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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 15 - No. 26 (2. Februar - 28. Februar)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletritiſche Beilage zur Heidelberger Zeitmg.

26.

Freitag, den 28. Februar

1868.

Die Gräfin Chorinsky.

(Fortſetzung.)
„Von meiner Kindheit,“ begann die Gräfin
ihre Erzählung, „will ich nur ſagen, daß ich zu
Mannheim erzogen wurde. Meine Eltern gehörten

dem Kaufmannsſtande an und thaten für uns

Kinder nur ſo viel als ihre nicht allzureichen Mittel
geſtatteten. Schon frühzeitig entwickelte fich in mir
der Hang zur Schwärmerei. Religiöſe Geſchichten
und rührende Dramen bildeten den Gegenſtand
meiner Lieblingslektüre. Oft wies mich deßhalb
mein Vater zurecht; denn ich las, was mir gerade
in die Hände kam. Die Folge davon war — ich
ſeh' es nun ein — eine zu ideale Auffaſſung des

Lebens und damit eine unwiderſtehliche Neigung

zum Idealen, Romantiſchen und Theatraliſchen.
„Ich ging auch wirklich zum Theater und ern-
tete zunächſt in Augsburg nicht ſelten den ſchmei-
chelhafteſten Beifall. Zu gleicher Zeit nahm ich
Unterricht in der römiſch⸗katholiſchen Religion, denn
ich war geborene Proteſtantin.
„Und Ihr Name?“ warf ich neugierig ein.
„Hab' ich meinen Namen zu nennen ver-
geſſen?“
„Ich wenigſtens hab' ihn noch niemals gehört.“
„Mein Geburtsname iſt Mathilde Rueff.“
„Und jetzt 2“
„Gräfin Chorinsky.“ ö
„Gattin des k. k. Statthalters von Niederöſter-
reich? ?ꝰ? ö
„Nein;
Chorinsky.“
„Und Sie leben hier?“
„Von meinem Manne freiwillig geſchieden.“
„Ich erinnere mich, Sie auf der Augsburger
Bühne geſehen zu haben.“ ö
„Nachdem ich Augsburg verlaſſen“ — fuhr die
Gräfin fort — „erhielt ich in den Jahren 1857
und 1858 Engagement bei der Linzer Bühne, und
hier war es, wo in Geſtalt beſeligender Liebe das
Unglück meines Lebens begann. Zu Linz lernte
ich nämlich eines Abends auf der Bühne den da-
maligen Bataillons⸗Adjutanten beim Regimente
Haugwitz, Guſtav Grafen von Chorinsky⸗Ledske,
kennen. Der wirklich ſchöne und galante Cavalier
machte ſofort den günſtigſten Eindruck auf mein

Gattin des Oberlieutenants Guſtav

an Menſchenkenntniß noch armes Herz. Seine

Aufmerkſamkeit gegen mich wuchs von Tag zu Tag,

ja von Stunde zu Stunde. Er geſtand mir ſeine
Liebe, verſprach mir die Ehe und gab mir ſchließ-
lich ſogar ein ſchriftliches Ehegelöbniß. So hatt'
ich es gefordert; denn ich liebte ihn wahr und innig
und wollte nicht der Spielball einer flüchtigen Lie-
beslaune werden.
„In den erſten Wochen unſeres Verhältniſſes
war ich das glücklichſte Mädchen der Erde. An
der Seite meines blondgelockten, gutmüthig heiteren
Freundes verflogen die ſonſt langen Stunden mei-
nes einſamen Lebens wie kurze Minuten. Doch
es währte nicht lange, ſo mußte ich die Bemerkung
machen, daß der gutmüthig heitere Sinn des Grafen

in einem ſchrankenloſen Leichtſinn ſeine Wurzeln hatte.

„Die gewöhnlichen Schulbegriffe von guter
Sitte und Ehre waren ihm ſpießbürgerliche Erfin-
dungen und, was mich am ſchmerzlichſten berührte,
die Tugend der Frauen galt ihm nur für Präderie
und Koketterie. Er ſprach daher nicht ſelten ver-
ächtlich von meinem Geſchlechte.“
„Das war wenigſtens nicht galant.“
„Auch ich fühlte mich anfangs beleidigt. Doch
aus dem beleidigten Herzen ſchlugen immer höher
und heißer die Flammen der Liebe für Guſtav em-
por. Dabei faßte ich den nuglücklichen Gedanken,
ſein rettender Engel aus Leichtfinn, Genuß- und
Verſchwendungsſucht werden zu wollen.
„Mein Guſtav — das wurde ich zum größten
Leidweſen bald inne — liebte und ſuchte gerne
leichtfertige Geſellſchaft — Geſellſchaft, für welche
das Gold nur Chimäre und Mädchen wie Frauen,
namentlich Kunſtjüngerinnen, nur für momentanen
Zeitvertreib auf der Welt zu ſein ſcheinen. Außer-
dem war Graf Choriusky ſtets in pekuniären
Verlegenheiten und ſo wurde auch ich ſeine Gläu-
bigerin.“ * ö
„Wie, er borgte von Ihnen?“ ö
„Ich gab ihm meine Sparpfennige freiwillig;
doch nahm er ſie niemals, ohne mir einen Schuld-
ſchein auf Ehrenwort aufzunöthigen.“
„Und hat er ſein Ehrenwort auch immer recht-
zeitig eingelöst ??:
„Bisweilen. Doch war es mir lieb, wenn es
nicht rechtzeitig geſchah; denn ſeine Liebe — das
fühlte ich mit bangem Zittern — ſchien zu erkal-
ten, und ſo war das arme Mädchen glücklich, den
 
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