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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Bleibtreu, Carl: Aus Georg Bleibtreu's Leben und Wirken
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0454

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MODERNE KUNST.

367

'''m befreundeten preussischen Ingenieurgeneral, dem die Festung officiell über-
§ eben wurde, am andern Tage gleichfalls ein gefährliches Abenteuer bestand, wo
!1Ur die Kaltblütigkeit der vier preussischen Officiere, die ihnen ein Compliment
v°n Ducrot ünd Wimpfen eintrug, sie vor den Jatagans betrunkener Turkos rettete.

Nun koinmt die Zeit vor Paris.

»Vorgestern lag das stolze Babel zu meinen Füssen. Die Bayern haben
' e Verschanzten Linien vor den Forts von Paris erstürmt. Von der Haupt-
Schanze sah ich das Häusermeer ausgebreitet. Ich sass im Kreise des Officier-
'-° rps des 7. bayr. Reg iments beim Wein, als Einer von ihnen aufsprang, und
uährend die feindüchen Kanonen dazu donnerten, ein Lebehoch auf den künf-
ugen deutschen Kaiser ausbrachte. Jubelnd sprangen wir alle auf und schleu-
'kften nach dreimaligem Hoch auf den Kaiser die Gläser zu Boden. Ist’s doch,
als wenn Alles, was ich Grosses für niein Vaterland ersehnt und gehofit habe
und was fast für alle Andern unerreichbar schien, sich erfüllen sollte!"

Seit jenem Tage wob sich ein besonders kameradschaftliches Band zwischen

Künstler und dem II. bayrischen Corps, dessen Commandirender, Excellenz
v- Hartmann, ihm bis zum Tode in wahrer Freundschaft verbunden blieb.
^nrtmann weist in einem Briefe mit gerechtem Stolz daraufhin, dass er 1815
a' s napoleonischer Officier bei Waterloo focht, 1870 zuerst mit seinem Corps
v°r Paris anlangte und bei Wörth als hoher Siebziger den ganzen Tag zu Pferde

Zu den besondern Lieblingen König Wilhelms hat der Künstler zwar nie
gezählt, wohl aber mit ehrfurchtsvollem Danke die wohlwollende Humanität
dieses Muster-Gentleman empfunden. Der erhabene Greis hätte kein so reifer
Menschenkenner sein müssen, wie er war, wenn er nicht unter schlicht-unmili-
tairischem Aeussern den echten Soldatengeist, das Pflichtgefühl und die Vater-
landsliebe des unscheinbaren Malers geahnt hätte. Er, der nichts vergass, hielt
natürlich bis zum Ende auch diesen ihm seit fünfundzwanzig Jahren geläufigen
Künstlernamen fest und sah in diesem Ritter des Hohenzollernordens einen
Mann, der für Preussens Ruhm in seinem Berufe stritt. Bei den vielen An-
käufen älterer Bilder und Bestellungen neuer, womit er Bleibtreu beehrte, traten
nur ab und zu kleine Reibungen ein, die auf der verschiedenen Auffassung
künstlerischer Pflichten beruhten. Dem König ging die historische Treue über
Alles und die militairisch stramme Genauigkeit. Das wiederholte sich bis zuletzt.

So heisst es z. B. in einem Briefe vom 20. Januar 1870, betreffs eines, im
Auftrag des Monarchen für dessen Privatbesitz ausgeführten, grösseren Gemäldes,
das seine Begrüssung in der genommenen Batterie von Lipa darstellt: „Graf
Perponcher hat Vortrag bei Sr. Majestät wegen Ihres neuen Bildes gehabt.
Als Abänderung wünscht S. M. die Stellung des Herrn v. Gelieu, weil derselbe
nicht wie hier auf den König losstürzte, sondern nur in militairischer Hal-
tung den Degen erhob und „Vive le Roi!" rief".

