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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 18
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0565

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er will nicht die ftatifchen Phänomene und Le-
bensbedingungen beiebter Körper befchreiben,
fondern ein kunftbraueßbares Sgftem der mecha-
nischen Erscheinungen des Lebens aufftellen. Er
entwickelt Sein [treng auSgebautes, in übersicht-
liche Paragraphen eingeteiltes Klerk, dem ein
Cafelband mit vorzüglichen Detailzeichnungen
beigegeben iSt, aus genauesten Beobachtungen
und reichen KunSterSahrungen und will — ein
Anhang läßt ßch in geistvoller Kleife über das
Kiefen der künft'erifchen Produktion und den
Klert anatomischer Studien für den Künftler aus —
den Kollegen das Verftändnis für die Mechanik
des Lebens als notwendige Brücke zwifchen Aus-
gangspunkt und giel, Schale und Kern, Form
und Spannung der Erfcheinungen, erleichtern.
Das Buch erfordert gründliches Studium, es muß
paragraphenweise durchgenommen werden. Die
Einteilung in Lehrfäße mag manchen fchrecken.
Lut nichts — wer fich durchgearbeitet hat, wird
den Nutzen davon haben und mag dann getroft
den lebten Paragraphen anwenden: „Mit dem
Können geht's wie mit dem Gelde. F)at man
es erft, fo braucht man's nicht mehr und darf
es verachten." —
Fjans Lhoinas Urteil über Richters Buch, das
der Altmeifter in einem Brief an den Verlag for-
mulierte, möge hier folgen: „Richters Buch vom
A\enfchen ift freilich keines der bequemen Nach-
fchlagebücher für Künftler, die fich vor Fehlern
und Verzeichnungen fchü^en wollen; es erfaßt
die Sache tiefer und ich möchte fagen, es ift
die Lehre vom Gehäufe, in welchem das Leben
bei feinem Gang durch die Erde gewohnt hat —
dem Gehäufe, welches das Leben wegwirft, wenn
es nicht mehr bewohnbar ift. Ich möchte es
deshalb kein gweckbud) nennen, es ift nicht der
Künftler und auch nicht der Kliffenfchaftler wegen
gefd)rieben — es ift gefchrieben, um den Klunder-
bau kennen zu lernen, welchen die göttliche
Schöpferkraft der Seele dem lebendigen Men-
fchenwefen zur vorübergehenden Klohnung be-
reitet hat. Klir dürfen diefen Bau bewundern
und wollen ihn gern einen tempel Gottes nen-
nen ; — daß er fo vergänglich ift, wie Gras und
Blumen, foll uns nicht ftören, er ift auch wie
fie, wie alles in der Natur, der ewigen Klieder-
kehr unterworfen, die ja nur auf dem fich auf-
bauen kann, was wir Vergänglichkeit nennen."
K. Schwarz.
Max Gustav /Gt/nh W/en, Ös?err.
/920. 54 S. 4". 2<3 Sc/zwarz-
ive#?- anef F<2r5-7n/<?/n.
Eine wiffenfchaftliche Studie will das Buch fein,
die fich freihält von leidenfchaftlicher Partei-
nahme und fich doch in das Klerk des Künftletrs

mit der Liebe vertieft, die man bereits h'ftorifch
Gewordenem entgegenbringt. Bei Guftav Klimt,
über den fich die Lagesmeinungen kaum noch
beruhigt haben, der über Schiele und Kokofchka
in die Gegenwart hineinragt, und der doch den
heutigen wie ein längft Entfchwundenes anmutet,
mochte die Einteilung fchwierig genug fein, follte
die Studie nicht Gelegenheitsfchrift fein und ob-
jektiven Maßftab gewähren. Deshalb war es
notwendig, den Klerdenden zunächft aus feiner
Umwelt zu entwickeln, aus feiner näheren, dem
Kliener Boden, wo in dem aus Markartfchen
Craditionen Kommenden durch die Baubewegung
um Otto Klagner das monumentale, durch CF>.
v. hörmann das farbige Gewiffen geweckt wird,
aus feiner weiteren, der europäifchen, die feit
der Gründung der Sezeffion auch in Klien Gel-
tung gewann und vor allem mit Puvis de Cha-
vannes, Loorop und Fjodler für Klimt entfdßeidend
wurde. Aus diefen Vorausfe^ungen entwickelt
dann derVerfaffer das Frühwerk, die Reife und
die Spätzeit des Künftlers, indem er in charak-
teriftifcher Auswahl die durchgehenden Fäden
fammelt und daraus die Perfönlichkeit kenn-
zeichnet, die fich weniger in fchöpferifcher Initia-
tive als in einer weitgehenden Einfühlungsfähig-
keit ausfpricht, durch die Klimt die internationalen
Bewegungen feiner geit in ein Klienerifches,
ornamental Sinnliches umprägte. Darin fieht der
Verfaffer auch die Grenzen des Klimtfchen Schaf-
fens, daß es bei dem Streben nach dem mo-
dernen Gefamtkunftwerk über den monumentalen
Dekor nicht hinausgelangte, ftatt das giel mo-
numentaler Malerei zu erreichen, daß es in Sinn-
bild und Allegorie die Abgründe der Erkenntnis
umgeht, daß der Glaube an die finnliche Schön-
heit den Künftler wol)l zum Gipfel rhgthmifchcr
Ordnung führt, aber an einem aktiven Ausleben
gegenüber dem Kleltgefchehen hindert. So be-
ruht Klimts Bedeutung mehr im Kunfthandwerk-
lichen als im Malerifchen, fchwankt zwifchen
Sinnlichkeit und Ausdruck. Nur in der freiere
Ausdrucksmöglichkeiten bietenden geichnung
und in einigen kubifch gebauten Landfchaften
der Spätzeit hat Klimt den Übergang zu der
neueren geit gefunden. — So kann diefes Buch,
deffen künftlerifcher Inhalt mit der äußeren Form
eines kultivierten Stiles des Autors und der vor-
nehmen Buchausftattung durch die Staatsdruckerei
Fjand in Fjand geht, in feiner liebevollen Objek-
tivität auch demjenigen empfohlen werden, der
von der geit in andere Bahnen des Erlebniffes
gedrängt wurde, wenn er es nur verfteht, bei
der Vertiefung in die zeitliche Gebundenheit der
Perfönlichkeit dem gerecht zu werden, was in
der Kunft zeitlos ift. Fj. G.

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