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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 15 - No. 26 (2. Februar - 28. Februar)
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Heidelberger Lamilienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 17.

1868.

Poste restante.
Amerikaniſche Kriminalnovelle.
Von
John Nobody.

(Fortſetzung.)

Die Paſſagiere gingen inzwiſchen an's Land, und
eine Partie wilder Newyorker, die ſich nach den
Goldregionen begeben wollten, gerieth mit Mexi-
kanern in Streit; es wurden Meſſer gezogen und
Piſtolen abgeſchoſſen. Ein ſpaniſcher Gentleman,
Don Miguel, welcher bei Acapulco eine ausge-
dehnte Hacienda beſaß, wollte Ruhe ſtiften, erhielt
aber einen ſo bedeutenden Meſſerſtich, daß er ſich
verblutet haben würde, wenn nicht einer der new-
yorker Paſſagiere, der müßig dem Streite zugeſehen
hatte, ihn glucklich behandelt und die Wunde kunſt-
gerecht verbunden hätte. Aus Dankbarkeit nahm
Don Miguel den Retter mit auf ſeine Hacienda
und gab ihm eine Anſtellung als Wundarzt für
ſein zahlreiches Haus- und Arbeitsperſonal, wozu
unter Andern auch die Arbeiter einer werthvollen
Silbermine gehörten. Ich für meinen Theil, ſchloß
der Erzähler, begreife nicht, wie Don Miguel dazu
kam, ein ſo grenzenloſes Vertrauen in den Vankee-
Doktor zu ſetzen, der ganz das Ausſehen eines ge-
wöhnlichen Abenteurers hatte; er machte ihn aber
zu einem Mitgliede ſeiner Familie, gab ihm ſogar
ſeine einzige Tochter zur Gattin — was ich noch

ſchwerer verſtehe, da Ineſſa ein reizendes junges

Mädchen war, welches den Beſten des Landes hätte
wählen können — und gegenwärtig hat dieſer
Abenteurer, Doktor Knop, wie er ſich nennt, gro-
ßen Einfluß und das angenehmſte Leben auf Don
Miguel's Beſitzungen. — Sie können ſich denken,
Redfield, mit welcher Begier ich dieſer Mittheilung
lauſchte; ich ſtellte einige beſcheidene Fragen über
die perſönliche Erſcheinung des Hankee-Doktors“
und gewann mehr und mehr die Ueberzeugung, daß
er mit George Thorley identiſch ſei; deßhalb trieb
es mich, in Acapulco an's Land zu gehen. Hier
miethete ich zwei Eingeborne, welche drei Maul-
Rbe beſaßen, zu Führern und Begleitern nach den
etwa
Miguel's. Im Sattel legte ich unter dem Drucke

Freitag, den 7. Februar

zwölf Stunden entfernten Beſitzungen Don

tropiſcher Sonnenglut den Weg zurück. In der
Nähe der Hacienda wechſelte der Charakter der
Landſchaft; die bis dahin breite, durch Getreidefel-
der und Palmengruppen führende Straße verengte
ſich, der Boden ward uneben undanſteigend. Im
fernen Hintergrunde erhob ſich das Terrain zu
einem Gebirgsausläufer mit einzelnen, von glän-
zendem Schnee bedeckten Graten. Die Hacienda
lag am Fuße einer dieſer Anhöhen, ringsumher
eine weite, bebaute, oder von Rinderheerden be-
waidete Fläche beherrſchend. Kurz vor den Ge-
bäuden ließ ich meine Begleiter zurück und ritt
allein weiter; der Diener, welcher ſich mir näherte,
unterrichtete mich, daß der Beſitzer der Hacienda an-
weſend ſei; ich wurde angemeldet und eingeführt.
Don Miguel empfing mich als Landsmann ſeines
Schwiegerſohnes mit ausgeſuchter Grandezza und
ſagte, Doktor Knop werde, nach ſeiner Rückkunft
von einem Beſuch der Silbermine, wo er die Ar-
beiter kontrolire, ſich jedenfalls ſehr freuen, über
ſeine ehemalige Heimat Neues zu hoͤren. Mir
ſchlug das Herz in lauten Schlägen bei dieſen
Worten, und es that mir, um dieſes feinen, ge-
müthlichen, intelligenten Spaniers willen, einiger-
maßen leid, gegen den Herrn Schwiegerſohn, wenn
er wirklich der Rechte war, vorgehen zu müſſen.
„Nachdem wir uns etwa eine Stunde unterhal-
ten hatten, ſagte mir Don Miguel, es ſei Eſſens-
zeit, ein Diener werde mich nach meinem Zimmer
führen, damit ich mir, nach dem weiten Ritt in
der Hitze, mit friſchem Waſſer Geſicht und Hände
kühle, dann erwarte man mich bei Tiſche. Jeden-
falls werde Doktor Knop während der Mahlzeit
erſcheinen. Als ich in den Speiſeſalon geführt
ward, fand ich nur zwei Perſonen anweſend, den
Hausherrn und eine junge, ſehr ſchöne Dame, die
er mir als ſeine einzige Tochter und des Doktors
Gemahlin präſentirte. Angeſichts dieſes blühenden
Weſens und der reich gedeckten Tafel, ſagte ich mir
wiederholt, daß mein Mann — vorausgeſetzt, daß
ich mich in der Perſon nicht irrte — ſich in der
That ein ſehr angenehmes Quartier ausgeſucht
habe. Doch- die Wahrheit mußte ſich ja binnen
einer oder einigen Stunden herausſtellen.
„Wir Drei ſetzten uns zu Tiſche, konverſirten
lebhaft über die Beſchaffenheit des Landes, über
meine Reiſe, über Newyork ꝛc. Donna Ineſſa fragte
mich mit lebhaftem Intereſſe, ob ich ihren Gemahl
 
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