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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Juni
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Bürger fiebt;» eS fordert eine liberale Re-
giernng, tie nicht gejwungen werde, die that-
sächliche Macht i» den Händen junkerlicher
Beamten zn laffen, und die sähiq sei, ,,Preu-
Hen die Slchlung der übrigen deutschen Stämme
zu erringkn."

Die Achtung Deutschlands — das wäre
schon viel. Aber roch nvch »icht genng, um
Preußcn zum Haupl deS deutschen Naiional«
reichs zu erheben. Dazu gehörcn Thaten.
Wir erinnern hier an tie Worte eineS Red-
ners in Koburg: wenn die Frucht reif ist,
wird fie Preußeil nicht in den Schoß fallen;
es muß nach ihr greifen. Victvr iLmanuel
hat seine Eristenz an Jtalien gcsctzt, und erst
nachdem cr sein Lebcn und scinc Krone gewagt,
haben dic Jtaliener ihm das cntgegengebracht,
wofür er in ben Kampf gczogen."

Das Programm verlangi die Berwirklichiing
des Rcchtsstaats; nno daß ries Berlangcn kcin
überflilffigcs ist, erscheint unS wie die herbste
Kritik dcs Ministeriuins und vcr Kammern.
Es vcrlaugt ferner die Wicdcrhcrsteüung eer
Comprtciij deS Gcschwornengcrichts für poli-
tische und Preßvcrgchcii, cin Gcsetz über Ml-
nistcrverantwvrilichkcit, dic Hcrstellung einer
auf Glcichbcrcchtigung und Skldstverwaltung
gcstütztcn Gemeinde-, Kreis- und Provinzial-
verfaffung, Aufhcdung der gutsherrlichen Po-
lizei, wahrc Glcichbercchtigung aller Rcligions-
gcnoffcnfchaften; Einrichtung des Untcrrichts
auf drr Grunblage dcr Treniiung des Staats
vvn dcr kirche und Einführung dcr obligato-
rischcn Eivilche (wie wir sie mit dem trcff-
lichstcn Ersolgc in manchen beutschcn Länbcrn
habcu). Endlich fordcrt das Programm Ge-
werbcfrciheit, Sparfamkeit in den AuSgaben
sür bas stchcnre Hcer, Aufrechthaltung tcr
Landwchr, rinc nur zwcijährige Dienstzeit un-
ter ter Fahne; uud zuletzt, als noihwcndigstc
und crstc Borbcdingung zur Erreichung diescr
Zicle, eine dnrchgreifentc Reform dcs Herrcn-
hauses auf verfaffiingsmäßigem Wegc.

Die Fordrrungen tcs Wahlprogramms sün-
digen gewiß nicht durch zu weircs Borgreisen
in die Zukunft; sie sind mäßig, desonnen, und
wir kvniien uns nicht wvhl dcnkcn, mit wel-
chen Grlinten der Graf Schweri» politifche
Principicn dckämpfen künnte, die er früher so
ost fur tie scinigen erklärt hat. Dic preußi-
schrn Wähler sinv gcwarnt durch dic Bcrgau-
genhcir, und sie werdeii sich nicht längcr mit
schönklingcndcn Rctcsätzen begnügcn; sie wer-
den bindende Zusagcn begchre» unb nur Män-
ner wählen, zu dcnen man sich des Worthal-
ten« verseheir kann. Von dcn Wählern, dem
Volke Prcußcns hängt die nächste Eniwickc-
lung der preußischen Zukunft ab, und die Slb-
stlmmung des Monais Novcmber wird über
ein gutes Stück unserer Geschichte mit ent-
scheidcn. Jn der Hand dcs prcußischen Vvl-
kes liegt es, Preußen in Deutschland zu ver-
eiusamen, ober es auf Lie glänzciide Höhc zu
stellen, wo am entschcidenden Tage bic ganze
deutsche Nalion ihr Oberhaupl suchen wirb.

(N. Fr. Z.)