Mit Genehmigung dcr Photographischen Gesellschaft in Berlin.
Georg Bleibtreu. Kronprinz Albert von Sachsen bei Gravelotte.

b

Ueh, ohne eine andere Stärkung als einen Bissen Schwarzbrot zu geniessen.

^ le patriotische Freude habe ihn aufrecht erhalten. Hartmann war also in noch
^Öherem Grade eine symbolische Figur, als sein College v. d. Tann, der Frei-
Schärler von Schleswig-Holstein und grossdeutsche Einheitsdränger.

Da Bleibtreu im Versailler Museum sein Atelier aufschlug, zugleich als
^Uivegarde für die Kunstschätze, so entspann sich eine aufrichtige Freund-
Schaft zwischen ihm und dem Director Soulie, beiläufig Schwiegervater des
erühmten Theaterdichters Sardou. Soulie kann sich in seinen Briefen nicht

§ enug thun, „pour vous remercier de m’avoir console et söutenu dans les
hi

°tnents d’angoisse que j’ai eu ä traverser“. Zu einem dieser Briefe gesellt

Ja:

üton v. Werner eine lange Nachschrift, dem Bleibtreu bei seiner Abreise im

hin

nUar 1871 sein eigenes Atelier eingeräumt hatte, wie er denn überhaupt den

Sen Künstler allerorts einführte. Mit Bismarck, den er glühend bewunderte,

I Schon er für den Menschen keine uneingeschränkte Verehrung empfand,
_ ut Bleibtreu wenig Beziehungen gehabt. Doch hat er eine ewig denkwürdige
<U

sarnmenkunft mit dem Gewaltigen genossen, als dieser ihn in Donchery cordial
^ Us seinem Quartier hinausbescheiden liess, weil hier die Capitulation mit Wimpfen
^ttfand. Den Hammelbraten, der schon auf dem Tische stand, vertilgte der
ecke dabei und plauderte in gehobenster Stimmung über den Eindruck, den

s°eb

en der Jubel der Bayern, als er vorüberritt, auf ihn gemacht habe.

Peinlicher ging es in den letzten Jahren des grossen Kaisers zu, bei den
Skizzen zu den Zeughausbildern. Da sollten die Garden auf St. Privat in geradem
Parademarsch anrücken, in altpreussischer Disciplin. Beim „Aufruf an rnein
Volk“ sollte erst das Volk ganz wegfallen und dafür ein Bataillon antreten, und
als das Bild vollendet, musste thatsächlich die prächtige Gestalt Blüchers weg-
gekratzt und dafür Zar Alexander eingesetzt werden. Das gab zu drolligen
Scenen Anlass, obschon dem Künstler die Sache tief ins Herz schnitt. Kameke,
der sich schon etwas erlauben durfte, wagte die Vorstellung, dass er als Kriegs-
minister doch keinen fremden Herrscher im Zeughause zulassen könne. Der
Kronprinz machte Bleibtreu einen Beileidsbesuch und verlieh seinem Unmuth
vollen Ausdruck. Es half Alles nichts, dem Befehl musste gehorsamt werden.
Als die That vollbracht, erschien Se. Majestät mit dem russischen Gesandten und
einem grossen Gefolge von Generalen. Nur mit Mühe entging der Künstler
durch ablehnende Haltung einem vermuthlich zugedachten russischen Orden.
Dennoch ergriff ihn tief die treuherzige Würde, womit der erhabene Greis ihm
die Hand reichte: „Ich danke Ihnen, dass Sie meinen Wunsch erfüllt haben“.
Es war absolut unmöglich, diesem königlichsten Manne zu grollen. Es scheint
nicht ausgeschlossen, dass gewichtige politische Gründe den Kaiser zu diesem
Vorgehen bestimmten. Dass er von seinem Standpunkt aus immer weise und
gerecht gehandelt hat, wer möchte das je bezweifeln! Mit tiefster Verehrung
 
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