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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 27 - No. 39 (1. März - 29. März)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletritiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

37.

Mittwoch, den 25. Mürz

1868.

Die Nachbarn.

(Fortſetzung.)

„Scheinen es Miß Loo abgelernt zu haben,
ſchon ſo früh Morgens im Sattel zu ſein,“ ſagte
er nach einem derben Morgengruße, der den jun-
gen Mann berührte, als wolle ſich Jener damit
als gutmüthig⸗biedere Perſönlichkeit bei ihm einfüh-
ren, „ſind jedenfalls heute ausgeſtochen worden,
denn ich habe die junge Lady ſchon vor einer Vier-
telſtunde nach Hauſe galoppiren ſehen.“ ö
„Dank' Ihnen, Doktor, ſo brauche ich mich
nicht weiter nach ihr umzuſehen,“ erwiederte Hein-
rich leicht, „ſie hatte mir allerdings den Morgen
abgewonnen.“ ö
„Und ſie vermutheten ſie dort hinüber?“ fragte
der Andere, nach der Richtung von Baumbachs
Farm deutend, während in ſeinem Auge ein raſcher,
eigenthümlicher Strahl aufblitzte.
Ich bin auf's Geradewohl losgeritten,“ erwie-
derte der Deutſche, der ſich plötzlich der Nothwen-
digkeit, auf ſeiner Hut zu ſein, bewußt ward, „und
weiß kaum, wie ich hier aus dem Walde heraus
gelangt bin — ich muß erſt die Umgegend kennen
lernen. Etwas Beſonderliches dort drüben?“ —
Heinrich hätte ſich kaum ſelbſt den harmloſen Ton,
in dem er die letzten Worte geſprochen, zugetraut,
und der Doktor ſchlug, allem Anſcheine nach da-
durch getäuſcht, ein kurzes Lachen auf. „Nichts
als ein paar Menſchen,“ ſagte er, „die Ihren
Pathen halbtodt ärgern, und die er alſo wohl kaum
freundlich in Ihrer Geſellſchaft ſehen würde.“
„O, die Baumbachs!“ ſagte Heinrich ruhig,
„ich habe davon gehört.“
„Richtig, Sir!“ nickte Hadley, „Miß Loo ver-
irrt ſich auf ihren einſamen Ritten auch biswei-
len hierher, und ich würde an Ihrer Stelle lieber
früher aufſtehen, Sir, um ſie zu begleiten. Ich
kenne ſie und lege ihr nichts unrecht aus; aber
Mr. Quentin, wie er nun einmal iſt, möchte ein-
mal anders denken. Am ſicherſten fuͤr den Frieden
wäre es nun freilich, wenn Sie bald mit der Hoch-
zeit losgingen, von der Ihr Pathe ſpricht. Dann
würden wohl die Frühritte von ſelbſt aufhören.“
Er ſah dem Deutſchen mit einem ſo ſchlauen Lä-

cheln in's Geſicht, daß dieſer nicht wußte, wie weit
er eine ernſte Bedeutung in die Rede legen oder
eine Kenntniß des Mannes von Loo's und ſeinen
eigenen geheimen Angelegenheiten annehmen ſolle.
„Ich denke, Doktor, Miß Loo wird ihren Va-
ter kennen und wiſſen, was ſie thut,“ erwiederte
er mit möglichſter Unbefangenheit, „ich habe noch
kein Recht, ihr zu rathen, wie Sie es zu wünſchen
ſcheinen.“ Der Andere aber zog mit einem bedenk-
lichen Laͤcheln die Schultern emporr. *
„Ich habe auch kein Recht, Ihnen zu rathen,
und thue es doch, weil ich Sie gern habe, Sir!“
verſetzte er; „im Uebrigen aber kann ich Ihnen
nur ſo viel ſagen, daß mit Mr. Quentin nicht zu
ſpaßen iſt, ſelbſt wenn es ſeine eigene Tochter ver-
ſuchen ſollte. Laſſen Sie ſich von dem Mäbdchen
nicht auf Irrwege leiten, wie heute Morgen, Sir;
ich mein' es gut mit Ihnen; Sie können niemals
wiſſen, ob Sie ſo geſchwind wieder auf gebahnten
Weg kommen, wie jetzt. — Und hier geht meine
Straße ab, good morning, Sir!“ Er nickte dem
jungen Manne bedeutungsvoll zu und bog wieder
nach der früher verfolgten Richtung hinüber.
Heinrich vermochte ſich während ſeines Heim-
rittes nicht des Gedankens zu entſchlagen, daß der
Doktor von Loo's Geheimniß völlig unterrichtet ſei,
ſowie ihr jetziges verborgenes Spiel durchſchaue,

und eine tiefe Sorge überkam ihn, wenn er an

die kaum fernliegende Zeit dachte, in welcher Quen-
tin auf eine beſtimmte Verwirklichung ſeiner Wünſche
drängen werde, und er die letzten Aeußerungen
ſeiner Baſe ſich vergegenwärtigte, die auf einen für
alle Fälle gefaßten Entſchluß deuteten. Er fühlte
ſich glücklich, als er das Mädchen unter dem Por-
tico, den Kopf wie in tiefen ́Gedanken in die Hand
geſtützt, bemerkte, und beeilte ſich, nachdem er dem
ihn erwartenden Neger den Zügel ſeines Pferdes
zugeworfen, ihr von der gehabten Begegnung und
dem ſtattgefundenen Geſpräche Kenntniß zu geben.
„Er rechnet ſich ſelbſt jedenfalls mehr zuſam-
men, als er ſicher weiß,“ erwiederte ſie ſinnend,
„er hätte ſonſt gegen den Vater nicht damit zurück-
gehalten. Wäre es aber auch anders, ſo iſt es
jetzt ziemlich gleich; ich vermuthe mit ziemlicher
Gewißheit, daß noch heute der Vater ſich um den
Stand unſerer Angelegenheit bei Ihnen erkundigen
wird. Sie ſind länger als eine Woche hier, die
ihm nach einer geſtern hingeworfenen Bemerkung
 
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