Blumenbeete und Glashäuser, schlich die Alte, Edu-
ard iuimer «ortlos ncben sich hcrzichend, durch den
Gartcn, besah fich AllcS und Zedcs ganz genau
und wiedcr, als sollte sie Rcchenschaft abicgcn über
Stand und Vollftändigkeit dcr Dingc; crst nachdcm
fic den Garten nach allcn Richtungen kennen ge-
lcrnt und dic schönc Villa selbst von verschiedenen
Scitcn in Bctracht gezogcn, cntficl ihr das erste
Wort gegen Eduard, indcm fic nur fagte:

„So vicl Sachen habcn und hicr wohnen können
— daS sollte Unsercins doch auch!„

Als fic hicrauf dem Thorc wicdcr zuging, um
fich zu cntfcrncn, hattc sich bcreits, durch den Diener
veranlaßt, eine Anzahl Domcftiken unter dcn Ein-
fahrtsäulen ausgcstellt, die Eduard mit bcdauern-
den Blicken und fast vcrlegcnen Micnen fortgehen
s-h . . .

Die Folgen, welche sich an dicse Wanderung knüpf-
tc», «aren für Eduard zunächst cben so wunderlich,
als ihm die Gründe zur Wandcrung räthsclhaft
blicben.

Die »lte Pffegrrin erschöpfte von diesem Tage
an für Eduard alle Aufmerksainkciten, welche ihrem ,
Herzen und ihre» Mittcln nur moglich waren. Nicht -

Deutschland.

Karlsruhe, 25. Juni. Nach dem Gesetz-
cntwnrf über bie Einführnng der neuen evang.
Kirchenverfassilng werden zunächst bie
Ktrchengemci'ndkversammlungeil gebilbet, sodann
die Kirchenälkcsten gewählt. DiöccsaiisPnoven
treten im Laufc deS Zahrcs 1862 zusammen
und wählen den Diöccsanausschuß. Die gegen-
wärtigen Dccane bleiben noch sechs Jahre im
Amt. Zn bcn Diöcescn, dercn Decan nur
prvvisorisch ernannt ist oder stirbt oder frei-
willig zurücktritt, nimmt die nächste Diöccsan-
spiiobe die Wahl eines Dccans vor. Bis die
Kirchenvcrsammlungen gebildet sind und die
Wahl dcr Kirchenältestcn stattgefunden hat,
wcrden die erlebigten Pfarrcicn noch in bis-
heriger Wcise besctzt. Die Berufung ber
nächstcn orventlicheu Gencralspnvbe kann vor
Ablauf von fünf Jahren stattsinden. Der
Spnobalausschuß wird noch von der der-
malcn tagenben Generalspnvbe gewählt nnd
iritt in Thätigkeit, sobald rie Kirchcnverfassung
als Kirchengcsctz verkünbet sein wird.

Karlsruhc, 26. Zuni. So eben, Nach-
mittags 2^/z Uhr, ist Zhre Maj. die Köni-
gin Auguste von Preußen dahicr ein-
getroffcn, soll aber äußerem Vernehiiien nach
schon heute Abend die Reise nach Baden fort-
ziisctzen beabsichtigen.

Baden-Baden, 23. Juni. So eben ver-
nehmeu wir, daß die Gemahlin des Prinzcn
Napolcon im Laufe dcr Saifon einen länge-
ren Aufenthalt in Baben nimmt. (A. Z.)

