganz heimlich bleiben“, fügte Martha hinzu, „denn
ich weiss noch nicht, wie ich mich entscheiden würde, wenn Sie mir
wirklich einmal mit einem solchen Antrag kämen.“

„Ich habe es auch gar nicht gewagt“, erwiderte hierauf der Mann
etwas verlegen. Seine Blicke aber ruhten mit warmer Liebe auf der
Gestalt der Winzerin, und es geschah, dass sich nunmehr ein traulich und
heimlich geführtes Gespräch zwischen den Beiden entwickelte von ihrer
Arbeit, von den Nachbarn, vom Wetter und von den Hoftnungen auf’s
kommende Weinjahr.

Sie hatten so ein Weilchen geplaudert, als langsam keuchend die
Schwester mit ihrem Korbe auf dem Rücken den Berg heraufkam. Als
der Böttcher sie bemerkte, verabschiedete er sich etwas verlegen von
Martha mit der Begründung, dass er nun nicht länger stören wolle.

Die Schwester kam mit ihrem Korbe an's Pförtchen und lehnte sich
mit einem Erschöpfungsseufzer an den steinernen Pfosten. Sie war ver-
stimmt über den geringen Ertrag ihres Hausirhandels. Ein Brod und das
Nöthigste für’s Essen am nächsten Tage lagen im Korbe, denn sie hatte
unterwegs noch eingekauft.

Als sie etwas verschnauft hatte, betrachtete sie aufmerksam ihre
Schwester, die das Fürtuch rasch zusammengeschlagen und in die Rock-
 
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