geidelberger Familienblätter.
Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.
M29.
1868.
Aus den Memoiren eines Briganten.
(Schluß.)
Die Vorkehrungen wurden jederzeit ſo getrof-
fen, daß der Sonnenaufgang die Bande in der
Nähe eines zum Verſteck geeigneten Ortes fand;
eines Dickichts, einer Bergſchlucht u. dgl. Während
dann die Bande ſich der Ruhe ergab, behielten
Wachen ſämmtliche Wege im Auge, namenilich auch
um Landleute, die etwa beim Holzſuchen in die
Nähe kamen, bis zum Abend in Gewahrſam zu
halten, damit ſie den Schlupfwinkel der Briganten
nicht verrathen konnten. Mit naivem Cynismus
erzählt Maſi, welches Loos in ſolchem Falle der
Bäuerinnen wartete, falls ſie nicht ſo glücklich wa-
ren, die Frauen oder Schweſtern von Freunden
oder Mitſchuldigen der Räuber zu ſein: denn als
ſolche wurden ſie „wie leibliche Schweſtern reſpec-
tirt.“ Abends zogen Veteranen zum Fouragiren
aus und in irgend einer im voraus zum Sam-
melplatz beſtimmten
mit Mänteln verhängt war, um den Feuerſchein
abzuhalten, wurde dann während der Nacht ge-
tafelt. ö
Die Haupteinnahmsquellen waren die Löſegel-
der, welche reiche Grundbeſitzer, die man aus ihren
Landhäuſern oder gar aus ihren ſtädtiſchen Palä-
ſten entführte, oder unterwegs aufhob, erwirken
mußten. Allerlei Leute, welche dabei ihre Rech-
nung fanden, waren den Briganten behülflich durch
Meldungen, wo und wann ein Fang zu machen
wäre; zeigten ſich die Angaben richtig und gelang
der Handſtreich, ſo empfing der Denunciant ſeinen
Antheil wie ein Theilnehmer; verſuchte er aber,‚
die Räuber in einen Hinterhalt zu locken, ſo war-
Tod ohne Gnade ſein Lohn. Zum Beſtellen der
Briefe an die Familien und zum Ueberbringen der
Geldſummen wurden Landleute benützt, die man
expreß für dieſen Zweck vom freien Felde wegfing.
Bekannt iſt, daß Briefen, welche keinen Erfolg hat-
ten, Naſen und Ohren der Gefangenen als beredte
Mahnungen nachgeſandt zu werden pflegten.
Die Ueberfallspläne legte der Hauptmann ſtets
den Veteranen zur Begutachtung vor und verzich-
tete auf die Ausführung, falls die Mehrheit ſich
Freitag, den 6. März
„Dienſtzeit,“
Schäferhütte, deren Thuͤre
dagegen ausſprach; nur die Beſtimmung des Zeit-
punktes behielt er ſich allein vor. Die Antheile
an der Beute richteten ſich nach der Länge der
und bei dieſer Gelegenheit geſteht
Maſi, daß die Aelteren, welche beträchtliche Sum-
men erhielten, in ſtäter Sorge vor Dieben im
Kreiſe ihrer werthen Freunde und Genoſſen waren.
Nicht ohne Emphaſe aber weiſt er die Gemeinſchaft
der Briganten mit „Uebelthätern“ zu rück, welche,
allerdings wie Briganten gekleidet, Fremde an der
Landſtraße anfielen: mit ſolchen Kleinigkeiten be-
faßten ſich die Briganten nicht, die recht gut wuß-
ten, daß Reiſende in jenen Gegenden keine große
Barſchaft bei ſich zu führen pflegten und daß es
zu weitläufig geweſen ſein würde, ihre Ange-
hörigen in anderen Ländern um Löſegelder anzu-
gehen.
Die Pflege der Kranken und Verwundeten be-
handelt unſer Autor ziemlich weitläufig. Hier ge-
nügt ſeine. Verſicherung, daß Krankheiten trotz der
aufregenden und anſtrengenden Lebensweiſe zu den
höchſten Seltenheiten gehoͤrten, daß aber bei ernſten
Krankheiten oder Verwundungen die gute Natur
des Betroffenen das Beſte thun mußte, da Aerzte
nur ſchwer und mit großen Koſten und Gefahren
geholt werden konnten und die Sorge der Kame-
raden ſich darauf beſchränkt ſah, durch Plänkeleien
in verſchiedenen Richtungen die Aufmerkſamkeit der
Gendarmen von dem Zufluchtsorte des Leidenden
abzulenken. ö
Die Helfershelfer der Briganten aus der Be-
völkerung ſelbſt theilt Maſi in zwei Klaſſen, ſolche,
die freiwillig mit jenen Verbindungen unterhielten
(„Freunde erſten Ranges“), insbeſondere Kaufleute
und Handwerker, welche ihnen Waffen, Kleidungs-
ſtücke ꝛc. lieferten, und arme Teufel, welche ſich
aus Noth oder Furcht gebrauchen ließen. Wie die
Regierung die Erſteren viel eifriger verfolgte und
ſtrenger beſtrafte, ſo war Gasbaroni ſeinerſeits
darauf bedacht, ſie vor Entdeckung zu ſchützen, zog
Niemanden von der Bande in das Geheimniß und
verkehrte nur perſönlich mit ihnen oder durch die
Vermittelung von Landleuten, welche jenen Fabri-
kanten oder Händlern irgendwie verpflichtet waren.
So kam es, daß die Regierung ſogar von Angebern
unter Gasbaroni's Leuten nicht erfahren konnte,
von wem dieſer die Waffen ꝛc. bezöge. In einer
Mittelſtellung befanden ſich manche öffentliche Be-
Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.