Freiburg, 20. Juni. Seit drei Tagen
beschäftigte sich das Schwurgerichl mit bcr
Anklage gcgen Ludwig Wilhelm Gerharbl von
Tobtuau, wegen boshafter Zahlnngsflüchtig-
keit. Derselbe lst gebünig von Bötzingen,
37 Jahre alt. 1842 trat er als Commis
und Rcisender in das Geschäft des Fabrikan-
tcn Thoma zu Todtnau. 1847 vcrhciraihetc
er sich mit ciner Schwägerin dieses Letzteren
und grünbete 1850 cinc Leinen- nnd Baum-
wollenfabrik mit Handgespinnst auf eigene
Rcchnung, wozu er seine crsparlen Mittel
mit 15,000 fl. und das Bcrmögen seiner grau
mit 6—7000 fl. vkkwendctc. Das Geschäft
steigene sein Veriiiögcn auf etwa 9000 fl.,
wcßhalb cr 1856 eine mechanischc Weberei
errichtetc. Das Geschäft ging aber in seiner
jctzigen Ausdehnung nicht mehr so gut wie
ehcbem und zudem lebte Gerhardt scit 1853
mit seiner Ehefrau und dcren Verwandten
in Zerwiirfniß, aus dcm eine Neihc von Pro-
ceffen wegen Ehescheidung und Unterhalts-
reuten entstand, die ihm viel Zeit und Gcld
kosteten. Darunter mußtc noihwenbig auch
seiii Geschäft leiden und Siockungen in seinen
Zahlungkii eintreten. Durch diesen Rückgang
stiner Geschäfte wurde Gerhardt erbittert und
dicsc Aufrcgung steigertc sich sv, daß cr we-
ge» Verleumdung des Thoma zu einer drei-
mvnailichcn Kreisgefängnißstrase vcrurtheilt
wurde. Untcr diesen Verhältnissen mußte
allmalig eine Zerrüttung dcs Geschäfts, von
desscn Stand Gerhardt selbst kcin genaues
Bilb gehabt haben will, eintreten, welchc sich

nur schien beim Morgenkaffec, beim Mittageffen
wie beim Abcnbbrodc der Segen Gottes in die
Portioncn gekommen zu sein, auch dic Sorgfalt
für die Wäsche und Klcider dessclben, auch der Ton
ber Anrede und die fast müttcrliche ZLrtlichkeit im
Blick der Pflegcrin gabcn auffallcnd Zeugniß hicrvon.

(Kortsetzung folgt.)

Wochenialenber des Kladderadatsch.
Montag dcn 24. Zuni.

Jst Alles aufaezchrt, dann muß man darben —
Zch bin cin Preuße, kcnnt ihr meinc Farben?
Dicnstag, den 25. Zuni.

Wo Narrheit herrscht, ist Sclave dcr Verstand —
Was ist dcs Deutschen Vaterland? —

Mittwoch dcn 26. Zuni.

Vergcßt nur nicht, wofür die Väter starben —

Zch bin ein Prcußc, kennt ihr mcinc Farben?

Donncrstag den 27. Juni.

Wofür in Waffen die Nation cinst stand t-
WaS ist deS Dcutschen Vaterland?

Frcitag dcn 28. Juni.

! Erst wenn fic reif, dann schncidct man die Garben —

' Lch bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?

dald zum ZahlungSunvermögen steigerte, so
daß :'m Anfang v. Z. die Zahlungen von
Gerhardt mit Ausflüchten stalt mit Geld b'c-
wirkt wurdcn. Er vcrließ am 5. April v.
I. plötzlich Todtnau, ging zunächst nach Frei-
burg, machke verschiebene Rcisen in die Schweiz
und nach Frankfurt, angcblich um einen Ab-
nehmcr sür sein Geschäft zu suchen, kehrte in
der Nacht vom 26. auf dcn 27. April heim-
lich nach Todinau zurück und begab sich von da
andern Tags in bie Schweiz, von wo er am
23. Mai dem Amtsgericht Schönau seine Zah-
lungsunfähigkeit aiizeigtc. Am 25. Mai wurde
sofort die Hanbelsgant gegen ihn eröffnet.
Am 2. Zuui fand sich Geryardt in Tvdtuau
wieber cin und wurve alsbalv in Hausver-
haft gcnommen. Die Vermögcnsaufnahmc cr-
gab eine Ueberschulvung »on 18,928 fl. 35 kr.
Bei Verwcrthung dcr Maffe wurden die Lic-
genschaftcn dcr Pfaiidgläubigcrin Casimir Kai-
sers Wittwe um 14,660 fl. zugeschlagc» und
aus den Fahrniffen nur so wenig erlöst, daß
die Vermögcnseinbuße der Gläubigcr Ger-
hardtS sich gegcn 30,000 fl. belicf. Dcr von
den Gläubigern von lhm verlangte Offcnba-
rungseid wurde verweigert. Bei bicscu Ver«
hältniffeii wurde Untersuchung gcgen Gerharbt
wcgen boshafter Zahlungsflüchiigkeit einge-
Icitet und verselbe vvr die Geschworenen ge-
stellt. Die Anklage wird dadurch begründet:
„1) Daß cr bie gesctzlich vorgeschriebencn
Handelsbücher nicht alle gehalten und bie vor-
handeiien so geführt hat, daß sie die wahre
Lage seines Vermvgens nicht nachweisen.

