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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 118 - No. 130 (2. October - 30. October)
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Heidelberger gamilienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 128.

Sonntag, den 25. October

1868.

Von Dreien Eine.
Eine Erzählung.

(Fortſetzung.)
„Ein ſonderbares Benehmen von Thekla!“ ſagte
Erſtere; — „finden Sie das nicht?“
„Sehr ſonderbar!“ ſeufzte Lieutenant.

Er fühlte ſich recht unheimlich zu Muthe; ſein

Gefühl für das Recht, vielleicht auch der Zug ſei-
nes Herzens trieb ihn für Fräulein von Sanften-
bach Partei zu nehmen, das Fatum wies ihn auf
Thekla hin. Im Ganzen zürnte er Letzterer aber
doch. Die Unterhaltung mit Erſterer wollte nicht
recht wieder in Gang kommen, denn das Fräulein
mochte es mit vollem Rechte doch wohl übel auf-
nehmen, daß ihr Kavalier ſich nicht beſſer zu ver-
theidigen gewußt hatte.
Solche Momente, wo die Englein durch das
Zimmer fliegen, wie man ſagt, und wo man wie
auf Kohlen ſitzt, ſind im hoͤchſten Grade peinlich.
Der Lieutenant, der ſonſt nicht auf den Mund ge-
fallen war, konnte nach einem neuen Anknüpfungs-

punkte des Geſpräches ſuchen, ſo viel er wollte, er

fand ihn nicht. Ebenſo ging es wahrſcheinlich auch
Fräulein Mathilde, und Thekla, die Beide nicht
aus den Augen ließ, feierte einen heimlichen Tri-
umph, konnte ſich aber gerade dadurch doch immer
weniger der Ueberzeugung verſchließen, das frühere
Geſpräch, das ſo lebhaft geführt worden, müſſe
etwas verfänglich geweſen ſein, und damit ſtieg ihre
Eiferſucht nur noch mehr. ö
Hatte dieſe die Wirkung, daß ihr Rohrbach nur
noch theurer wurde, ſo erzeugte ſie in ihr auch
einen bitteren Groll gegen Mathilde.
Der Baron und die Baronin, kaum Nina, hat-
ten bemerkt, daß etwas Beſonderes vorgefallen ſei;
ſie fühlten nur, ohne ſich davon Rechenſchaft geben
zu können, daß die ganze Situation etwas gedrückt
ſei. Man brach daher früher als ſonſt zum Abend-
brode nach dem Schloſſe auf. ö
Thekla wußte es als Tochter vom Hauſe leicht
ſo einzurichten, daß der Lieutenant ſich bei' Tiſche
zwiſchen ſie und ihre Mutter ſetzen mußte; da ſie
ihm Mathilde auch nicht einmal als Vis-à-Vis
gönnte, hatte ſie dieſe an ihre rechte Seite placirt.
Rohrbach beſtrehte ſich, ſo liebenswürdig als

möglich gezen die kleine Amazone zu ſein, aber

zu ſeinem Verdruſſe nahm er bald wahr, daß ſie
ihn abſichtlich ſehr kurz behandele. Man weiß,
daß ihm Thekla nicht im Eruſte zürnen konnte,
aber einmal glaubte ſie, durch ihr kokettes Schmol-
len ſein Herz noch feſter an ſich feſſeln zu können,
dann beabſichtigte ſie auch, Mathilden ein für alle
Mal jede Nebenbuhlerſchaft zu verleiden.
„Du wirſt Dich vorhin über mein Benehmen
gewundert haben, liebe Mathilde“, ſagte ſie leiſe
zu ihr, als die Unterhaltung am Tiſche ſo lebhaft
geworden war, daß man die beiden jungen Mäd-
chen welliger beobachtete, „und doch würdeſt Du
mir vergeben, wenn Du wüßteſt, was mich dazu

bewogen hat.“

„Ich ſtaunte allerdings, liebe Thekla,“ erwi-
derte Mathilde ſanft, aber vorwurfsvoll, „daß Du,

obenein in Gegenwart Herrn von Rohrbach's, Aeu-

ßerungen thateſt, die ihn und mich nur verletzen
konnten, und ich muß geſtehen, Deine Beweggründe
dazu ſind mir unerklärlich.“ ö ö
„Ich war empfindlich, heftig, ich geſtehe es Dir
zu und bitte Dich um Verzeihung,“ ſagte Thekla
ſo nachgiebig, wie ſie ſich ſelten zeigte; „Du wür-
deſt Dich in meiner Lage aber ohne Zweifel ähn-
lich benommen haben.“ ö ö
„Gewiß nicht, Thekla, ich würde nicht den
Muth dazu gehabt haben, obgleich ich nicht ver-
ſtehe, was Du mit den Worten „in meiner Lage“
ſagen willſt.“
„Liebe Mathilde, ich habe gewiſſe Rechte auf
Herrn von Rohrbach. Es ſoll zwar noch ein Ge-
heimniß ſein, da Du aber meine beſte Freundin
biſt —“ ö
Fräulein von Sanftenbach wurde offenbar un-
ruhig, ihr blaſſes Antlitz entfärbte ſich noch mehr,
und ſie ſtammelte, als Thekla inne hielt: „Ich
verſtehe Dich nicht, Thekla, moͤchteſt Du Dich nicht
etwas deutlicher ausdrücken?“ ö
CLhekla war malitiös, ſie wollte den vergifteten
Dolch langſam in das Herz ihrer Nebenbuhlerin
ſtoßen; ſie bedachte überhaupt nie reiflich, was
ſie that.
„Ich will es Dir offen geſtehen, Mathilde,“
fuhr ſie flüſternd fort, „— ich war eiferſüchtig.
Ich erkenne jetzt mein Unrecht an.“
„Eiferſüchtig auf mich Herrn von Rohrbach's
wegen?“ fragte Mathilde mit noch größerer Be-
fangenheit als vorher. „Liebſt Du ihn denn?“
 
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