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Heidelberger Familienblätter — 1868

DOI Kapitel:
No. 40 - No. 52 (1. April - 29. April)
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Heidelberger Tamilienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 43.

Mittwoch, den 8. April

1868.

Die Nachbarn.

Gortſezung.)

Heinrich nickte wie im Verſtänd niß des Unaus-
geſprochenen. „Es thut mir letd, Sarah, denn ich
möchte, daß Jeder auf der Farm gleich wüßte, wie
es mit mir einmal daran ſein wird. — Da ſteht
etwas für einen kühlen Abend, wie ſie jetzt kommen
werden,“ fuhr er auf die Brandyflaſche deutend
fort, „nimm es Dir mit!“
Das Weib war ſeiner Handbewegung gefolgt
und ſah dann plötzlich mit einer wunderlichen
Miſchung von Gier und Mißtrauen zu ihm auf;
der Inhalt dieſer verpichten und etiquettirten Fla-
ſchen ſchien ihr nur zu wohl bekannt zu ſein. „Es
iſt verboten, Sir, den farbigen Leuten Branntwein
zu geben,“ ſagte ſie; auf ihren Lippen ſchien aber
ein Nachſatz zu ſchweben, den ſie noch nicht auszu-
ſprechen wagte.
„Verboten — ich habe das nicht gewußt und
nur immer gehört, daß für Euch Leute ein Glas
Grog an kalten Abenden das Erwünſchteſte ſei,“
war die ruhige Erwiederung; ſeine ferneren Worte
indeſſen ſchnitt die Mulattin, in ſichtlicher Beſorg-
niß, zu ſchroff in ihrer Zurückweiſung geweſen zu
ſein, ab. „Wenn Sie aber nichts darüber verlau-
ten laſſen würden, Maſter —“ ſagte ſie zögernd,
während ihr Blick bald nach der Flaſche, bald nach
dem Geſichte des vor ihr Sitzenden flog. ö
„Nimm oder laß es!“ entgegnete Heinrich, ſich
wie in leichter Ungeduld wegdrehend, „ich habe Dir
eine Freundlichkeit erzeigen wollen und würde mich
deßhalb wahrſcheinlich nicht ſelbſt angeben.“
Die Flaſche war bereits unter Sarah's Schürze
verſchwunden und mit einem grinſenden: „Dank
Ihnen, Dank Ihnen, Maſter!“ verließ die Be-
ſchenkte eilig das Zimmer. Heinrich athmete er-
leichtert auf und ſäumte nicht, durch eine neue
Depeſche die Gefangene von dem Geſchehenen zu
unterrichten. Noch kurz vor dem Abendeſſen aber
ſah der junge Mann die Mulattin im Syeiſezim-
mer beſchäftigt, ohne das geringſte Zeichen an ihr
zu bemerken, daß ſie von ſeinem Geſchenke Gebrauch
gemacht, und als er jetzt, nachdem Quentin ſeinen

Platz auf dem Portico verlaſſen, alle Maßregeln,
welche er mit Charles Baumbach für die Flucht
Loo's verabredet, überdachte, zermarterte er ſeinen
Kopf vergebens, welches Mittel zu ergreifen, falls
Sarah ſeinem Befreiungswerke in den Weg treten
ſollte. Mußte er Gewalt gegen ſie anwenden, ſo
war auch ſeine Zukunft in dieſem Hauſe geſchloſſen,
und die heutige Nacht wurde die entſcheidende für
ſein ganzes Leben.
Es war ſpät, als der junge Mann in das
Haus zurücktrat und den Riegel vor die Thüre
ſchob. Die volle Stille der Nacht herrſchte in dem
nur durch einzelne Mondſtrahlen erleuchteten Raume,
und Heinrich meinte die ſchnarchenden Athemzüge
ſeines Vetters aus deſſen Schlafkabinet zu hören.
Leiſe erſtieg er die Treppe und ſpähte durch den

Korridor, welche durch ein Seitenfenſter volles Licht

erhielt; aber von einem Lager der Mulattin war
nirgends etwas zu entdecken, und einigermaßen be-
ruhigt fühlte er nach dem bereits in ſeiner Taſche
befindlichen Hauptſchlüſſel und begab ſich nach ſei-
nem Zimmer, ſich einen Platz an dem geöffneten

Fenſter wählend, der ihm die ungehinderte Ausſicht

nach dem Walde hinüber geſtattete. Noch war eine

Stunde Zeit bis zu dem verabredeten Eintreffen
des jungen Baumbach, und bald hatte den Da-

ſitzenden der Einfluß des Mondlichts wie die tiefe
Ruhe der Natur ringsum' in wache Träumereien
verſenkt. Ob dabei trotz ſeiner innern Erregung
ein leichter Schlummer über ihn gekommen war,
wußte er ſpäter ſelbſt nicht; er war ſich nur klar,
daß ihn ein beſtimmtes Geräuſch außerhalb des
Hauſes aufgeſchreckt hatte, und als er den Blick
über die nächſte Umgebung desſelben laufen ließ,
ſah er einige der Büſche in Bewegung, als ob ſich
ſoeben irgend ein Körper Bahn hindurch gebrochen
habe. Haſtig blickte er nach ſeiner EUhr — Charles
mußte bereits auf dem Wege ſein, und nur einen
Augenblick lang machte er ſich Gedanken über die
Urſache des gehörten Geräuſches, damit aber auch
für alle Fälle ſeinen Entſchluß faſſend. Er hatte
Loo durch die Hinterthüre in's Freie geleiten wol-
len, da ſich hier durch die Zierbüſche Deckung bis
zu der Stelle, wo Charles ihrer wartete, fand;
wurden indeſſen hier, wie es faſt ſchien, die Fenſter
ihres Zimmers beobachtet, falls ſie dieſe zu einem
Ausgange benutzen wolle, ſo mußte der Weg durch

die Frontthüre, den offenen Hügelabhang hinab,
 
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