M29.
1868.
Aus den Memoiren eines Briganten.
(Schluß.)
Die Vorkehrungen wurden jederzeit ſo getrof-
fen, daß der Sonnenaufgang die Bande in der
Nähe eines zum Verſteck geeigneten Ortes fand;
eines Dickichts, einer Bergſchlucht u. dgl. Während
dann die Bande ſich der Ruhe ergab, behielten
Wachen ſämmtliche Wege im Auge, namenilich auch
um Landleute, die etwa beim Holzſuchen in die
Nähe kamen, bis zum Abend in Gewahrſam zu
halten, damit ſie den Schlupfwinkel der Briganten
nicht verrathen konnten. Mit naivem Cynismus
erzählt Maſi, welches Loos in ſolchem Falle der
Bäuerinnen wartete, falls ſie nicht ſo glücklich wa-
ren, die Frauen oder Schweſtern von Freunden
oder Mitſchuldigen der Räuber zu ſein: denn als
ſolche wurden ſie „wie leibliche Schweſtern reſpec-
tirt.“ Abends zogen Veteranen zum Fouragiren
aus und in irgend einer im voraus zum Sam-
melplatz beſtimmten
mit Mänteln verhängt war, um den Feuerſchein
abzuhalten, wurde dann während der Nacht ge-
tafelt. ö
Die Haupteinnahmsquellen waren die Löſegel-
der, welche reiche Grundbeſitzer, die man aus ihren
Landhäuſern oder gar aus ihren ſtädtiſchen Palä-
ſten entführte, oder unterwegs aufhob, erwirken
mußten. Allerlei Leute, welche dabei ihre Rech-
nung fanden, waren den Briganten behülflich durch
Meldungen, wo und wann ein Fang zu machen
wäre; zeigten ſich die Angaben richtig und gelang
der Handſtreich, ſo empfing der Denunciant ſeinen
Antheil wie ein Theilnehmer; verſuchte er aber,‚
die Räuber in einen Hinterhalt zu locken, ſo war-
Tod ohne Gnade ſein Lohn. Zum Beſtellen der
Briefe an die Familien und zum Ueberbringen der
Geldſummen wurden Landleute benützt, die man
expreß für dieſen Zweck vom freien Felde wegfing.
Bekannt iſt, daß Briefen, welche keinen Erfolg hat-
ten, Naſen und Ohren der Gefangenen als beredte
Mahnungen nachgeſandt zu werden pflegten.
Die Ueberfallspläne legte der Hauptmann ſtets
den Veteranen zur Begutachtung vor und verzich-
tete auf die Ausführung, falls die Mehrheit ſich
Freitag, den 6. März
„Dienſtzeit,“
Schäferhütte, deren Thuͤre
dagegen ausſprach; nur die Beſtimmung des Zeit-
punktes behielt er ſich allein vor. Die Antheile
an der Beute richteten ſich nach der Länge der
und bei dieſer Gelegenheit geſteht
Maſi, daß die Aelteren, welche beträchtliche Sum-
men erhielten, in ſtäter Sorge vor Dieben im
Kreiſe ihrer werthen Freunde und Genoſſen waren.
Nicht ohne Emphaſe aber weiſt er die Gemeinſchaft
der Briganten mit „Uebelthätern“ zu rück, welche,
allerdings wie Briganten gekleidet, Fremde an der
Landſtraße anfielen: mit ſolchen Kleinigkeiten be-
faßten ſich die Briganten nicht, die recht gut wuß-
ten, daß Reiſende in jenen Gegenden keine große
Barſchaft bei ſich zu führen pflegten und daß es
zu weitläufig geweſen ſein würde, ihre Ange-
hörigen in anderen Ländern um Löſegelder anzu-
gehen.
Die Pflege der Kranken und Verwundeten be-
handelt unſer Autor ziemlich weitläufig. Hier ge-
nügt ſeine. Verſicherung, daß Krankheiten trotz der
aufregenden und anſtrengenden Lebensweiſe zu den
höchſten Seltenheiten gehoͤrten, daß aber bei ernſten
Krankheiten oder Verwundungen die gute Natur
des Betroffenen das Beſte thun mußte, da Aerzte
nur ſchwer und mit großen Koſten und Gefahren
geholt werden konnten und die Sorge der Kame-
raden ſich darauf beſchränkt ſah, durch Plänkeleien
in verſchiedenen Richtungen die Aufmerkſamkeit der
Gendarmen von dem Zufluchtsorte des Leidenden
abzulenken. ö
Die Helfershelfer der Briganten aus der Be-
völkerung ſelbſt theilt Maſi in zwei Klaſſen, ſolche,
die freiwillig mit jenen Verbindungen unterhielten
(„Freunde erſten Ranges“), insbeſondere Kaufleute
und Handwerker, welche ihnen Waffen, Kleidungs-
ſtücke ꝛc. lieferten, und arme Teufel, welche ſich
aus Noth oder Furcht gebrauchen ließen. Wie die
Regierung die Erſteren viel eifriger verfolgte und
ſtrenger beſtrafte, ſo war Gasbaroni ſeinerſeits
darauf bedacht, ſie vor Entdeckung zu ſchützen, zog
Niemanden von der Bande in das Geheimniß und
verkehrte nur perſönlich mit ihnen oder durch die
Vermittelung von Landleuten, welche jenen Fabri-
kanten oder Händlern irgendwie verpflichtet waren.
So kam es, daß die Regierung ſogar von Angebern
unter Gasbaroni's Leuten nicht erfahren konnte,
von wem dieſer die Waffen ꝛc. bezöge. In einer
Mittelſtellung befanden ſich manche öffentliche Be-