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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 1 - No. 14 (1. Januar - 31. Januar)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M2.

Sanntag, den 26. Januar

1868.

Posteé restante.
Amerikaniſche Kriminalnovelle.
Von
John Nobody.

(Fortſetzung.)

James ließ ſich das nicht zweimal ſagen. Unſere
Expedition war jedoch auch dießmal ohne Erfolg.
Wir kehrten nach Newyork zuruͤck, und es fiel mir
einigermaßen auf, daß Burton zwar mir ſelbſt de-
merklich machte, ich ſolle noch auf einen oder einige
Tage ſein Gaſt ſein, James aber eine ſolche Ein-
ladung nicht erhielt. Dieſer erklärte, am folgenden
Morgen nach Blankville zurückfahren zu wollen
und verabſchiedete ſich. Ich blieb noch zwei Tage
Burton's Gaſt und hatte die Freude, daß ſeine
Leonore in kindlich traulicher Weiſe ſich mir näherte.
Entweder liebte der Detektive das ſeltſame Weſen
ſo grenzenlos, daß die, welchen Leonore ihre Nei-
gung zuwendete, auch ihm als abſolut gute Men-
ſchen galten, oder er ſetzte ein großes Vertrauen
in die Inſpiration der kleinen Hellſeherin. Spä-
ter hatte ich Gelegenheit, mit Schrecken zu erfah-
ren, welche Bedeutung er dieſer Inſpiration in
Bezug auf die Beurtheilung von Perſonen beilegte.
Für jetzt ſchieden wir, ohne weitere Entdeckungen
gemacht zu haben, als Freunde.

S. Das Geſpenſt in Moreland's Villa.

Ich erwähnte ſchon früher, daß ich, nach vol-
lendeten Studien, in Gemäßheit der eigenen An-
deutungen Mr. Argyll's erwarten durfte, von ihm
zum Theilhaber ſeiner advokatoriſchen Geſchäfte er-
wählt zu werden, und ich war deſſen in mir ſo
gewiß, daß die Theilhaberſchaft in meinem Lebens-
Gerade um
die Zeit meines letzten Beſuchs in Newyork hatte
ich für einen Klienten, der von perſönlichem Ein-
fluß war, einen verwickelten und ſchwierigen Prozeß
ſo glücklich durchgeführt, daß mehrere der älteren
und erfahrenen Kollegen meines bisherigen Chefs
mir deßwegen in ſchmeichelhafter Weiſe gratulirten.
Auffallend war es mir daher ſchon, daß Mr. Ar-
gyll bei meiner Rückkehr von Newyork mich kühler

als ſonſt empfing, und noch auffallender, daß er

meines advokatoriſchen Sieges nur mit einigen höf-

lichen und förmlichen Worten gedachte. Anfänglich
ſchrieb ich dieß Benehmen auf Rechnung eines
vorübergehenden Unwohlſeins, allmälig aber mußte
ich die Ueberzeugung gewinnen, daß Mr. Argyll's
Geſinnungen gegen mich ſich geändert hatten; er
ward von Tag zu Tage kälter und foͤrmlicher und
ich hatte vergeblich auf ſein Anerbieten, mich als

Compagnon annehmen zu wollen, zu warten. Von

Verdruß und Zweifel gequält, wußte ich nicht, ob
ich ſein Bureau ein⸗ für allemal verlaſſen, oder
noch länger auf die Wiederkehr ſeiner ſonſtigen
freundſchaftlichen Haltung warten ſollte, da ich mich
keines Umſtandes zu erinnern vermochte, woher ich
mich der früheren Bevorzugung unwürdig gemacht

haben könnte.

Selbſt Mary, dieſes harmloſe, liebenswürdig
freimüthige Geſchöpf, welches in den Tagen der
tiefſten Bekümmerniß ſich mir zugeneigt hatte, wie
eine jüngere Schweſter dem älteren Bruder, zeigte
ſich anders gegen mich, nicht gerade abſtoßend und
kalt, aber mehr zurückhaltend, gezwungen und wort-
karg; und oftmals, wenn mein Blick, ihr Auge
traf, ſchlug ſie daſſelbe zu Boden, oder wendete ſich
verwirrt hinweg. Ich konnte mich des argwöͤhni-
ſchen Gedankens nicht erwehren, daß James ge-
lungene Verſuche gemacht habe, mir die unſchätz-⸗
bare Freundſchaft der Familie Argyll zu entziehen,
daß er Mißtrauen gegen meinen Charakter, gegen
meine Abſichten, meine Handlungen, oder Gott
weiß gegen was, geſäet habe. James ſelbſt be-

mühte ſich, trotz ſeines unſtäten Weſens, freundli-

cher gegen mich zu ſein als je, und es blieb mir
unklar, in wie weit die Kunſt der Verſtellung An-⸗
theil an ſeinem Benehmen hatte. Daß er ſich in—⸗
zwiſchen bemühte, ſich Eleanor wieder zu nähern,
und daß es ihn Mühe koſtete, ſeinen Verdruß über
ihr Beharren in der vollkommenen Abgeſchloſſenheit
von allem äußerlichen Verkehr zu verbergen, ward
mir deutlich erſichtlich und gab mir eine Art Schlüſ-⸗
ſel zu der Urſache, mich zu verdächtigen: er wollte
ſich möglicher Weiſe ein⸗ für allemal die Bahn
von etwaigen Nebenbuhlern rein machen.
So kam der dreiundzwanzigſte Dezember heran;
an dieſem Tage ward Eleanor neunzehn Jahre
alt und hatte ein Jahr zuvor ihr Hochzeitstag ſein
ſollen. Ich erkannte ſogleich bei meinem Erſchei-
 
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