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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 131 - No. 143 (1. November - 29. November)
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Heidelberger Familienblätter.

ö Belletriſtiſche Veilage zur Heidelberger Zeitung.

140.

Sonntag, den 22. November

1868.

Die letzte Montanini.

Eine italieniſche Geſchichte, nach alten Papieren erzählt
von
Berthold Rödiger.

Schluß.)
Als Sanvitale, der ſchon in der Stadt von
Pia's Studien und von ihr ſelbſt wie von einer
Art Hexe hatte ſprechen hören, nun auch aus ihrem
eigenen Munde die Beſtätigung erhielt, daß ſie den
Stein der Weiſen ſuche und bereits die merkwür-
digſten, das Leben verlängernden und verkürzenden
Elixire und Gifte gefunden habe, bat er ſie um
Erlaubniß, ſie in ihrem Laboratorium beſuchen zu
dürfen. Dem Jugendfreunde und Gaſte des Hau-
ſes geſtattete ſie das bereitwillig. Nachdem ſie ihm
Vieles erklaͤrt und er ſie eine Zeit lang beobachtet
hatte und darauf nachdenklich geworden war, ſagte
er endlich: Pia Montanini, Du biſt in der Lage,
mein und Dein Glück, ja das Glück Deiner Fa-
milie zu machen, wenn Du nur den guten Willen
dazu haſt. Meine Königin Maria liebt die Leute,
die ſolche Künſte verſtehen, wie Du, und überhäuft
ſie mit Würden und Reichthümern. Sieh nur,
was ſie aus der Leonora Galigai, dieſer Zimmer-
mannstochter, gemacht hat, die mit ihr Frankreich
beherrſcht und ihr doch nicht halb ſo viele Dienſte
leiſten kann, als wie Du ihr mit Deiner Wiſſen-
ſchaft leiſten könnteſt. Ich weiß es am beſten, wie
ſich die Königin zu Zeiten nach wiſſenden, in ſolche
Geheimniſſe eingeweihten Menſchen ſehnt, denn ich
habe ſie oft im Geheimen und in Verkleidungen zu
Aſtrologen, Alchymiſten und Giftmiſchern in die
entfernteſten und verſteckteſten Winkel von Paris
begleiten müſſen, und mit meinen eigenen Augen
habe ich es zu wiederholten Malen mit angeſehen,
wie vor ihr an Hähnen und Hunden die Kraft ver-
ſchiedener Gifte verſucht wurde. Ich bin überzeugt,
daß von dieſen Pariſer Schwarzkünſtlern Dich kei-
ner an Wiſſen und Muth erreicht; außerdem hätte
Maria eine ſo geſchickte Perſon gerne in ihrer
Nähe, kann aber, ohne Verdacht zu erregen, einen

ſolchen Mann nicht an ihrem Hofe halten;: Du,
ſchön und jung und ein Edelfräulein wie Du biſt,‚

wirſt Niemand auf den Gedanken bringen, daß Du
Künſte treibſt, wie ſie ſonſt nur alte Doktoren oder
bucklige Frauenzimmer zu treiben pflegen und Du

wirſt der Königin um ſo willkommener ſein. Die
Galigai, ſchwarz, verwachſen und gemein, wie ſie
ausſieht, hat ſich ſchon durch ihr Aeußeres verra-
then und der Königin, weil ſie allen Franzoſen
verhaßt iſt, manche Verlegenheiten bereitet. Auch
iſt ſie unwiſſend. Und doch! Sieh nur, wie weit
ſie es gebracht hat; um wie viel weiter, o Pia,
wirſt Du es mit Deinem Geiſte, Deinem Wiſſen
und Deiner einnehmenden Schönheit bringen —
und ich mit Dir, denn die Königin wird mir über-
aus dankbar ſein für ein ſolches Geſchenk! ö
In dieſem Sinne und indem er ihr die Herr-
lichkeiten ausmalte, die ſie am franzöſiſchen Hofe
erwarteten, redete er ihr noch lange zu. Sie bat
ihn um einige Tage Bedenkzeit und antwortete end-
lich, daß ſie bereit ſei, ihm zu folgen, aber nur
unter der Bedingung, ihren Bruder Borſo nebſt
ſeiner Frau mit ſich führen zu dürfen. Sanvitale
willigte gerne in dieſe Bedingung. Borſo, der ſei-
ner Zukunft mit Beſorgniß entgegenſah und wußte,
daß die Noth bereits vor ſeiner Thüre lauerte, und
der ſich nach dem reichlichen Leben der letzten drei
Jahre vor den Augen ſeiner Landsleute wieder in
Armuth zurückzufallen ſchämte, war froh, unter
einem guten Vorwande ſeine große Dienerſchaft ent-
laſſen und rechtzeitig aus Siena abziehen zu kön-
nen und war auf den Vorſchlag ſeiner Schweſter
mit Eifer eingegangen. Anna beglückte der Ge-
danke, ihr Vaterland wieder zu ſehen — und ſo
waren Alle nach wenigen Tagen zur Reiſe bereit.
In Siena war jetzt von nichts anderem die Rede,
als von den Montanini's, die ſich mit Sanvitale
an den Hof der Königin Maria begeben wollten,
und viele arme Schlucker drängten ſich an San-
vitale heran, um ebenfalls mitgenommen zu wer-
den, wurden aber von ihm unbarmherzig zurück-
gewieſen. ö ö
Endlich machte man ſich auf den Weg. Die
Diener Sanvitale's und mit ihnen drei Diener, die
Borſo nicht verabſchiedet hatte, bildeten, ſämmtlich
beritten, den Vor- und Nachtrab, während die Her-
ren und die Damen auf Pferden und Mauleſeln
in der Mitte ritten. Man ſchlug den geraden Weg
nach Livorno ein, wo man zu Schiffe gehen wollte.
Ohne Abenteuer kam man nach San Geminiano
und weiter und man hoffte, ſo ruhig und ohne
Schwierigkeiten bis an die See gelangen zu können,
da das Land ſicher war und man ſchon ſeit lange
 
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