2) Daß er stch nicht übcr die Verwendung
seiner gauzen Einnahinc auögewiescn habe.

3) Daß er zum Nachthcüe bcr Gläubiger

sein Waarenlager in deiläufigcm Werlh von
mindcstens 10,000 fl. verfchleppt unv den
Erlös bei Seiie geschafft und 4) daß cr brci
erdichtete Rcchtsgkfchü;tc äbgeschloffen habe."
Die Geschwvrcnen erkannten dicse Punkte der
Anklage al« erwiesen, worauf Gerharbt der
boshaftcn Zahlungsflüchtigkeit für schuldig er-
klärt unv zu cincr 4 jährigen Zuchthausstrafe
oder 2^/z Jahre in Einzelhaft verurtheilt
wurde. — Damit schloffcn die Verhandluu-
gen dcs II. QuartalS. (F. Z.)

Stuttgart, 24. Juni. Die Stande wer-
den auf den 2. Juli wicder cinberufen werdcn.

(W. St. A.)

München, 23. Juni. Der König hat
genehmigt, daß für die Restauration des Ulmer
Münsters eine Sammlung in sämmtlichen
protestantischen Kirchcn dcs Königreichs vor-
geiiommen werde.

Kaffel, 25. Zuni. Der Verfaffungsaus«
schuß der zweitcn Kammcr hat folgenbe An-
träge einstimmig beschloffen: 1) die Kammer
erklärt sich incompeteiit zur Vornahmc land-
ständischer Geschäfte; 2) cinc Vorstcllung an
den Kurfürsten auf Wiedcrherstellung der Vcr-
fassung von 1831 zu richten.

Berlin, 25. Juni. Dic Corrcspondenz
Stern schreibt: Das von bcm Künige noch
nicht bestätigie Urtheil über den Gencral Man-
tcuffel lautet auf 3 Mvnatc FestungSarrest,
doch dürfte diese Zeit auf dem Wegc der

Sonnabcnd den 29. Juni.

Erst schwarz auf weiß, und daim darauf den SaNd —
WaS ist des Dcutschcn Vaterland?

An die Egoisten.

Mit nichf geringcm Erjlaunen las Einsendcr
dieseS — dcstcn Namc bci der Erpcdition in Er-
fahrung gebracht werden kann — in Nr. 144 dcr
„Hcidclverg-r Zeitung" ein mit k unterzcichnctcS
Gedicht, betiiclk „An dic Egoisten." Dassetbe hat
nun adcr nicht den angcblrchen k zum Verfaffer,
sondern den am 5.Zanuar1856 in New-Aork oer-
.storbencn Laufmann PhrlippDegcnoon Mann-
hcim, wrc Eiusender diescs Gelegenhcit hatte, fich
aus dcffen hintcrtaffenen Papicrcn zu üderzeugen
und wie fich fraglichcs Gedicht schon rn ber„Belle-
trlstischen Bcitage zum Mannhcimcr Zournat" vom
Zahr 1845 Nr. 28 mit Ph. D ... n unterzeichnct
gedruckt findet. Wir bedauern nnr sehr, daß sich
genannter K nicht bcffcre Gebichte deSselbcn Per-
fafferS, zu bcffen schwachstcn und unreifsten Erzeug-
Nlstcn geradc das in Frage stehenbe Gebicht gchört,
Zu eigen gcmacht hat.*)

') Wir hofsen, daß es dem H-rrn Einsender jeneS
Gedichtes möglich ist, den Vorwurf einer literarisch-n
Piraterei znrückzuweisen. (D. Ned.)
 
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